Finger fast senkrecht - russische Spielweise?

ahc

ahc

Dabei seit
6. März 2013
Beiträge
507
Reaktionen
393
Hallo an alle,

ich lese hier immer mal mit und habe jetzt zum ersten Mal selber eine Frage. Ich hatte nämlich letzte Woche eine Probestunde und kann mich jetzt nicht entscheiden. Ich hatte diese Musikschule eigentlich ausgewählt, weil die Schüler dort schon Preise gewonnen haben (Jugend musiziert auf Regional- und Landesebene, ein 10jähriger auch Steinway-Wettbewerb) und ich auch fand, dass sie schön spielen. Ich selber bin erwachsener Anfänger (noch weniger als 2 Jahre).

Die Lehrerin meinte aber, dass meine Finger- und Handhaltung ganz falsch ist. Sie wollte, dass die Finger fast senkrecht auf die Tasten treffen, ungefähr so:
23.jpg


Ich hatte das Gefühl, dass dann das ganze Gewicht auf dem Nagel liegt. Sie hat gesagt, dann wäre der Nagel zu lang. Er ist aber kürzer als der Finger, nur bei Druck gibt eben die Fingerspitze nach. Ich fand auch, dass der Ton dann härter klingt. Sie meinte aber, er wäre voller und das Klavier würde singen. Sie hat gesagt, dass das die einzig richtige Art wäre, dass das in Russland so unterrichtet wird und dort viele gute Pianisten herkommen. Ich habe dann gefragt, warum z.B. Horowitz mit flachen Fingern gespielt hat. Sie hat gesagt, er hätte es aber anders gelernt und darauf würde es ankommen. Ich habe zurückgefragt, warum er sich denn dann später umgestellt hat, wenn doch die andere Art die einzige richtige ist.

Ich kann mich jetzt nicht so richtig entscheiden. Einerseits finde ich immer noch, dass die Schüler dort gut spielen. Andererseits hat sich diese senkrechte Haltung nicht so gut angefühlt, und mir hat der Klang nicht so gut gefallen. Oder muss ich da einfach nur den Nagel noch kürzer schneiden?

Was für Erfahrungen haben denn die erfahreneren Klavierschüler hier? Seid ihr mal umgezogen? Habt ihr euch dann mit dem neuen Lehrer ganz umgestellt? Oder habt ihr einen Lehrer gesucht, der ungefähr so unterrichtet wie euer bisheriger?
 
Mal ehrlich, was Du da machst hat wenig Sinn.
a: Du nimmst doch Unterricht, damit Du korrigiert wirst, damit auch Du schön spielst?
b: Du bist nicht Horowitz
c: Drei Lehrer, drei Meinungen...und Deine eigene (völlig unerfahrene) kommt auch noch dazu.

Guten Unterricht kann es nur geben, wenn Du Deinem Lehrer vertraust. Die machen den ganzen Tag nichts anderes als Schüler zu unterrichten, haben das gar studiert. Da sammeln sich also jede Menge Erfahrungen an, die man als Schüler auch anerkennen sollte. So wäre es durchaus denkbar, dass sie bei Dir die "Senkrechthaltung" übertrieben einfordert, um die Korrektur zu beschleunigen (übliche Herangehensweise bei falschen Bewegungen im Sport...20% zu weit links...Korrektur auf 10% zu weit rechts --> passendes Ergebnis).

Wie auch immer: Fehlt das Vertrauen in den Lehrer, dann such Dir nen anderen. Dafür wurden ja Probestunden erfunden.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Egal ob die Fingerhaltung nun richtig oder falsch ist... Wenn Dir die Antworten der KL komisch vorkommen und für Dich nicht nachvollziehbar sind, suche lieber einen Anderen mit dem Du gut klar kommst bei dem Du das Gefühl hat das es Sinn macht wenn er etwas erklärt.
 
Russische Spielweise? Dezidiert russisch ist ein hoher Krümmungsgrad der Finger nicht. Trotzdem gibt es dafür gute Gründe. Gegenfrage zum Ausprobieren ohne Instrument, etwa auf einer Tischplatte: Wo liegt das Auflagegewicht hauptsächlich bei der Berührung der Tischplatte, wenn im einen Falle die Finger wie Trommelstöcke flach ausgestreckt werden und im anderen Falle mit der gewünschten Krümmung niedergedrückt werden? Wenn man so etwas ausprobiert, ist es damit noch nicht getan. An ein Spielgefühl sollte man sich in Ruhe erst mal gewöhnen und diese Erfahrung an sich herankommen lassen.

Das erfordert Zeit, Praxis - und Vertrauen in die fachliche und pädagogische Kompetenz der Lehrkraft. Und da gehören immer zwei Parteien dazu: Die eine muss das Vertrauen gewähren und die andere dasselbe rechtfertigen. Der Verweis auf die Erfolge anderer Schüler und Absolventen dieser Institution ist wenig hilfreich - es gibt keine Patentrezepte für den jedem zugänglichen Erfolg am Instrument.

Musikunterricht ist nun mal ein stark kommunikativ ablaufender Vorgang, wo es auf beiden Seiten "stimmen" muss. Die Lehrkraft ist natürlich in der Pflicht, die Inhalte transparent zu machen und verständlich zu übermitteln. Sehr oft verfügt sie dabei über langjährige Erfahrung, auf die der Schüler aber ein Stück weit auch vertrauen muss. Die feinmotorischen Gegebenheiten beim Erlernen sind eine äußerst diffizile und ananspruchsvolle Angelegenheit, mit der man auf Jahre hinaus beschäftigt ist. Sowohl Lehrer als auch Schüler brauchen dazu Zeit und Leistungsbereitschaft. Wer da allzu schnell immer den Lehrer wechselt, nimmt etwaige Kommunikationsprobleme immer an den nächsten Unterrichtsort mit, und das im Glauben, dass immer nur die anderen daran schuld sind, wenn es nicht "läuft".

Verständnisschwierigkeiten sind also stets zu kommunizieren - und auch nach dem Ablauf von Schnupperstunden oder Probezeiten gibt es relativ zeitnahe Möglichkeiten, das Unterrichtsverhältnis zu kündigen, wenn "die Chemie nicht stimmt", wie man sagt.

In diesem Sinne viel Erfolg und Aufnahmebereitschaft wünscht

mit LG Rheinkultur
 
Hallo ahc,

ich spiele seit etwas weniger als drei Jahren, autodidakt, jeden Tag zwischen einer halben und einer Stunde. Wochenende mehr. Ich habe bis dato keine Finger- Handschmerzen oder sonstige körperliche Beschwerden durch das Klavierspiel.

Taste. Ich lerne seit zwei Jahren an für mich schwierigeren Stücken (Chopin 9/2 und 27/2) und die Klaviatur ist mir nunmehr ein vertrauter Freund, auch ohne hinzusehen, das heißt ich ertaste ihn hinauf und hinunter. Orientierung hier von Anfang und und später an den schwarzen Tasten.
Hier hat es sich bei mir so ergeben, dass ich sehr viel Fingerkontakt mit den Tasten habe, auch wenn sie nicht spiele- Ich bin in Berührung mit den Tasten so als würde ich ganz sanft auf Tuchfühlung gehen ohne eine Reaktion auslösen zu wollen und auch nicht zu tun, also Hände eher flach. An Stellen, wo ich merke, ich spiele "zu schnell" habe ich bemerkt, ist es besser, dass ich an diesen Stellen eher senkrecht die Finger halte, weil ich merke, dass ich mehr Zeit dazwischen habe und die Klänge dann nicht so hudelig von mir aneinandergedrängt werden ohne Luft zu bekommen, auch wenn das senkrechte Ertasten mir - noch - nicht so geläufig ist.

Liebe Grüße
Stanzi
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Mal ehrlich, was Du da machst hat wenig Sinn.

Ich bin nicht sicher, was Du meinst, aber die Lehrerin fand es jedenfalls gut, dass ich nachgefragt habe.


Hast Du Dich denn dann bei Deinen bisherigen Lehrern immer komplett umgestellt? Ich war nicht sicher, ob man sich immer umstellen sollte oder ob man sich jeweils einen Lehrer sucht, der so ähnlich unterrichtet wie der bisherige (dem man ja vertraut hat). Wenn ich jetzt in 2-3 Jahren wieder umziehen würde (kann passieren), dann müsste ich ja dann wieder umlernen.
 
Vielen Dank für Deine Beschreibung Rheinkultur!

Gegenfrage zum Ausprobieren ohne Instrument, etwa auf einer Tischplatte: Wo liegt das Auflagegewicht hauptsächlich bei der Berührung der Tischplatte, wenn im einen Falle die Finger wie Trommelstöcke flach ausgestreckt werden und im anderen Falle mit der gewünschten Krümmung niedergedrückt werden? Wenn man so etwas ausprobiert, ist es damit noch nicht getan. An ein Spielgefühl sollte man sich in Ruhe erst mal gewöhnen und diese Erfahrung an sich herankommen lassen.

Bei ganz ausgestreckten Fingern würde ich sagen, liegt das Gewicht irgendwo in der Mitte am Finger. So wie ich es bisher gelernt hatte, liegt das Gewicht auf der Fingerkuppe. Und bei der Probestunde letzte Woche lag es eben auf dem Nagel. Oder ist es wirklich so, dass der Nagel dann noch kürzer sein muss?

Viele Grüße zurück
ahc
 
Ach so, vielen Dank natürlich auch an Peter, Magi und Stanzi!
 
Evtl. habe auch ich Dich falsch verstanden. Es kam ein wenig so an, als willst Du der KL sagen, wie die Handhaltung zu sein hat. Außerdem ging es an mir vorbei, dass das Ganze mit einem Lehrerwechsel zusammen hing.
Dieser allerdings kann zu einem Problem werden (kenne das aus Kindheitstagen mit der Violine). Auch aktuell: Letzten 3 Wochen hatte ich wegen Urlaub einen Ersatzlehrer, der mir völlig andere Techniken zeigte. Da fällt es einem Schüler nicht leicht, damit umzugehen.

Ich stimme Rheinkultur zu: Verständnisfragen kommunizieren (aber Horowitz & Co sollte man da außen vor lassen) und auch ein wenig Vertrauen in die Fachkenntnisse und Erfahrungen des KL haben.
 
Es kam ein wenig so an, als willst Du der KL sagen, wie die Handhaltung zu sein hat.

Um Gottes Willen, nein, ich habe nur gefragt, weil sie alles andere als ganz falsch bezeichnet hat. Sonst hätte ich bestimmt gedacht, dass sie etwas korrigiert, das in diesem Stück oder an dieser Stelle falsch war. Eure Antworten haben mir aber geholfen, danke!

@Magi
Danke, dann stöbere ich im Forum und lege schon mal die Nagelschere raus :)
 

Hast Du Dich denn dann bei Deinen bisherigen Lehrern immer komplett umgestellt? Ich war nicht sicher, ob man sich immer umstellen sollte oder ob man sich jeweils einen Lehrer sucht, der so ähnlich unterrichtet wie der bisherige (dem man ja vertraut hat). Wenn ich jetzt in 2-3 Jahren wieder umziehen würde (kann passieren), dann müsste ich ja dann wieder umlernen.
Ich musste bei JEDEM Lehrerwechsel meine Technik umstellen. Sowohl bei der Geige, als auch beim Klavier. Inzwischen juckt mich das wenig. ;) Sicher macht es Sinn sich jemanden zu suchen, der ähnlich wie der vorherige Lehrer unterrichtet, ein Perspektivenwechsel kann aber auch sehr gut sein. Je besser man sich auf eine Änderung einlässt umso schneller geht sie voran. Die Fingerhaltung ist doch sicher sehr schnell umgestellt. Eine Woche langsam und immer darauf achten, eine Woche normal spielen und darauf achten und in der dritten Woche muss man nur noch an kritischen Stellen die Fingerstellung kontrollieren...

Wenn die Fingerhaltung der einzige Punkt ist, dann würde ich mich darauf einlassen. Gerade wenn der entsprechende Lehrer viele gute Schüler hat. Sicher ist es ein wenig dogmatisch, aber es klingt soch durchaus plausiberl erst einmal eine Art "Standardtechnik" zu lernen. Individuell wird sie dann mit zunehmendem Können ganz von alleine. ;)
 
Was Deine Lehrerin erzählt, ist (sofern es sich tatsächlich so zugetragen hat und so gemeint war wie von Dir kolportiert) totaler Quatsch.

Bitte schleunigst Lehrerwechsel.

Deine Beobachtungen mit dem harten Klang und mit Horowitz sind völlig richtig.

Erstens sind die Finger so zu benutzen, daß man von der entspannten Fingerhaltung ohne Aktivität der Fingerbeuger und -strecker ausgeht (dann sind sie leicht gekrümmt, was man leicht überprüfen kann, wenn man den Arm schlapp runterhängen läßt) und je nach Bedarf und Tastengelände-Situation die Finger stärker krümmt oder seltener auch mal streckt.

Zweitens ist es sehr ungünstig für Entwicklung von Klang, Geläufigkeit, Rhythmus und Gleichmäßigkeit, "fingerzentriert" zu spielen. Jedes gelungene, virtuose Klavierspiel ist in Wirklichkeit armzentriert mit untergeordneter Fingertätigkeit (auch dann, wenn man wenig Armbewegung und viel Fingerbewegung sieht).

Für die feinfühlige Steuerung ist zudem ein möglichst großflächiger Kontakt der Fingerspitze mit der Taste sinnvoll.

Daß die Lehrerin, die offensichtlich eine ahnungslose Provinztante ist, sich auf die "russische Schule" beruft, ist eine lächerliche Frechheit.

Heinrich Neuhaus, einer DER Vertreter der Russischen Schule, schreibt in seinem Buch "Die Kunst des Klavierspiels":

Wie viele Hunderte und Tausende bemitleidenswerte Neulinge bemühten sich im Verlauf zahlloser Jahre, nach dem Befehl des Pädagogen bei der ersten Berührung der Klaviatur ihre lebendige Hand (...) in ein Stück Holz mit verkrümmten Haken zu verwandeln (...)

Eins dürfte sicher sein: Wenn Du bei der Tante da bleibst, bist Du genau einer dieser "bemitleidenswerten Neulinge".

Das ist nicht Polemik, sondern bittere Tatsache.

LG,
Hasenbein
 
(wegen dem Neuhaus-Zitat, lieber Lepus ;) )

LG, -LMG-

PS.: (ich könnte das weiter ausführen,müsste dabei aber auf Neuhaus' Kumpel zurückgreifen...)

Finger sind wichtig - aber nicht NUR.
 
Wenn die Fingerhaltung der einzige Punkt ist, dann würde ich mich darauf einlassen.

Ja, die Fingerhaltung war das einzige. Was sie sonst gesagt hat, hat mir eigentlich gefallen.

@Hasenbein: Uppsa, das ist aber hart. Immerhin haben ihre Schüler ja teilweise Preise bekommen. Ich glaube aber schon, dass ich es so verstanden habe, wie sie es gemeint hat. Ich habe auch nachgefragt, welche Stelle am Finger sie genau meint und ob es nicht auch anders geht. Wir haben uns mindestens ein paar Minuten nur darüber unterhalten.
 
Erstens sind die Finger so zu benutzen, daß man von der entspannten Fingerhaltung ohne Aktivität der Fingerbeuger und -strecker ausgeht (dann sind sie leicht gekrümmt, was man leicht überprüfen kann, wenn man den Arm schlapp runterhängen läßt) und je nach Bedarf und Tastengelände-Situation die Finger stärker krümmt oder seltener auch mal streckt.
was Hasenbein da beschreibt, trifft - man staune! - auf russische Virtuosen zu: sehr aufwändig ist es ja nicht, bei Youtube Videos mit dem Klavierspiel von Richter, Gilels, Margulis, Ashkenazy usw. zu finden und zu betrachten.

...aber evtl. waren/sind die oben erwähnten ja keine Russen und machn´s falsch...:D:D:D:D
 
Wenn man sich an Videos orientieren will sieht man bei ihr, dass sie die Finger streckt und beugt - so wie sie's gerade braucht. Jedenfalls scheint das mit einer entspannten Leichtigkeit zu geschehen, was für mich bedeutender ist als die jeweilige Beugung oder Streckung der Finger. Chopin Etude Op 10 No.4

Gruß cm

Langsamere Version
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Zurück
Top Bottom