Na, das wird ja immer noch konfuser, Klavigen: Erst schreibst du, daß Studenten c, d, e, f, des, h, c FALSCH hören und aufschreiben, nämlich des-h als verm. Terz, um dann zu erklären, daß die verm. Terz RICHTIG ist. Wat denn nu? Ist sie falsch oder richtig?
Dabei ist der Grund, weswegen einigermaßen Geschulte nicht cis-h schreiben, doch banal, nämlich liegt schlicht darin, daß sie die Wendung kennen und vom Neapolitaner schon mal was gehört haben. Entscheidend ist der harmonische Zusammenhang, nicht die falsche oder richtige enharmonische Notierung. Außerdem wüßte ich mir durchaus Harmonisierungen dieser Tonfolge aus den Fingern zu saugen, bei denen das cis richtig wäre.
"...wer aber bei dem Akkord g,h,d,eis nur einen Dominantseptakkord von C-dur hört, den lade ich nicht zu Kaffee und Kuchen ein." Auch hier wieder ergibt sich allein aus dem Zusammenhang, ob g Grundton des Akkords ist oder tiefalterierte Quinte. Abhängig davon, aus welchem harmonischen Bereich man in den Akkord gelangt ist oder wohin der Akkord führt, wird man f oder eis schreiben. Aber egal, wie man ihn schreibt, er bleibt klanglich doppeldeutig. Hätte Beethoven in op. 110 im letzten Satz nach dem ersten Fugenteil vor Wiedereintritt des Ariosos nicht eigentlich es, g, b, cis (entspräche g, h, d, eis) schreiben müssen? Hat er aber nicht, er hat "des" statt "cis" geschrieben, und erst die nachfolgende Auflösung in den Dominantquartsext von g-moll macht die Funktion des Klanges klar, während aus dem Klang selber schlicht nicht heraushörbar ist, wie er weitergehen soll -- aufgrund dieser Doppeldeutigkeit war er als einfache Modulationsmöglichkeit in der Klassik ja so beliebt.
Vielleicht sollte man aus der Fähigkeit, aus harmonischer Logik und Grammatik auf die Notation schließen zu können, besser nicht folgern, das Ohr könnte zwischen des und cis unterscheiden.
Das Spielchen mit Doppeldeutigkeiten läßt sich nämlich weit treiben. Z.B. käme wohl auch ein geschultes Ohr nicht auf die Idee, die Folge cis-h-a in b-moll zu hören, solange es nicht entsprechende Akkorde dazu hört; aber es ist gar kein Problem, das in b-moll zu harmonisieren, und erst dann wüßte man, daß es eigentlich des-ces-a heißen müßte (Molltonika - Neapolitaner - Dominante), der Tonfolge allein, ohne Akkorde, können kein Ohr und Hirn anhören, wie sie notiert ist.
Völlig übersehen dabei wird offensichtlich die Notation transponierender Instrumente. Man findet nämlich in Orchesterwerken durchaus Stellen, wo B-Stimmen ganz anders notiert sind als C-Stimmen, nämlich in den Geigen z.B. als H-dur, in den Klarinetten der besseren Lesbarkeit wegen als Des-dur (= klingendes Ces-dur = H-dur). Und solche Inkonsistenzen wechseln bisweilen sogar innerhalb eines einzigen Satzes innerhalb eines einzigen Taktes.
Und Harfenisten schimpfen oft genug über die Ahnungslosigkeit ihrer Notensetzer, die sie zwingt, sich alles umzuschreiben, weil eine Harfe kein Doppelkreuz spielen kann -- d.h. sie kann natürlich schon, aber das Lesen und Einrichten der Harfenpedalstellungen wird dabei sehr unübersichtlich.
So schreibt sich denn der Harfenist die Stelle um, Klarinettist und Trompeter lesen in B-Tonart, der Rest des Orchesters in Kreuz-Tonart. Und dann kommt der Mystiker und sagt, daß es da einen Unterschied gäbe und daß das Orchester genau genommen polytonal spiele?
Könnte es sein, daß diesem Mystizismus vielleicht doch ein wenig praktische Erfahrung fehlt, die mal über den Klavier-Tellerrand hinausgeschaut hat?
Aber es darf gerne jeder nach seiner eigenen Mystik selig werden, zumal Menschen am wenigstens sich ihre Mystik nehmen und ungern durch schnöden gesunden Menschenverstand ersetzen lassen.