Vielleicht habe ich das Thema zu eng auf "einhändig oder nicht" beschränkt.
Denn ein Stück besteht aus einem komplexen Geflecht: Aus den Noten (im Zieltempo - gleichmäßig - rhythmisch - treffen), aus Phrasierung, Artikulation, Dynamik, Klang, Anschlag, Agogik, Stimmenbalance, Einsatz der Pedale... Wer das alles sofort beherrscht, spielt das Stück perfekt vom Blatt.
Wenn aber Geist und Körper dies nicht auf einmal beherrschen können, muß man sich auf den einen oder anderen Aspekt konzentrieren, also das Stück analytisch zerlegen, so, daß man es geistig und körperlich er"fassen" kann. Das nennt man "Üben".
Früher lernte ich, dass man erst einhändig anfangen soll, in der impliziten Annahme, dass sich die Schwierigkeit, das o.g. Geflecht zu überblicken, durch Konzentration auf eine Hand "halbiert". Die Schwierigkeit der Koordination beider Hände wird für die Zeit des Einhändigübens ausgeklammert. Das Gehirn wird nicht auch noch mit dieser Schwierigkeit belastet. Und diese Schwierigkeit ist enorm! Man erkennt das daran, dass man beim Zusammensetzen beider Hände nicht das Endtempo der letzten einhändigen Phase fortsetzen kann.
Es gibt auch andere Methoden des "Zerlegens": nach Stimmen (Fugen), taktweise, extrem langsam -> schnell, Stationenübung u.v.m. Immer werden ein oder zwei Aspekte betont beachtet und die anderen weniger.
Die Art und Weise, wie ein Problem "richtig" zerlegt wird ist der Schlüssel zum Erfolg. Letztenendes ohne die Anleitung eines Klavierlehrers unlösbar.
Und noch etwas m.M. Wichtiges: Diese allgemeine Betrachtung hat nichts mit "Niveau" zu tun. Jeder hat auf seinem Niveau dasselbe Problem. Das gilt für "Hänschen klein" wie für Skriabins 5. Sonate.