Bis zu einem gewissen Maß ist ein Vibrato auch für mich bei Bach erträglich. Aber dieses gewisse persönliche Maß ist bei der weiter oben verlinkten Aufnahme eben überschritten. Ein anderes Beispiel: Christa Ludwig mit ebendiesem "Erbarme dich". (Ich glaube sogar, dass du, rolf, mich vor einiger Zeit mal auf diese Aufnahme aufmerksam gemacht hast.) Christa Ludwig singt diese Arie auch mit Vibrato. Aber das Vibrato der Ludwig ist nicht aufdringlich. Es ist einfach da und rundet alles ein Stück weit ab. Und deshalb mag ich die Aufnahme mit Christa Ludwig trotz vibrato sehr.
Und um mal einen Gegensatz zu bringen: Wenn eine Brünnhilde bei Wagner auf der Bühne steht und dabei dann so "glatt" und vibratofrei singt, als wäre sie gerade Mitwirkende im Jahreskonzert des regionalen Kirchenchors, dann ist die gute Brünnhilde in dem Fall auch nicht zu gebrauchen. Also nicht das vibrato an sich ist schlecht. Es kommt nur auf den Kontext an.
Darüber hinaus sollte die Verwendung konsistent sein: Ich war auch schon in einer Aufführung der h-moll-Messe von Bach. Alle Solisten haben sehr glatt und vibratofrei gesungen - mit Ausnahme der Altsolistin, die ein recht starkes vibrato hatte. Im Gesamtkontext und im Vergleich mit den anderen Solisten fällt das dann auch störend aus dem Rahmen.