Lieber Kalessin,
ja, das meinte ich. Hinzukommt, das jeder Markt ja nicht nur vom Angebot, sondern auch von der Nachfrage lebt. Diese schick sanierten Wohnungen müssen ja auch eine Käuferschicht ansprechen. Oft sind das zunächst renditeorientierte Investoren, die dann diese Wohnungen an ein internationales Publikum zu enormen Summen weiterreichen.
Dass sich da keiner mehr um "gewachsene Viertel" oder "Lebensraum" schert, ist auch klar. Etwas rücksichtslos, das ganze. Aber denjenigen, die diese hübschen, aufpolierten Wohnungen ihr eigen nennen, gefällt das.
Genauso gefallen alte schwarze, in allen Details hochglänzende Flügel. Dafür finden sich genügend Abnehmer. Eine komplette Neulackierung (kein Schellack) innen wie außen, neue Saiten + Wirbel, neue Hämmer, Resoboden aufbereiten. Bei alten Blüthnern pegelt sich der Preis zwischen 16 und 18 T€ ein. Das scheint ein attraktives Angebot zu sein und lässt bei so manchem Flügelsuchenden das Herz höher schlagen: ein Markenflügel, alt, aber alles neu gemacht für so wenig Geld! Und oft wird der "eigentliche" Neupreis gleich im Angebot dazugeschrieben. Wenn man Pech hat, ist der Flügel zwar schön anzusehen (Geschmacksache), aber klanglich völlig, naja, uninteressant. Und das Spielgefühl auch mehr als gewöhnungsbedürftig. Wenn man dem Flügel die Wurzeln kappt und alles neu sein muss, kann dieses traurige Ergebnis der wahre Preis sein. Diese zulackierten, hochglanzaufgehübtschten Instrumente erinnern mich immer an in die Jahre gekommene Menschen, die mit allen möglichen Tricks der Kosmetikindustrie versuchen, jung zu erscheinen. Nicht immer mit überzeugendem Ergebis.
Natürlich kann man auch auf Flügelangebote in Privathaushalten treffen, die genauso hinüber sind. Nicht jeder alte Flügel war überhaupt jemals ein guter Flügel und nicht jeder alte Flügel hatte über die gesamte Zeit optimale Standorte und ein nettes Frauchen oder Herrchen. Insofern kannste beim 40, 50, 60, .....130-jährigen Instrument, das noch nie ne Werkstatt von innen gesehen hat, auch Pech haben. Aber dieses Risiko kostet dich höchstens ein bißchen Benzingeld und ein Gutachterhonorar.
LG, Sesam