Austausch der Hobby-Jazzpianisten

Seit ca. 2 Jahren beschäftige ich mich nun am Klavier mit Jazz und jetzt stelle ich euch mal den Stand der Dinge vor, so wie er bei mir zurzeit ist. Eine repräsentative Aufnahme meiner improvisatorischen Fähigkeiten am Beispiel von "Autumn Leaves".

Ist die Improvisation schlüssig oder zu willkürlich?
Ist ein "roter Faden" erkennbar oder ist es chaotisch?
Macht es Spaß, zuzuhören, oder möchte man abschalten / wegklicken?
Ich bin dankbar für Rückmeldungen jeder Art, auch für brutale Wahrheiten.:-)
Der ganz entscheidende Mangel Deiner Impro ist, dass sie keinen RHYTHMUS hat.
Es ist einfach so Rubato-Gedudel.

Als kleine Intro, bevor es dann "in time" losgeht, wäre es ja OK. Du hast ja durchaus Geschmack und gewisse Ideen, was melodische Verläufe angeht.
Und auch als eine mögliche Vorübung kann es günstig sein, mal so rubato melodische Verlaufsmöglichkeiten auszuprobieren.

Aber Jazz bedeutet vor allem bestimmte RHYTHMEN, bestimmte Grooves!

Es ist leider ein Mangel sehr vieler nicht so fortgeschrittener Pianisten, dass sie nicht nur Schwierigkeiten haben, "in time" und rhythmisch wirklich konkret (!) zu spielen, sondern auch viel zu wenig machen, um diesem Zustand abzuhelfen. Dein Fehler wird, wie bei so vielen, sein, dass Du viel zu wenig "in time" übst. Stimmt's?

Auch dass von anderen Teilnehmern nicht gleich dieser Punkt kritisiert wurde, zeigt auf, dass diesbezüglich bei Hobbyspielern oft zu wenig Bewusstsein vorhanden ist.
 
@hasenbein leider gibt es auch bekannte klassische Pianisten/Pianistinnen, denen genau dieser Groove, und der Mut zur improvisationsartigen Ausschmückung, die gute Jazzpianisten beherrschen, fehlt. Da wird zwar klinisch rein und "notenexakt" abgespielt, aber ohne jeglichen Groove oder Mut dazu.
 
@hasenbein Hast Du die Aufnahme ganz gehört? Die 2. Minute ist von Oscar Peterson weit entfernt und auch sehr überladen aber in-time ist es dann schon...
 
Danke für eure Rückmeldungen! Ja, der erste Teil sollte tatsächlich durchgängig rubato seln. Wahrscheinlich ist diese Strecke zu lang und bietet zu wenig rhythmische Orientierung (Puls). Im schnellen Teil habe ich einen Puls. @hasenbein Meinst du, dass mir hier auch der Rhythmus bzw. Groove fehlt?

Nachvollziehbar ist für mich auch der Hinweis auf die Überladung durch zu viele Töne.

Ich werde demnächst nochmal eine Fassung als Ballade „in time“ hochladen.
 
Danke für eure Rückmeldungen! Ja, der erste Teil sollte tatsächlich durchgängig rubato seln. Wahrscheinlich ist diese Strecke zu lang und bietet zu wenig rhythmische Orientierung (Puls). Im schnellen Teil habe ich einen Puls. @hasenbein Meinst du, dass mir hier auch der Rhythmus bzw. Groove fehlt?

Nachvollziehbar ist für mich auch der Hinweis auf die Überladung durch zu viele Töne.

Ich werde demnächst nochmal eine Fassung als Ballade „in time“ hochladen.
Ich finde die Aufnahme als erstes Outing, nach 2 Jahren ganz gut. Trotzdem ist es nicht mehr als ein Anfang. Du hast Dir die Voicings und einschlägigen Skalen hart erarbeitet. Technisch hast Du eine gute Basis, sowohl Intro als auch der Walking-Bass-Teil (den Du beinhart durchprügelst) sind streckenweise virtuos. Du lieferst Improvisations-Material ab, und das ist cool, weil genau das den entscheidenden Schritt weg von den Noten bedeutet. Als ursprünglicher Klassiker spielst Du genau so wie die meisten ursprünglichen Klassiker in diesem Stadium.

Was fehlt? Die Aufnahme ist technisch beeindruckend und streckenweise kernig. Aber trotz des beinharten Walkingbasses swingt es nicht. Weder Deine Phrasierung noch die Akzentuierung sind jazztypisch. Und: Du textest ohne Punkt und Komma drauf los, erzählst keine Geschichte.

Ich war selbst auf technisch niedrigerem Niveau auch an diesem Punkt: Technisch, in Harmonielehre und bzgl. Spielpraxis hast Du Dir eine Grundlage erarbeitet. Von da aus beginnt der Weg zum "Musizieren". Er ist lang und nie zu Ende. Erster Halt: Hören, atmen und das abgenudelte, aber notwendige "weniger ist mehr".

LG

TJ
 
@Demian
Gefällt mir gut was du spielst, aber der Klang von deinem Flügel passt für mich nicht zur Musik.
 
Ich bin dankbar für Rückmeldungen jeder Art, auch für brutale Wahrheiten.:-)
Dein Spielniveau ist schon beachtlich. Aber für Jazz fehlt mir da noch was. Einerseits der Swing, insbesondere beim Walking Bass. Und wie einige schon bemerkt hatten: weniger ist mehr.

Ich hatte (sogar hier in diesem Faden) mal gepostet, was mein damaliger Jazz Klavierlehrer mir damals auf den Weg gegeben hat. Das waren allgemeine Tipps, die für dich aber auch passen würden. Deswegen stelle ich das hier nochmals rein:


- weniger ist mehr: Pausen lassen!
- Interaktion rechte und linke Hand: nach einer Phrase der rechten Hand kann in die Pause gerne mal die linke Hand Big-Band-mäßige Einwürfe bringen.
-sich von Skalen verabschieden: oft versucht man, Skalen zu spielen oder zumindest skaleneigene Töne. Bei schnellen Akkordwechseln hat man aber oft gar nicht die Zeit dafür. Und das bringt einen zum nächsten Punkt:
- wie ein Komponist denken/spielen. Nicht Skalen rauf und runter, sondern kleine Figuren spielen. Gerne über mehrere Akkorde hinweg auf- oder absteigende Motive.
- Übergangstöne nutzen (nicht nur skaleneigene Töne)
- alterierte Akkorde u. Skalen nutzen, wo es geht.
- legato spielen beim Improvisieren.
- akzeptieren, dass man beim Improvisieren nicht immer und durchgehend toll und einfallsreich spielt. Manchmal fällt einem einfach nix mehr ein.
- je schneller das Solo, desto mehr binär wird es anstatt ternär. Möglichst die Offbeat Betonung beibehalten.
- bei Balladen zum solieren gerne mal das swingige verlassen und zu straight wechseln.
-beim Solieren gerne auch nur mal die rechte Hand spielen. Links weg lassen (zu Übungs Zwecken). Dabei sollte man dennoch die darunter liegenden Akkorde erahnen können.
 
Jeder kennt solche Aufnahmen, wer bietet mehr? So was ist natürlich geil, aber ich kann mir das nicht länger als zwei Minuten anhören...

 

- alterierte Akkorde u. Skalen nutzen, wo es geht.
Das passt für mich nicht ganz mit "sich von Skalen verabschieden" zusammen.
Was ist die Motivation dahinter? Mit b9 #9 #11 b13 etc. herumexperimentieren?

- akzeptieren, dass man beim Improvisieren nicht immer und durchgehend toll und einfallsreich spielt. Manchmal fällt einem einfach nix mehr ein.
Da hat mir mein Klavierlehrer als Ergänzung auch noch was dazu gesagt, was ich versuche zu beherzigen:
Während Solos/ Improvisationen NIE bewerten. Hinhören, ausprobieren, neugierig bleiben.

- bei Balladen zum solieren gerne mal das swingige verlassen und zu straight wechseln.
Bei Balladen denke ich bei der Betonung oft an einen 3/4-Rhythmus.
 
Mir hat bzgl. Rhythmik und Phrasierung diese DVD-Reihe den größten Lernschub gebracht. Darin geht es nicht um Skalen, Alterationen und 16tel-Läufe sondern im wesentlichen um: Trommeln! Man muss allerdings die Übungen fast täglich mindestens 1 bis 2 Jahre machen (ich habe das dann alltagskompatibel in Pausen auf der Arbeit gemacht mit den Backing-Tracks in den Kopfhörern auf den Schenkeln geklopft. Hat funktioniert!)

 
Ich kenne diese DVD s auch. Ganz hervorragend. Mike Longo war einer von den Guten. Sonst hätten ihn Dizzy und Cannonball wohl kaum als „Konzertmeister“ engagiert.
Er lebt leider nicht mehr. Fuck Corona.
 
Das passt für mich nicht ganz mit "sich von Skalen verabschieden" zusammen.
Sich von Skalen verabschieden bedeutet, dass man nicht in Skalen denken soll. Nach dem Motto: die Töne der Skala sind ok, die muss ich benutzen. Sondern eher in Melodien oder Phrasen denken. Eher wie ein Komponist.

Wo alterierte Akkorde passen, da halt gerne diese nutzen. Und bei denen passen nicht die gleichen Töne beim solieren wie bei den nicht nicht alterierten.
 
Mein Senf dazu:
( Berührt sich teils mit dem, was Tastenscherge in Post 87 an Richtigem gesagt hat):

Gute Bassisten anhören: sie spielen nicht immer ganz genau auf dem Downbeat beim Walken, es wird sonst starr.

Vor dem Solo eine ( oder mehrere) Klischeelinie festlegen, dabei einen Ton pro Akkordwechsel: Die Linie mit engen Intervallen fortschreiten lassen, hauptsächlich in Sekunden.Das geht . Dabei möglichst NICHT den Grundton oder die Quint des Akkords verwenden. Das klingt unmelodisch. Wenn es hilft, ruhig die Linie aufschreiben. Grundtöne und Quinten sind Sache das Basses.. Die Linie dann zunächst mit wenigen Tönen umspielen.

Keine Tonleitern.

Sobald das diatonische Material gefestigt ist, die Geschichte umspielungsmäßig chromatisieren. Klingt sonst leicht wie die beiden bekannten Stile Country und Western auf Speed.:002:

Spiele ein Solo mit EINEM Ton. Aber so rhythmisch dass es groovt. ( Irgendeine Hochschule in der Schweiz verlangt dies bei der Aufnahmeprüfung).

Spiele EINEN Ton pro Takt: Wenn das gut klappt, zwei Töne. Usw..

Ein Solo spielen, wo NIE ein Downbeat vorkommt.

Den Tipp habe ich von Iiro Rantala geklaut: Metronom. Aber die Clicks auf die Offbeats!

Tempo reduzieren.

GAAAnz wichtig : Motivische Arbeit. Variiere ein einfaches Motive auf jede erdenkliche Art, bis es vollkommen ausgelutscht ist. Erst dann ein neues Motiv vornehmen.
 
Danke für eure Rückmeldungen! Ja, der erste Teil sollte tatsächlich durchgängig rubato seln. Wahrscheinlich ist diese Strecke zu lang und bietet zu wenig rhythmische Orientierung (Puls). Im schnellen Teil habe ich einen Puls. @hasenbein Meinst du, dass mir hier auch der Rhythmus bzw. Groove fehlt?

Nachvollziehbar ist für mich auch der Hinweis auf die Überladung durch zu viele Töne.

Ich werde demnächst nochmal eine Fassung als Ballade „in time“ hochladen.
meiner Ansicht nach solltest Du vor allem an Deiner Phrasierung arbeiten, ich würde behaupten man hört deutlich, dass Du von der Klassik kommst, es klingt ziemlich zickig und swingt überhaupt nicht.
Sorry für diese harten Worte, aber das ist echt sehr wichtig, da können die Skalen und die Changes noch so richtig und die motivischen Ideen noch so spannend sein, wenn's nicht groovt hört jeder noch so unmusikalische Zuhörer, dass das (noch) kein Jazz ist!
 
Eine Frage zu „Lullaby of Birdland“: Welchen Akkord verwendet ihr in Takt 3 (auf dem Foto die angekreuzte Stelle)? Laut Realbook ist es D halbvermindert, und so spielt es z.B. Erroll Garner auch, aber in der Fassung mit Ella Fitzgerald wird dort Db gespielt, und so habe ich das auch im Ohr. Was spielt ihr an der Stelle?
 

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