Liebe(r) tarossa,
wenn die App jemanden dazu verführt, sich ans Klavier zu setzen, ist das prima. Wenn das, was dabei herauskommt, ihren Nutzern ausreicht, ist es auch gut. Nicht jeder will Klavierunterricht nehmen und nicht jeder will gut Klavier spielen können.
Wenn du aber schreibst,
Es ist ein neue Methode, der des Klavierlehrers in vielen Dingen sicher überlegen.
, so muss ich dir widersprechen. Ich kenne die App nicht sonderlich und kann sie deshalb nicht beurteilen. Ich kann aber beurteilen, was du hier schreibst und was du offensichtlich von der App gelernt hast. Und das ist von diesem hier
Ich glaube kaum, das ein Klavierlehrer dort viel abkürzen kann, im Gegenteil.
sehr weit entfernt.
Ich bin natürlich noch viel zu langsam im denken. Muss erst die Note sehen, denke dann an den Finger und spiele dann, viel zu langsam. Hin und wieder passiert es, das ich denke oh das ist zu schnell und meine Finger spielen einfach die Noten ohne das ich denken muss. Natürlich ist es zur Zeit noch in erster Linie Tasten treffen. Die APP stell auch immer wieder Notenblätter zu Verfügung. Ich spiele zuerst die Noten, egal welches Tempo, brauche dann wenn das sitz mindesten noch mal die gleiche Zeit bis ich die Geschwindigkeit schaffe, und dann noch viel länger bis es sich richtig gut anhört und unverkrampft gespielt wird.
Diese Herangehensweise an einen Notentext bzw. das Noten lesen Lernen führt leider zu einem sehr mechanischen und unmusikalischen Spiel. Ich verstehe deine Sicht sehr gut, denn sie klingt erst mal logisch. Du siehst die Note und denkst dann an den Finger. Das muss doch klappen und langfristig zu Erfolg führen, denkt der unerfahrene Klavierspieler.
Was dabei außer acht gelassen wird, ist das Ohr. Musik HÖRT man und so sollte die Reihenfolge sein: Note sehen - Klang innerlich hören - Umsetzung dieses Klangs aufs Instrument/spielen. Man nennt dies eine audiomotorische Herangehensweise. Man etabliert sie, indem man zunächst bekannte Lieder nach Gehör spielt und begleitet, also ohne Noten beginnt, Klavier zu spielen. Und sei es nur "Happy Birthday". Dieses Lied wird nicht nach "Tasten treffen" klingen, weil dein inneres Ohr dich führt - du kennst die Melodie und hast sie schon oft gesungen, wie ich annehme. Automatisch wirst du nicht jeden Ton gleich laut spielen und lernst, bei deinem ersten Zugang zum Klavierspielen zu HÖREN und als wichtigste Instanz dein Ohr und inneres Gehör kennen zu lernen. Nicht den Sehsinn, wie bei der App (Noten SEHEN, Finger und Taste SEHEN) vorrangig zu benutzen, sondern den Hörsinn. Wir Menschen sind sowieso sehr visuelle Typen und ordnen das Hören oft dem Sehen unter. Beim Musizieren und Klavierspielen muss es anders herum sein, auch bei Anfängern und Amateuren. Das ist logisch.
Außerdem kannst du dich so schon einmal auf dem Instrument und der Klaviatur orientieren. Du kommst über irgendwelche dubiosen und statischen 5-Finger-Lagen hinaus, was dazu führt, dass du den Arm einsetzt. Die Armführung ist beim Klavierspielen sehr wichtig - es ist wichtig, grundlegende Dinge von Anfang an zu etablieren und nicht erst Falsches zu lernen, was man dann schlecht wieder raus bekommt.
Wenn man dann einiges nach Gehör gespielt hat, wozu auch die Improvisation und rhythmische Übungen/Spiele gehören (das klingt schon richtig nach Klavierspielen!), lernt man, wie die Klänge in Noten umgesetzt werden. Dazu ist es wichtig, dass es ein paar gut zu merkende Orientierungsnoten gibt, deren Position im Notensystem man genau kennt. Das sind quasi Wegweiser und alle andere Noten lernt man in Bezug auf diese. Es ist für ein musikalisches Klavierspiel sehr wichtig, die Beziehungen und Abstände/Intervalle zwischen den Tönen zu hören und dies lernt man über das sog. RELATIVE NOTENLESEN. Dazu muss man nicht jede Note sofort lesen lernen, sondern man kennt die Orientierungsnoten und liest dann beispielsweise "einen Tonschritt runter, zwei Tonschritte rauf" etc.. Du kannst
hier gern mehr darüber lesen.
Es ist also kein Wunder, dass es bei dir so lange dauert und nach "Tasten treffen" klingt. Das muss nicht sein. Relatives Notenlesen ist wesentlich schneller und klingt nicht nach "Tasten treffen". Alles eine Frage der Herangehensweise, die ein kompetenter Klavierlehrer vermittelt.
Das Akkorde spielen mit der App ist natürlich jedem Lehrer um Welten überlegen, ich kann das ständig üben, jeder Fehler wird sofort angezeigt, was sonst beim üben ja entfallen würde. Dann darf der Lehrer wieder rausbringen was man sich in der Woche falsch eingbimst hat.
Es ist ein neue Methode, der des Klavierlehrers in vielen Dingen sicher überlegen. Wer sein Geld mit Klavierspielen verdienen möchte, sollte natürlich auch Unterricht nehmen.
Übrigens: ein Klavierlehrer übt selbstverständlich auch mit seinen Schülern im Unterricht und zeigt ihnen effektive Übestrategien. Fehler werden also sofort festgestellt und stellen sich dann beim Üben zu Hause selten ein, wenn der Schüler am Tag nach der Klavierstunde übt. Wenn dann trotzdem Fehler passieren, ist das durchaus sinnvoll, weil der Schüler dann aus seinen eigenen Fehlern lernt und immer selbständiger wird.
Wer sein Geld mit Klavierspielen verdienen möchte, sollte natürlich auch Unterricht nehmen.
Klavierunterricht zu nehmen bei einem kompetenten Klavierlehrer ist für diejenigen sinnvoll, die viel über Musik, Klang und deren technische Umsetzung aufs Instrument lernen wollen und die auch schon nach kurzer Zeit einfache Stücke klangschön spielen wollen. Die eine gute Basis haben möchten, auf der sie nach eigenen individuellen Wünschen aufbauen können. Auch für diejenigen, die erst mal autodidaktisch gelernt haben und unzufrieden sind mit ihrem Spiel.
Liebe Grüße
chiarina