Nun, Claudio Arrau sagte soweit ich weiß auch, dass man immer alle Werke eines Zyklus spielen muss.
Die 4 Balladen von Chopin sind kein Zyklus sondern einzelne Werke, jede steht für sich selber da.
Nicht anders ist es mit den meisten Klaviersonaten (Beethovens 32 sind eben so wenig Zyklus wie Skrjabins 10 oder Liszts 2)
Kreisleriana, Wanderjahre, Bilder einer Ausstellung - das sind Zyklen.
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Alle 4 Balladen sind im Bereich virtuoser, also technisch recht anspruchsvoller Literatur angesiedelt. Will man irgendeine davon mit Erfolgsaussichten angehen, dann sollte man von den 24*) Chopinetüden mehr als die Hälfte wirklich (!) können - dann werden die Balladen nur an ein paar wenigen Stellen spezielles technisches üben benötigen**)
Allerdings wird die 4. am meisten von den Übungsweisen benötigen, die nicht in den Etüden schon trainiert wurden, weil sie satztechnisch weiter von den frühen Etüden entfernt ist (wie auch die Barcarole, die Polonaise-Fantaisie, die Fantasie und die h-Moll Sonate) - will man´s noch ärger haben als dort, dann wählt man die komplette b-Moll Sonate (oder das Finale der in h-Moll) Chopin war "klaviertechnisch" nicht bei op.10/25 stehen geblieben (!)
Interessanter aber als spieltechnische Fragen sind die nach der Gattung (Balladen kennt man doch eher aus der Literatur bzw. musikalisch als Vertonungen, z.B. Schuberts Erlkönig, Löws Uhr usw) und nach ihrem jeweiligen Bezug zu literarischen Vorlagen/Anregungen von Adam Mickiewicz (am deutlichsten sind die Parallelen/Bezugnahmen in der 2. und 3. Ballade)
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*) für Schlauberger: ja, es gibt insgesamt 27 - nur sind die drei nachgelassenen so einfach, dass sie für die Balladen nichts nützen
**) das ist eigentlich interessant, denn gerade Akkordkaskaden und repetierte Doppelgriffe tauchen in den Etüden nicht auf - restlos alle anderen technischen Hürden, wie sie auch in den Balladen vorkommen, finden sich bestens abgehandelt in op.10 und op.25
(die auf den ersten Blick in Richtung Liszt weisenden Oktavversetzungen in der 1., 2. und 3. Ballade scheint Chopin für eine Selbstverständlichkeit gehalten zu haben)