"Der Sänger des Pianisten!"

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Man könnte sich zum Beispiel fragen, ob Gould wegen seiner Technik oder trotz seiner Technik so gut war. Klanglich finde ich bei ihm vieles doch recht grob.

Er hatte allerdings ein unglaubliches Gespür für Rhythmus und Timing, darin war er absolut einzigartig und nur deshalb konnte er sich Dinge leisten, die auf den ersten Blick musikalisch vollkommen absurd erscheinen. Sein Verdienst ist natürlich auch, dass er Komponisten in den Konzertsaal zurückgeholt hat, für die sich damals kaum ein Pianist interessiert hat. Ich schätze Gould deshalb sehr - auch wenn ich nur wenige seiner Einspielungen uneingeschränkt toll finde.

Sein Klavierspiel lebt viel mehr von seinem überragenden Intellekt als von seinen manuellen Fertigkeiten - die waren gut, aber im Vergleich zu anderen Pianisten keineswegs außergewöhnlich.
 
als von seinen manuellen Fertigkeiten - die waren gut, aber im Vergleich zu anderen Pianisten keineswegs außergewöhnlich.

Oho!
Im Bereich artikulierter Passagentechnik sehe ich weit und breit auch heute kaum ernsthafte Konkurrenz für den Goldenen Glenn. Und über seine Fähigkeiten bei polyphoner Musik brauchen wir hoffentlich auch nicht zu diskutieren.
Ob seine Oktaven so extrem laut und schnell sind wie bei einigen anderen ist dagegen bei der Literatur Auswahl, die er für sich getroffen hat weniger relevant!
 
Man könnte sich zum Beispiel fragen, ob Gould wegen seiner Technik oder trotz seiner Technik so gut war. Klanglich finde ich bei ihm vieles doch recht grob.

Ein Grobi?? Ich bin wohl doch nur fast immer restlos überzeugt von dem, was du schreibst.
Er war ein hoffnungsloser Romantiker ;-)

View: https://www.youtube.com/watch?v=5JwKDzPlYQs


Aber das soll ja nicht zum Gould-Faden ausarten. Dass ich es anmaßend finde, bei seiner Technik unnötige Fingerbewegungen ausmachen zu wollen, habe ich zum Ausdruck gebracht. Jetzt werde ich lieber wieder zum Mitleser, gegen euch Profis anzuargumentieren ist eh einsam :party:
 
Im Bereich artikulierter Passagentechnik sehe ich weit und breit auch heute kaum ernsthafte Konkurrenz für den Goldenen Glenn.
Ich schon. Z.B. Argerich, Zimerman, Sokolov, Kissin, Trifonov.

Und über seine Fähigkeiten bei polyphoner Musik brauchen wir hoffentlich auch nicht zu diskutieren.
Natürlich nicht, aber die rein manuellen Anforderungen in Bachs Klaviermusik sind ja recht überschaubar. Da ist doch in erster Linie geistige Größe, ein intellektuell abgesicherter Gestaltungswille gefragt.


Auch die späten Klavierwerke von Brahms sind in spieltechnischer Hinsicht (bis auf wenige Stellen) leicht. Als Maßstab für die manuellen Fähigkeiten eines Pianisten taugen sie nicht so recht. Und nur darüber reden wir hier doch.
 
Als Maßstab für die manuellen Fähigkeiten eines Pianisten taugen sie nicht so recht. Und nur darüber reden wir hier doch.

Jetzt sei doch nicht so ernst. Das war nur als humorige Antwort auf deine Aussage hinsichtlich seines groben Spiels gedacht. Er hat sich selbst einmal halb im Scherze als hoffnungslosen Romantiker bezeichnet.

Hast du den Faden ganz gelesen? Zumindest mir ging es hier nicht darum, ob seine manuellen Fähigkeiten mit denen Kissins oder Sokolovs mithalten. Mir ging es um seinen Klang und darum, dass man bei ihm nicht von unnötigen Fingerbewegungen sprechen sollte ...
 
Mir ging es um seinen Klang und darum, dass man bei ihm nicht von unnötigen Fingerbewegungen sprechen sollte
Sein "Selbstgebrauch" war jedenfalls alles andere als gesund - darauf wollte @Stilblüte doch hinaus. Auch ich glaube, dass er mit einer gesünderen Haltung und Technik nicht schlechter gespielt hätte. Er war eben ein so großer Musiker, dass er trotz dieser Marotten (die er sich ja schon in der Jugend angewöhnt hat) Geniales schaffen konnte. Und nicht, weil er so spielte, wie er spielte.
 
Er war eben ein so großer Musiker, dass er trotz dieser Marotten (die er sich ja schon in der Jugend angewöhnt hat) Geniales schaffen konnte. Und nicht, weil er so spielte, wie er spielte.

Das MAG sein. Du bist der Experte. Wir werden es nie erfahren können.
Aber ich bleibe trotz allem bei der scheinbar verwegenen Behauptung, dass weder Gould noch Horowitz mit Rubinstein-Technik auch nur annähernd so ein Vermächtnis hinterlassen hätten. Auch das ist natürlich unbeleg- als auch unwiderlegbar ;)
 
Aber ich bleibe trotz allem bei der scheinbar verwegenen Behauptung, dass weder Gould noch Horowitz mit Rubinstein-Technik auch nur annähernd so ein Vermächtnis hinterlassen hätten.
Da fehlt noch ein halber Satz. Wenn was? Wenn sie eine gesündere Haltung eingenommen hätten? Das wage ich zu bezweifeln. Übrigens gibt es auch heute noch Pianisten mit sehr ungesunder Haltung, die gut spielen, Sokolov zum Beispiel.
 
Aber ich bleibe trotz allem bei der scheinbar verwegenen Behauptung, dass weder Gould noch Horowitz mit Rubinstein-Technik auch nur annähernd so ein Vermächtnis hinterlassen hätten.
Das ist doch klar - jeder Pianist muss seine eigene Technik finden, weil jeder eine andere Hand und einen anderen Körper hat. Aber es gibt eben auch für jeden Körper eine optimale, gesunde Technik - Rubinstein hatte die für sich gefunden. Gould eher nicht, aber das machte ihn nicht zu einem schlechteren Musiker. Es ruinierte "nur" langfristig seine Gesundheit.
 

In meiner Welt fehlt da kein Halbsatz ;)
Um was es mir eigentlich ging, stand in meinem allerersten Beitrag in diesem Faden, einer Antwort auf Hasenbeins Ausführungen.

Ein letzter Versuch: Beim Gesamtkunstwerk Glenn Gould von "unnötigen Fingerbewegungen" zu sprechen ist unglücklich. Würde er sich anders bewegen, wäre er ein anderer Pianist mit einem anderen Klang. Ob besser oder schlechter ist hier noch nicht mal das Entscheidende. Aber anders. Eben nicht mehr Glenn Gould. Und deshalb sollte man aus meiner Sicht mit dem Wort "unnötig" hier sehr sparsam umgehen.
Und jetzt gute Nacht ;)
 
Zuletzt bearbeitet:

Gould ist ironischer Weise an seiner Hypochondrie gestorben. Ihn hat keiner Ernst genommen, als es Ernst war. Das Leben hat doch einen ganz eigenen Humor.
 
Er war eben ein so großer Musiker, dass er trotz dieser Marotten (die er sich ja schon in der Jugend angewöhnt hat) Geniales schaffen konnte. Und nicht, weil er so spielte, wie er spielte.
Das wird immer wieder gern behauptet aber nie bewiesen. Ich glaube das nicht. Es würde ja quasi bedeuten, daß er mit anderer Technik noch besser gespielt hätte. Aber sein typisches an den Tasten "zupfen" scheint doch nur von unten zu gehen.
 
"Herr Doktor, helfen Sie mir! Ich leide an Hypochondrie und habe gerade gehört, dass die tödlich sein kann! Seien Sie ehrlich: Gibt es noch Hoffnung für mich? Oder soll ich meine letzten wenigen Wochen, so weit möglich, genießen, indem ich mein verbleibendes Geld auf einer Weltreise verjuble??"
 
"Herr Doktor, helfen Sie mir! Ich leide an Hypochondrie und habe gerade gehört, dass die tödlich sein kann! Seien Sie ehrlich: Gibt es noch Hoffnung für mich? Oder soll ich meine letzten wenigen Wochen, so weit möglich, genießen, indem ich mein verbleibendes Geld auf einer Weltreise verjuble??"

"Herr Doktor, Herr Doktor! Der Hypochonder auf Zimmer 17 ist gestorben!"
"Jetzt übertreibt er aber."

Gould ist ironischer Weise an seiner Hypochondrie gestorben. Ihn hat keiner Ernst genommen, als es Ernst war. Das Leben hat doch einen ganz eigenen Humor.

Soweit ich weiß, hatte er einen heftigen Schlaganfall. Ob das allerdings von den ganzen Medikamenten kam, die er nahm, weiß ich nicht. *)

Grüße
Häretiker

*)
Man kann auch einen Schlaganfall bekommen und selbst der behandelede Arzt ist überrascht, weil die Ursache einfach ein kleiner Herzfehler ist. Über 20% der Bevölkerung haben diesen, mehr oder weniger stark, aber es findet keine Untersuchung für alle statt. Diese Untersuchung ist halt etwas aufwändig, kommt aber ohne Strahlenbelastung aus.
 
Soweit ich weiß, hatte er einen heftigen Schlaganfall. Ob das allerdings von den ganzen Medikamenten kam, die er nahm, weiß ich nicht. *)

Und kurz zuvor hatte er noch das hier aufgenommen:

View: https://www.youtube.com/watch?v=aEkXet4WX_c

Ganz so schlimm war es dann um seinen Körper wohl doch nicht bestimmt. Da hat Boris Becker vermutlich mehr körperliche Schäden aus seiner aktiven Zeit davongetragen.
Aber Hypochonder und medikamentös überversorgt war Gould bestimmt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wäre vielleicht langsam an der Zeit, wieder mal einen eigenen Glenn Gould' thread aufzumachen!?
 

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