Hallo,
ja, also ich habe die mir selbst beigebracht. Ganz langsam, Takt für Takt, wobei ich entsprechende Fingersätze ausprobiere, die für meine Hand eben passen. Da kann (soll) man ja auch nicht immer die Vorgaben verwenden, habe ich mal gelesen, denn jede Hand ist ja anders. Das kann man eben immer nur kreativ am Stück ausprobieren und für sich selbst entwickeln. Das sind so meine Erfahrungen: Es muss sich vor allem gut anfühlen (darf nicht spannen, ziehen in den Händen).
Durch entsprechende Wiederholungen wird´s ja dann immer flüssiger. Manchmal spiele ich auch gezielte Übungen, um die Hand entsprechend beweglicher zu bekommen.
Z. B. arbeite ich gerade an Op. 40 Nr. 1 von F. Chopin und stelle fest, dass man da tatsächlich die Oktavtechnik einsetzen muss, da z. B. zahlreiche Halbtöne "für meine Hand" so ungünstig liegen, dass sie bei entsprechend weit- bzw. vollgriffigen Akkorden von jeweils einem Finger "gemeinsam" (leicht schräg zu halten - kenne jetzt den Fachausdruck nicht) tonmäßig zu nehmen sind.
Ich habe mich jetzt "gaaanz" langsam durch die erste Seite durchgearbeitet und diese Erfahrung gemacht, die ich sicher für das weitere Spiel berücksichtigen werde.
Ich lasse mich nicht drängen und was den Arbeitsstand betrifft (auch die Aufnahmen), sind das ja alles Momentaspekte. Entweder feile ich noch etwas daran oder ich mache etwas Neues, das bleibt ja mir selbst überlassen. Manchmal habe ich die Melodien auch über, dann kann ich die nicht mehr hören oder gar üben (und muss sie ertragen) und ich mache dann halt was Anderes. Ich muss die Stücke über das Jahr aber regelmäßig üben (damit sie dann einigermaßen klappen, wenn ich sie auch mal wo vorspiele), damit sie frisch bleiben, ansonsten "muss ich einen Gang zurückschalten" und sie mir wieder intensiver grundständig erarbeiten. Das ist eben so, wenn man es nicht im Hauptberuf betreibt.
Aufmerksam werde ich auf die Stücke, die ich spielen will, oftmals durch das Radio (mdr figaro ist bei uns in Sachsen da sehr gut). Oftmals laufen schöne Klavierstücke einfach zwischen den hochinteressanten Kulturbeiträgen, ohne dass sie moderiert werden. Aber: Ich habe die Telefonnummer der Redaktion des mdr in Halle/ST und erfahre so den Namen des Stückes bzw. des Komponisten. So ging mir das z. B. bei Satie "le piccadilly" in 2009 (war eines meiner ersten Stücke, die ich mir selbst beibrachte). Dann besorge ich mir die Noten und schaue erst mal nicht nach den drohenden Schwierigkeiten im Stück. Der schöne Klang und die mich ansprechende Melodie ist dann Motivation genug, mich daran zu versuchen. So läuft das bei mir ab.
Das ist eben das Schöne daran, wenn man ohne Lehrer unterwegs ist, wie bei mir: Die Stücke sind "mit Liebe" gemacht, niemals jedoch vor dem Hintergrund perfektionistischen Herangehens (und der eigenen Unzufriedenheit, wenns nicht klappt) entstanden und niemand setzt mich unter Druck, da drillmäßig irgendetwas auszufeilen.
Denn: Mein Dienst und die Zeit, Mühe (und den geistigen Aufwand), den ich dafür verwenden muss, der geht in meinem Leben dem Klavierspiel eindeutig vor. Das ist ja nur eine schöne klangliche Nebenbeschäftigung für mich. Wenn´s dann auch noch beruflich vor allem funktioniert (Beförderung vor Kurzem, überdurchschnittliche dienstliche Beurteilung und erhebliche Leistungsprämie, Letztere übrigens zum zweiten Mal), was will man eigentlich mehr ...
Ich muss allerdings sagen, damit da jetzt keine Irrititationen entstehen, dass ich als Kind sechs Jahre Unterricht bei einer Pianistin (6. - 12. Lebensjahr) hatte. Ich konnte allerdings aufgrund des Besuches eines humastischen Gymnasiums nicht mehr weiteren Unterricht nehmen und habe dann bis zum Alter von 23 Jahren mehr oder weniger (aber eben nicht 2 Stunden wie heute pro Tag) Eigenes erarbeitet. Damals hatte ich Schule, Abi und Studium "an der Backe", da sind die Prioritäten eben anders gelagert.
Meine damalige Lehrerin hatte mich zum Schluss dann auch richtig zu drillen zu versucht, das überlagerte sich mit der Schule und deswegen hatte ich aufgehört. So verlangte sie ziemlich rigide (schimpfte dann zum Schluss mit mir, als irgendwas nicht klappte), dass ich alle Stücke nur noch auswendig spielen sollte und übte Stellen teilweise "hundertfach". Ich hatte jedoch das Gefühl, dass diese Art des Lernens mit den schulischen Anforderungen (z. B. Mathematik) kollidiert.
Also das kann ich gerade leiden, wenn ein Lehrer seinen Frust ablässt und mich, bzw. meine Bedürfnisse oder meinen Lebensinhalt sowie meine Lebensgestaltung nicht zur Kenntnis nehmen kann oder will und das entsprechend "umzubiegen" versucht.
Genauso gehe ich heute auch "druckfrei" heran. Auswendig spielen ist nicht mein Ziel, denn ich habe Angst davor, dass diese Klaviermechanismen wichtige dienstliche Wissensfelder überlagern könnten. Das wäre dann ziemlich peinlich, glaube ich.
Dann kam ich berufsbedingt von Hessen nach Sachsen und pausierte erst mal mehr als 14 Jahre fast komplett. Nur während des Urlaubs habe ich auf meinem akustischen Instrument zu Hause ein bisschen gespielt.
Aber die Sehnsucht wurde zu groß und ich habe im Februar 2009 wieder systematisch begonnen. Da habe ich mich im Sept. ja auch bei clavio angemeldet, habe dann im gleichen Jahr ja auch bereits erstmals für meine Kollegen gespielt (funktionierte alles).
In diesem Jahr (2009) habe ich auch so um die 22 Stücke bei clavio.org hochgeladen (einige davon waren sogar längere Zeit in den Top20). Das waren Stücke von Schumann (Kinderszenen), Chopin (Prélude, Mazurken, Nocturne), Satie (Diverse), Grieg (Lyrische Stücke) usw.
Die Motivation, wieder anzufangen, beruhte darauf, dass dienstlich bei mir alles io ist und man somit sich wieder, aus einer gesicherten Position heraus, den schönen Dingen, die man mal als Kind erlebt und erfahren hat, widmen kann. Wie ich gemerkt habe, ist das ja nicht so selten.
Und so kommt es, dass ich mir ohne Druck die Dinge selbst beibringe. Ich lese viel nach (hier im Forum oder auch in Fachbüchern), spiele Übungen oder probiere manches Neue aus, ohne mich allerdings zu sehr einzuengen und unter Druck zu setzen (das ist immer schlecht, denn in der Carnegie-Hall auftreten will ich ja nun nicht) und so geht das immer weiter, Stück für Stück.
Man verliert dabei ja nicht die Lust, denn alles entwickelt sich. Ich hätte ja auch nicht gedacht, dass ich im zweiten Jahr des Wiedereinstiegs solche Sachen wie Rach, Chopin und Co. mache. Aber es ist mir doch bereits jetzt einigermaßen gelungen (ohne Lehrer). Sicher nicht perfekt, man kann da niemals (mit sich) zufrieden sein, sonst würde die Motivation, dranzubleiben, ja irgendwann "verduften".
Und dann kommt dazu, dass ich eben aufgrund meiner Dienstverrichtung keine Zeit für Unterricht habe, aber täglich vor dem Schlafen Klavier übe. So vernetzen sich die Erfahrungen während der Nacht, und am Folgetag ist man "pianistisch" wieder ein Stück schlauer und es geht wieder besser.
Mehr kann ich an dieser Stelle eigentlich nicht zum Thema sagen.
Ach, noch eine Bemerkung: Da ich auch dienstlich "gezwungen" bin, mir Sachverhalte "im Selbststudium" zu erschließen, um dann z. B. juristische Gutachten usw. zu erstellen (da ist ja auch kein Lehrer greifbar, der einem das "vorbrät"), wende ich ganz ähnliche Techniken am Klavier an. Peu a peu - so geht es. Da hat selbst die lange Klavierpause "zwischendurch" von mehr als 14 Jahren sich nicht wirklich so negativ ausgewirkt. Übrigens hatte ich im Dienst jüngst ein kompliziertes Vorhaben umzusetzen (sogar mein Chef hatte da Anfangs Bedenken, ob das überhaupt möglich ist). Ich habe allerdings ganz cool gesagt: "Wer Chopin und Rachmaninoff sich selbst beibringen kann, der wird sowas wohl auch hinbekommen". Und so war´s dann auch ...
Wie gesagt, ich habe nicht den Anspruch, perfekt zu sein, aber es soll eben einigermaßen klingen (und die Melodien sollen "erkennbar" sein).
Ich habe ja dieses Jahr in Berlin beim Usertreffen auch das eine LoW (Op. 30 Nr. 1) sowie den Debussy (The little negro) gespielt.
Ich kann mir natürlich vorstellen, dass einige der vorstehenden Aussagen für Diejenigen, die Musik studieren und deren Hauptlebensinhalt das ist, völlig unbefriedigend sind. So scheint mir zumindest der Eindruck zwischen den Zeilen zu sein, wenn ich das Gesagte von .marcus. entsprechend deute. Du studierst doch auch Musik, wenn ich mich erinnere? Insoweit verwundert mich das nicht wirklich.
Aber Musik ist schön, wenn man sie einigermaßen "mit eigenen Bordmitteln" (wie ich immer sage) machen kann, aber ich verdiene (Gott sei Dank!) damit nicht mein Geld, sondern kann mich ihr aus freien Stücken (wann ich mag und was ich mag) widmen.
Und Klavier ist ja nicht mein einziges Hobby, wie bekannt (man blättere nur einige Seiten zurück und betrachte das entsprechende Bahnhofsbild).
Gruß
Razo!
P.S: Habe jetzt übrigens auch so ein neckiges Benutzerbild (war eines aus der Ausbeute des 2010er UT in Berlin; Bechstein-Zentrum)