Hallo an Alle!
Nun bin ich aus Ungarn zurück. Es war ein richtiges "Trainingslager", vom Sonntag bis Freitag Nacht jeden Tag 3-6 Stunden Klavierspiel - und ich habe IMMER Zuhörer gehabt! Das war eine tolle Übung für das Konzert in Leverkusen am kommenden Sonntag.
Man hat nur heruntergefallene Kinnladen gesehen!
Die Bandbreite im Publikum reichte von Hausfrau bis zum Schüler am Konservatorium; von 82 Jahre alter Klosterschwester bis zur Musikbeflissene und selbst spielende Amateur-Pianistin, von Programmiererin bis zum Priester... - die jüngste (Dauer-)Zuhörerin war vielleicht 5 Jahre alt!
Das Üben (na ja, eher Vorführen und Vorspielen) vor Publikum hat mir SEHR gut getan. Aber das interessiert euch sicher weniger. Wichtig ist: wie hat sich das V-Piano geschlagen?
Ich finde zuerst gar keine Worte. Wären die meisten Zuhörer vom Beruf nicht etwas Anderes als Musiker gewesen, hätte Roland sicher 6-8 V-Pianos verkaufen können...
Der Raum war die Küche, praktisch der ganze Erdgeschoß eines Exerzitienhauses, wo auch Vorträge stattfinden. Genaue Maße habe ich nicht - schätzungsweise Quadratisch mit einer Seitenlänge zwischen 10 und 12 Meter. Etwa Standardhöhe (2,50 m), wahrscheinlich leicht höher. Obwohl Schränke / Tische / Stühle etc. vorhanden waren, hat der Raum eine ziemliche Überakustik gehabt. Bis ich die wirklich richtigen Einstellungen gefunden habe, vergingen insgesamt zwei Tage! Aber dann...
Die vier F7 von Adam habe ich in einer Ecke, diagonal zum Mittelpunkt hin aufgebaut, zwei ganz hinten und klarerweise näher zusammen, zwei direkt hinter den beiden Enden des V-Pianos in meiner Nähe. Lange hat es gedauert, bis ich merkte, dass eine allzu große Wandnähe des hinteren Lautsprecherpaares negativ auf die Akustik auswirkt (konnte nicht einmal mit dem EQ alle brummenden Töne bändigen...). Eine Verrückung nach Vorne hat Wunder gewirkt.
Das Instrument ist unglaublich stabil und gleichzeitig sensibel. Es ist einfach das Beste an Dynamik - und zwar auch Anschlagsdynamik! -, was mir je unter die Finger kam. Der 600,-€-Stativ ist echt bombenfest - selbst mein Flügel steht nicht sicherer, wenn ich "zuhaue".
Jetzt, wo ich zuhause bin, aber das V-Piano noch nicht aus dem Auto heben konnte (meine Söhne sind gerade weg und alleine geht das nicht!), musste ich zuerst auf den KAWAI CA93, später auf den Blüthner ausweichen. Mit einem Wort: niederschmetternd! Nie wieder, wenn es nicht unbedingt sein muss!
Der von mir jahrelang so hochgeschätzter CA93 ist nach einer Woche V-Piano eine totale Enttäuschung. Und zwar auch - und gerade! -, was den Anschlag angeht! Aufgrund der viel brüchigeren Verbindung zwischen Tasten und Klangerzeugung kam mir die Tastensimulation wie in der Embryophase vor... ebenso das linke Pedal - eine Katastrophe im Vergleich zum V-Piano! Klang eher wie ein abgedrehtes Radio... und die allgemeine Krankheit (welche beim CA93 nicht so ausgeprägt ist, billigere Modelle hingegen sind viel schwerer getroffen), dass die Bässe Wummern und im Vergleich zum Diskant zu stark sind, war im Vergleich zum V-Piano auch gleich zu spüren. Egal, wie laut ich versuchte, die oberen Töne zu spielen, wenn oben wie unten laute Akkorde gespielt wurden, war der Bass immer viel stärker. Oben war bald einmal Feierabend - noch dazu klingen die Töne des KAWAI oben erheblich schneller aus, als die vom V-Piano.
Der Blüthner war dann die wirkliche Ernüchterung...
Die Bässe und teils auch die Mitte allesamt viel zu laut, die dreigestrichene Oktave ist im Vergleich dazu kaum auszumachen... Beim lauten Spiel und gehaltenem Pedal hört man oft nur Matsch, die einzelnen Töne sind nur schwer auszumachen. Leises Spiel geht nun viel besser - aber nicht im unteren Bereich! Hier gleicht es beim WIRKLICH leisen Spiel einem Lotteriespiel, ob der leise gespielte Ton überhaupt kommt, oder nicht. Und wenn, dann natürlich auch nur bei sehr, sehr getragenem Tempo...
Für mich steht fest: beide Instrumente sind für mich nicht zu gebrauchen! Den KAWAI habe ich einigen Bekannten schon angeboten, das Interesse ist ganz groß! Bald werde ich auch den Blüthner (jetzt ist er ja schön und gerade frisch hergerichtet, besser wird es nicht...) ausschreiben. Mal sehen, wer so etwas braucht. Zum Üben sei er lt. Klavierbauer hervorragend - zum virtuosen Solospiel eben nicht wirklich geeignet. Da gibt es aber sicher Kandidaten, die froh wären, um sehr kleines Geld einen fast 2 m langen Markenflügel zu bekommen. Mal abwarten.
Ich für meinen Teil scheine wohl das Instrument meines Lebens gefunden zu haben! Und ich gab ihm zum Testen wirklich "Saueres" - so eine Belastung wie die letzte Woche auszuhalten, ohne auch nur einen Hauch an der Empfindlichkeit der Tastenreaktion einzubüßen, ohne dass etwas locker wurde oder knarzen würde (Verstimmung kommt ohne mein Zutun sowieso nicht infrage
) ist schon eine starke Ansage. Auch die Reise nach Ungarn mit meinem Alhambra hat das gute Stück ohne einen Mucks gut überstanden. Er ist (bedingt, da ich für das Ein- und Ausheben des V-Piano jemanden Zweiten brauche) samt Abstrahlung wirklich transportabel. Und ich schätze, bis 50 oder auch mehr Leute im Raum habe ich definitiv kein Problem mit der Lautstärke / Echtheit des Klanges. Das überrascht mich, da die ADAM F7 ja Nahfeld-Studiomonitore sind, darum hätte ich auf Entfernung größere Probleme erwartet. Nicht nur, was den Klang, die Reaktion der Tasten - auch, was die Abstrahlung angeht, verhält sich dieses Instrument, wie ein echter Flügel! Pardon - wie 44 echte Flügeln / Klaviere...
Meine größte Angst, ich würde nach dem exzessiven Üben auf dem V-Piano auf dem KAWAI resp. Blüthner "baden gehen", hat sich NICHT bewahrheitet. Ganz im Gegenteil - das Training hat mir gut getan! Ich konnte zwar immer noch nicht "mühelos" auf dem Blüthner das Irini-Stück spielen, doch erheblich leichter und schneller (!), als zuvor. Die Bach e-Moll Toccata huschte locker von den Fingern, sowohl auf dem KAWAI, als auch auf dem Blüthner. Also macht der Anschlag des V-Pianos Pianistenhände nicht kaputt!
Was bleibt noch zu sagen? Sieg auf der ganzen Linie! Ich kann diese Kombination aus eigener Erfahrung (und nun auch von der Zuhörermeinung her) absolut und vorbehaltlos jedem, der ernsthaft am Klavierspiel interessiert ist, empfehlen!
Liebe Grüße:
Jenö Hajdu
PS: es kann sein, dass Leverkusen für mich doch ins Wasser fällt, wenn die Sperre der Zugverbindungen zw. Salzburg und München bis Samstag nicht aufgehoben wird!