Das "Hören" von Musik

... nennt sich, in einem Wort, "Meinungsfreiheit". Wir sollten jetzt aber langsam mal wieder zum Thema "Hören von Musik" zurückkommen, findest Du nicht?

Sofern es dazu noch was zu sagen gäbe...(?)

Lieber Dreiklang,

ich schreibe ja genau auf diese Weise, um das Thema fortzuführen!

Wir sind uns doch einig, dass eine Interpretation eine von vielen möglichen Deutungen ist, oder? Du hast das auch schon oft bestätigt. Die verschiedenen Möglichkeiten sind in dem "Ausgangsstoff" enthalten und der findet sich in der Partitur. Die Partitur ist die einzige Überlieferung, die wir haben, sie ist die Quelle für die Deutungen und Interpretationen. Sind wir soweit einig?

Wenn nun jemandem eine Interpretation, die er hört, besonders gefällt und einem anderen diese Interpretation nicht oder weniger gefällt, wenn man sich nun über diese verschiedenen Auffassungen unterhalten will und diskutieren will, ob und inwiefern diese Deutung in sich schlüssig ist oder nicht, muss man sich fragen, WARUM diese Interpretation gefällt oder nicht gefällt.

Sind wir bis hierhin einer Meinung?

Die Qualität der Begründung, die Stichhaltigkeit der Argumente ist also in einer solchen Diskussion sehr wichtig.

Immer noch einer Meinung? :)

Zur Begründung ist die Beschäftigung mit der Quelle notwendig. Zum Hören nicht. Will ich aber über verschiedene Wahrnehmungen einer Interpretation ernsthaft diskutieren, will ich verstehen, wie meine Diskussionspartner hören, warum sie es anders sehen, geht es nicht ohne die Quelle, die der Ausgangspunkt und Grundlage für viele Deutungen ist. Sie enthält nämlich mehr als die eine Deutung. Sie macht es auch einfacher, denn man kann über Taktzahlen und Formabschnitte besser Entwicklungen skizzieren und beleuchten.

Wenn ich interpretiere, treffe ich Entscheidungen. Auf welcher Grundlage sollen die stattfinden, wenn nicht auf der des Notentextes? Das hat gar nichts mit Texttreue zu tun - ich kann mich ja auch gegen die Absicht des Komponisten entscheiden. Aber ich sollte sie kennen! Man sollte alles, was man spielt, im Zweifelsfall auch begründen können. Das schließt das tiefe Empfinden überhaupt nicht aus, im Gegenteil. Je mehr ich wahrnehme, desto intensiver empfinde ich. Nur wenn ich die Quelle kenne und mich mit ihr auseinandersetze, kann ich meine Entscheidungen Für und Wider begründen, nur dann kann ich mit anderen diskutieren. Sonst ist die Diskussion schnell zu Ende, wie hier deutlich wurde:

Ich denke, viel weiterführen läßt sich dieser Faden über das Hören von Musik hier erstmal nicht.

Auch deine Wahrnehmung der Pause in der Sonate könnte man dann beleuchten und ergründen, warum dich ihre Länge bei Feinberg stört. Solche Herangehensweisen machen das HÖREN von Musik zu einem intensiveren Erlebnis, denn man hat das Ausgangsmaterial von verschiedenen Seiten beleuchtet. Ich dachte, darum sollte es in diesem Faden gehen.

Liebe Grüße

chiarina
 
Liebe chiarina,

danke. Ich bin mit Dir praktisch in allen Punkten einer Meinung. Hierzu könnte ich etwas sagen:
Auch deine Wahrnehmung der Pause in der Sonate könnte man dann beleuchten und ergründen, warum dich ihre Länge bei Feinberg stört.
Ich finde, wenn ein Musiker (oder Orchester) beginnt, ein Stück zu spielen, dann betritt dieses Stück mit den ersten Tönen quasi als "Lebewesen" den Raum. Verschiedene Spannungsbögen werden begonnen, die ganz am Ende des Stückes in aller Regel wieder zu einem Endpunkt kommen werden, bzw. sollen.

Dieses "Lebewesen" springt und tanzt herum, oder liegt entspannt in der Sonne, empfindet Wut, Entrüstung, Trauer, Liebe, und so weiter. Und, dieses Lebewesen hat einen "Herzschlag" - der eben auch mal rast, oder sogar streckenweise fast vollkommen zur Ruhe kommen kann. Wichtig ist, daß dieses Lebewesen aber keinen echten Herzstillstand bekommt - und dann womöglich mit einen Defibrillator wieder gewaltsam ins Leben zurückgerufen wird.

Und damit wären wir z.B. bei der Pause in Feinbergs Interpretation. Feinberg beginnt die Interpretation mit einem "Überfall", bzw. "Anfall" des Publikums. Das ist nichts negatives - sondern in der Musik ein völlig legitimes Stil- bzw. Gestaltungsmittel. Und, wie festgestellt wurde, ist das auch so in der Intention des Komponisten gewesen (die Vortragsbezeichnungen in der Partitur sagen das aus).

Der Überfall endet abrupt, und nun passieren meines Erachtens auf musikpsychologischer Ebene zwei Dinge: (1) das Publikum, bzw. der Zuhörer, muß sich eine kurze Zeit von diesem "Überfall" erholen (erste Spannungslinie: eine abfallende). (2) sofort nach dem Ende des "Überfalls" beginnt eine zweite Spannungslinine von Null an anzusteigen, die die Neugier und Erwartung darauf repräsentiert, wie es weitergeht.

Diese Spannungslinien bewegen, und entwickeln sich. Meines Erachtens "verpaßt" Feinberg dann aber den rechten Zeitpunkt für die Fortsetzung. Dieser Zeitpunkt ist auch davon abhängig, wie konkret er fortsetzt. Hätte er in ppp, und noch viel langsamer, als er es tut, dann weitergespielt, wäre es m.E. ebenfalls möglich gewesen, die Pause länger zu machen.

Übrigens, abgesehen davon, finde ich sonst nichts, keinen musikalischen Makel, in der ganzen Interpretation. Sonst ist alles gelungen, soweit es mich angeht.

Wenn Du möchtest, könnte ich hier eine Aufnahme vorstellen, die diesen musikalischen Herzschlag tatsächlich an einer Stelle bis fast auf Null herunterbringt.

Viele Grüße
Dreiklang
 
Fragt euch bei jedem Musikstück: ist das jetzt schöne Musik?.
was bedeutet "schön"?
bedeutet "schön" sowas wie: in Dreiklangschem Sinne gefällig? Wenn das "schön" sein soll, dann: nein!

Kunst hat nicht das Ziel, in deinem unreflektiert banalen Sinn schön (=gefällig, angenehm) zu sein. Da dir das ohne Exempel sicherlich nicht begreiflich ist: auf der banalen dutzi-dutzi-angenehm-verwöhn-kuschel-Ebene ist Chopins schrecklicher erschütternder Trauermarsch ganz sicher nicht "schön" - schön ist er auf einer anderen, reflektierteren (und nicht deinen) Ebene.
 
... nennt sich, in einem Wort, "Meinungsfreiheit". Wir sollten jetzt aber langsam mal wieder zum Thema "Hören von Musik" zurückkommen, findest Du nicht?

Sofern es dazu noch was zu sagen gäbe...(?)
dazu gäbe es zu sagen, dass niemand dazu angehalten ist, deine gleichermaßen unreflektierten wie banalen Kriterien ernst zu nehmen.

Was dir gefällt (Meinungsfreiheit blablubb) ist deine private Sache, freu dich daran usw - aber begreife endlich mal, dass deine privaten Kriterien nicht allgemein gültig sind und auch keinen Maßstab darstellen.

Natürlich könntest du jetzt gewitzt fragen, was denn stattdessen als Orientierung sinnvoller wäre: damit hättest du vielleicht (?) den Zweck deiner Fragerei/Diskutiererei erreicht, nämlich dass dir irgendwer quasi Nachhilfe erteilt -- aber dazu bin ich zu faul und gebe dir nur den kryptischen Hinweis: deine Kriterien taugen nichts! :-D
 
Und damit wären wir z.B. bei der Pause in Feinbergs Interpretation. Feinberg beginnt die Interpretation mit einem "Überfall", bzw. "Anfall" des Publikums. Das ist nichts negatives - sondern in der Musik ein völlig legitimes Stil- bzw. Gestaltungsmittel.
...ich hab schon viel idiotische Zeugs gelesen, aber das toppt doch das meiste...
bitte erkläre, wo ein "Anfall des Publikums" ein völlig legitimes Stil- bzw. Gestaltungsmittel ist...
..........ich kann immer wieder nur dringend empfehlen, geniale Aphorismen publikumswirksam zu publizieren :lol::lol::lol::lol:
 
@rolf

"anfallen" im Sinne von "wie einen ein Raubtier anfällt" (ist das denn so schwer zu verstehen)
ich kann immer wieder nur dringend empfehlen, geniale Aphorismen publikumswirksam zu publizieren
Nein. Publizieren sollte man schon weit hochwertigeres - es wird schon genug obsoletes Zeug in der Welt publiziert, das man aussortieren muß.

Zu den anderen Dingen: laß uns das mal zurückstellen - konzentrieren wir uns erst mal auf das Thema "Hören von Musik".
 
sorry: du hast absolut keine Ahnung von Skrjabins Musik und deren Hintergrund/Hintergründen...
Vorsicht, mein lieber rolf: mehr Ahnung, als Du offenbar ahnst. Allerdings: ich hör sie lieber, in mir genehmen, ausgewählten Interpretationen, anstatt (noch mehr) darüber zu lesen, das ist wahr.

So, und nu' warte ich auf die Antwort von chiarina.
 

So, und nu' warte ich auf die Antwort von chiarina.

Lieber Dreiklang,

vorab: ich verstehe eins nicht. Du sagtest

Ich bin mit Dir praktisch in allen Punkten einer Meinung.
,

dabei war doch mein Beitrag darauf ausgerichtet, diesem von mir Fettgedrucktem zu widersprechen:

I
Fragt euch bei jedem Musikstück: ist das jetzt schöne Musik? Vergleicht Musikstücke, Einspielungen, Interpretationen miteinander: welche klingt, welche ist schöner? Und warum? (und eine Partitur braucht es dazu nicht. So etwas stört dabei nur.)

Irgendwann kommt man, mit etwas Glück und Leidenschaft, dann dahin, daß man Schönheit von Musik einschätzen kann. Und Schönheit von Musik hat nicht das geringste mit einem völlig rational-verkopften texttreuen Umsetzen einer Partitur zu tun. Wer mit dem Herzen und dem Gefühl für Musik spielen kann, der gewinnt, in der Musik... und zwar alles.

Bist du dann doch mit mir einer Meinung, dass für eine ernsthafte Diskussion über Interpretationen die Quelle, aus der sich diese Deutungen speisen ( = Partitur) und die noch viel mehr mögliche Deutungen enthält, eine wichtige Grundlage ist?

Denn wenn ich sage, "ich spiele die 5. Sonate von Skrjabin", dann bin ich verpflichtet, die Anweisungen des Komponisten ernst zu nehmen. Ich könnte auch sagen "ich improvisiere nun ein Stück mit Motiven aus Skrjabins 5. Sonate", dann bin ich dem natürlich nicht mehr verpflichtet.

Höre ich nun ohne Kenntnis der Partitur ein Stück, kann ich nicht wissen, ob die Interpretation des Stückes den Intentionen des Komponisten gerecht wird, ob also die vorgestellte Deutung tatsächlich in den Möglichkeiten des Notentextes enthalten ist oder nicht. Denn ich weiß ja nicht, was in den Noten steht, welches Tempo z.B. der Komponist angegeben hat etc.. Die Elise in doppeltem oder dreifachem Tempo verwandelt sich plötzlich in eine kapriziöse Person oder in eine, die gehetzt und panisch durch Einkaufspassagen rennt. :D Man kann das spaßeshalber mal machen, aber im Notentext steht etwas anderes (poco moto).

Trotzdem kann ich natürlich ohne Kenntnis der Partitur sagen, ob mir etwas gefällt. Die meisten Konzertbesucher kennen die Partitur der Stücke nicht, die sie hören, und natürlich können sie sich auch über das reine Hören ein Urteil erlauben. Dieses Urteil hat dann aber eine rein subjektive Grundlage und hängt in seiner tatsächlichen Qualität stark von den Fähigkeiten und der musikalischen Bildung des Hörenden ab. Will ich tiefer einsteigen, will ich wissen, ob die Interpretation, die mir gefallen hat, auch eine objektiv hohe musikalische Qualität besitzt, bleibt eine Auseinandersetzung mit dem Notentext unumgänglich.

In meiner Jugend ging es mir manchmal so, dass mich bestimmte Interpretationen ungeheuer berührt haben. Ich konnte aber nicht sagen, warum. Mir fehlte damals die Reflexion und natürlich auch Erfahrung und Wissen. Nun berühren mich diese Interpretationen immer noch, aber ich kann sagen, warum. Ich nehme jetzt die Musik eben sehr viel bewusster wahr und die Reflexion, die Auseinandersetzung mit dem Notentext, die eben auch zu einer erheblich verbesserten Wahrnehmung, zu einem besseren GEHÖR führt, ist eine Voraussetzung dazu.

Nun endlich zu der Sonate:

bleiben wir wie von dir gewünscht zunächst beim reinen Hören. Du assoziierst mit dem Beginn Folgendes:

Und damit wären wir z.B. bei der Pause in Feinbergs Interpretation. Feinberg beginnt die Interpretation mit einem "Überfall", bzw. "Anfall" des Publikums. Das ist nichts negatives - sondern in der Musik ein völlig legitimes Stil- bzw. Gestaltungsmittel. Und, wie festgestellt wurde, ist das auch so in der Intention des Komponisten gewesen (die Vortragsbezeichnungen in der Partitur sagen das aus).

Assoziationen sind sehr individuell und unterschiedlich. Deine ist völlig legitim, ich persönlich empfinde den Anfang eher als dämonisch. Unsere Gefühle und Assoziationen beim Hören dieser Musik beschreiben aber nur, wie diese Musik auf uns wirkt! Sie hat viel mit uns zu tun und beschreiben nicht die Intention des Komponisten! Was Skrjabin für Assoziationen bei diesem Anfang hatte, wissen wir nicht, und da wir ihn nicht mehr fragen können, müssen wir, wenn wir SEINE Assoziationen, SEINE Vorstellungen erfahren wollen, uns wohl mit dem Notentext begnügen, in dem freundlicherweise eine ganze Menge steht. Dann können wir seine Vorstellungen mit unseren abgleichen und diese Auseinandersetzung ist für etwas, was sich Interpretation (man kann ja nur "etwas" interpretieren und das "etwas" ist in diesem Fall der Notentext) nennen will, unabdingbar.

Um nun der Wirkung der Pause näher zu kommen, reicht es nicht, einen allgemeinen Gefühlseindruck zu beschreiben, sondern die Pause steht u.a. am Ende einer Entwicklung . Beschränken wir uns auch hier zunächst auf das Hören und stellen die von dir geschätzte Splett-Aufnahme der von Feinberg gegenüber.





Was hörst du?

Ich kann sagen, was ich höre: der Triller klingt bei Feinberg trotz der schlechten Aufnahmequalität schneller, leiser und ausdrucksvoller, dann die Akzente nach den Quintolen sind energischer und kontrastreicher als bei Splett. Anschließend schwingt sich die Phrase in die Höhe, wie ein irrwitziger Ausbruch mit zunehmender Geschwindigkeit und Lautstärke. So höre ich es bei Feinberg. Bei Splett höre ich etwas ganz anderes. Die Phrase gewinnt nicht an Dramatik und Intensität, sondern sie wird gegen Ende hin eher leiser und kaum schneller. Tatsächlich hat Splett am Ende technische Probleme mit den Quintolen. Von einem Ausbruch ist nichts zu spüren, die Energie verpufft, die tiefen Töne sind lauter als die höheren.

Vom reinen Hören her ist Feinbergs Interpretation des Anfangs Welten über der von Splett. Feinberg schöpft die Möglichkeiten des Instruments voll aus, ist klanglich unglaublich kontrastreich und aus einem Guss. Um aber diesen subjektiven Höreindruck auf eine bessere und breitere Basis zu stellen, schauen wir nun in den Notentext:

http://petrucci.mus.auth.gr/imglnks/usimg/b/bb/IMSLP01910-Scrison5.pdf

Es könnte ja sein, dass dort ein decresc. und ein ritardando im Notentext steht und Skrjabin sich etwas ganz anderes vorstellte als Feinberg spielt. Und, nanu, was lesen wir da:

accel., Presto, accel., cresc., ff, all dies von dem besagten piano-Triller im Bass ausgehend. Was schließen wir daraus? Wer setzt diese Anweisungen besser um, tatsächlich sogar unglaublich gut? Und wer erzählt die intensivere Geschichte, zeichnet die zwingendere Entwicklung, bei wem zerfällt die letzte Phrase vor der Pause nicht in ihre Einzelteile?

Wenn du allerdings das Kriterium der "Schönheit" zur alleinigen Qualitätsbestimmung heranziehst, mag die Splett-Einspielung "schöner" im Sinne von "gefälliger" sein. Bei Feinberg bin ich erschüttert, aus der bequemen Ruhe meines Konzertsessels herausgeworfen, bei Splett kapiere ich nicht, was dieser Anfang soll.

All dies hat Wirkung auf die Pause. Wer so eine Entwicklung spielen kann wie Feinberg, braucht auch als Zuhörer etwas mehr Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten. Ich sehe auch die Pause anders als du:

Der Überfall endet abrupt, und nun passieren meines Erachtens auf musikpsychologischer Ebene zwei Dinge: (1) das Publikum, bzw. der Zuhörer, muß sich eine kurze Zeit von diesem "Überfall" erholen (erste Spannungslinie: eine abfallende). (2) sofort nach dem Ende des "Überfalls" beginnt eine zweite Spannungslinine von Null an anzusteigen, die die Neugier und Erwartung darauf repräsentiert, wie es weitergeht.

Die Pause ist keine Erholung, sie ist eine Fortführung der Entwicklung. Der Klang endet nach dem ff abrupt durch die plötzlich eintretende Stille und der Zuhörer wird davon geschockt. Die Pause ist keine "Pause" im eigentlichen Sinne, sondern bedeutet eine Erhöhung der schon sowieso hohen Spannung. Deshalb steht auch, wenn man denn in den Notentext schauen möchte, dort eine Fermate! Das heißt, die erste Linie ist eine ansteigende und es wäre schade, diesen wichtigen Moment, den du offensichtlich nicht hörst, durch eine zu kurze Pause abzubrechen. Ich möchte dir allerdings nicht unrecht tun, denn favorisiert man Spletts Aufnahme, findet diese Explosion, dieser Ausbruch vor der Pause ja gar nicht statt und deswegen hat bei ihr die Pause auch keine Spannung. Kein Wunder, dass sie kürzer ist. Schade drum.

Die Fermate im Notentext zeigt uns, dass Skrjabin diese Pause sehr wichtig war und im Kontext mit der vorangegangenen Entwicklung kann man sagen, dass Feinberg das sensationell umsetzt. Die Beschäftigung mit dem Notentext ist also durchaus fruchtbar. :)

Fortsetzung folgt
 
Fortsetzung

Ich schließe mich also Troubadix an, der das alles auch schon sagte. :D


Was mich persönlich manchmal an deinen posts verwundert, ist, dass du einerseits als Nonplusultra eines Konzertsbesuchs oder Hörens von Musik ein "feuchte - Augen - bekommen" postulierst (was ich sehr einseitig finde, denn wenn mich etwas wahrhaft erschüttert, bekomme ich keine feuchte Augen - feuchte Augen sind nur eine Möglichkeit der riesigen Gefühlspalette), andererseits aber von "Arbeiten" sprichst oder eben so formulierst:

Übrigens, abgesehen davon, finde ich sonst nichts, keinen musikalischen Makel, in der ganzen Interpretation. Sonst ist alles gelungen, soweit es mich angeht.

Das klingt sehr nüchtern, vor allem bei einer Aufnahme, die zumindest mir unter die Haut geht.

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Ich habe jetzt lange an diesem Beitrag gesessen und hoffe, dass du, lieber Dreiklang, vielleicht über diese Worte noch einmal nachdenkst:

...
warum man Splett nun mal keine technischen Schwierigkeiten vorwerfen kann. Ganz einfach: weil man keine hört, und weil keine den Fluß und Klang ihrer Klaviermusik (genauer: ihrer Interpretation) stören. Auch das ist eine Sache des Hörens mit musikalischem Verständnis...

((Mon Dieu... daß man einfach mal vergessen kann, in die Partitur zu stieren, und Klaviermusik und klassische Musik einfach mal nur aufmerksam und mit hohem musikalischem Verständnis hört... das werd' ich wohl nicht mehr erleben... ;)))

Liebe Grüße

chiarina
 
Nö - sie kriegt einen Extrapreis für Beharrlichkeit ;) oder ich kriege ihn. Das muß die Jury dann entscheiden ;))
 
Liebe chiarina,

seit der ersten Seite schon geht es in diesem Faden hier mit dem eigentlichen Thema Das "Hören" von Musik um das Phänomen der Texttreue, dessen Sinn, Zweck, Nutzen (der mir hinreichend bekannt ist), und wie "wichtig" diese angeblich sein soll. Deiner, rolfs, und Troubadix' Heiliger Gral - was mir ebenfalls schon lange bekannt ist.

Und das, obwohl ich hier schon folgendes sagte:
Das heißt: Du empfindest Feinbergs Interpretation als genau das, was ich schrieb:

und Splett's Interpretation nicht, oder...? (ist ganz neutral gefragt)

(und Werktreue, eine "Spiegelung" formal-analytischer Erkenntnisse in der Interpretation oder ähnliches (habe leider vermutlich nicht den korrekten Wortschatz, das auszudrücken), spielen allesamt erstmal keine Rolle dabei)
Später stellte sich dann heraus, daß das Hervorgehobene nicht nur "keine Rolle spielt", sondern der zentralste Punkt in Troubadix' Beurteilung und Hören von Interpretationen überhaupt ist.

Dein Versuch, einen Zusammenhang aus einer relativ groben Niederschrift von Musik (der Partitur) und der sekundenbruchteil-genauen Realisierung einer musikalisch-interpretatorischen Pause in einer ganz konkreten Interpretation (Feinberg-Sonate-Diskussion) herbeizukonstruieren, muß zwangsläufig scheitern. Auch das habe ich schon gesagt, ich habe eine Frage gestellt, die unser rolf (und auch alle anderen) natürlich wohlweißlich ignoriert haben:
Nur, es bleibt die Frage: wo steht jetzt irgendwo (Fachliteratur, vielleicht Briefe des Komponisten usw.etc.) daß diese Pause genau die von Feinberg realisierte Länge haben müsse (also x.y Sekunden - bin zu faul, das jetzt genau auszumessen) - und keine andere...?
Es gibt nur eine einzige Instanz, die die Länge einer solchen konkreten Pause bestimmen kann, und muß: ein hochmusikalischer Mensch. Wir haben eben keine Meßgeräte oder Computerprogramme für so etwas.
Die Pause ist keine "Pause" im eigentlichen Sinne, sondern bedeutet eine Erhöhung der schon sowieso hohen Spannung. Deshalb steht auch, wenn man denn in den Notentext schauen möchte, dort eine Fermate!
als was und wie ich die Pause betrachte, habe ich dargelegt. Wir scheinen uns zumindest darüber einig zu sein, daß durch diese Pause eine wie auch immer geartete Spannung entsteht.
Das heißt, die erste Linie ist eine ansteigende und es wäre schade, diesen wichtigen Moment, den du offensichtlich nicht hörst, durch eine zu kurze Pause abzubrechen.
Ich habe von einer ansteigenden und einer abfallenden Spannungslinie gesprochen (also: zwei Linien). Mir einfach zu unterstellen, daß ich etwas "wichtiges nicht hören würde", ist etwas dreist ;)
Denn ich tue mein Leben lang schon nichts anderes, als auf genau solche (und unzählige andere Dinge) in der Musik zu hören, und mich zu fragen, wie diese richtig, bzw. eben "schön", gestaltet werden müssen.
Was ich ebenfalls jedem anderen ans Herz lege.
Die Fermate im Notentext zeigt uns, dass Skrjabin diese Pause sehr wichtig war und im Kontext mit der vorangegangenen Entwicklung kann man sagen, dass Feinberg das sensationell umsetzt. Die Beschäftigung mit dem Notentext ist also durchaus fruchtbar. :)
Selbst wenn die Pause (samt Fermate) im Notentext gar nicht mal vorhanden wäre, käme man als hochmusikalischer Interpret automatisch zu dem Schluß, daß dort eine hingehörte. Aber: unsere Komponisten waren eben keine musikalischen Einfallspinsel (und deshalb finden wir sie in der Partitur vor).
(...) bei Splett kapiere ich nicht, was dieser Anfang soll
Nun, da kann ich aber nichts für ;) Und: Schönheit ist nicht gleich "Gefälligkeit". Dämonisches und Tragisches kann ja ebenfalls sehr schön sein.

Zu Splett's angeblichen technischen Mängeln: es ist nicht notwendig, jedesmal die höchste denkbare spielerische Technik einzusetzen, damit einem einen schöne Einspielung gelingt. Wäre dem so, dann hätten wir ziemlich wenig akzeptable Einspielungen. Mangelnde technische Fähigkeiten dürfen aber den Wohlklang und die Wohlgestaltung von Musik nicht hörbar beeinträchtigen. Vgl. auch Liszt:
Zitat von einem weisen Mann:
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Was mich persönlich manchmal an deinen posts verwundert, ist, dass du einerseits als Nonplusultra eines Konzertsbesuchs oder Hörens von Musik ein "feuchte - Augen - bekommen" postulierst
meine genauen Worte waren (unverdreht):
ohne feuchte Augen sollte kein Mensch mehr ein Konzert verlassen... das wär's doch...
das ist bloß ein nach-Sinnieren - und keinesfalls ein Postulieren von irgendwas. Daß Musik vielerlei Reaktionen hervorrufen kann, ist mir bewußt. Daß Tränen eine der stärksten emotionalen Reaktionen überhaupt sind, aber auch.
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Liebe Chiarina, mit dem Sinn und Unsinn von Texttreue soll es nun langsam genug sein. Meine Meinung kennt man: wer sich dazu berufen fühlt, soll jegliche Partiturangaben nach Belieben mißachten - und sich darauf konzentrieren, schöne Musik zu machen. Wenn das Ergebnis texttreu ist: bon, umso besser. Wenn nicht: auch egal. (Wenn's schöne Musik ist!)

Ich hatte Dir angeboten, daß wir wieder zum Hören kommen, indem ich Dir ein Stück vorstelle:
Wenn Du möchtest, könnte ich hier eine Aufnahme vorstellen, die diesen musikalischen Herzschlag tatsächlich an einer Stelle bis fast auf Null herunterbringt.
Du bist nicht weiter darauf eingegangen. Ich biete es Dir wieder an (unglücklicherweise existiert zu dem Stück jedoch keine Partitur - man muß sich also tatsächlich mal bemühen, hörend zu ergründen, ob was darin passiert, und wenn ja, was.)

Viele Grüße
Dreiklang
 
(gubu: das steht bei mir nirgends zu lesen...)
 

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