Austausch der Hobby-Jazzpianisten

Frag mal irgendwen, der auf professionellem Niveau Jazz improvisiert, ob er mal eine Phase hatte, in der er seinen Lehrer nach "Licks" gefragt hat oder ein Buch dafür hergenommen hat.

Er wird Dir mit Nein antworten.

Weil es so nicht funktioniert. Erst muss man Dinge innerlich HÖREN (auch Gehörtes nachspielen hilft bei diesem Lernprozess) und dann immer besser darin werden, dies Gehörte möglichst sofort auf dem Klavier zu finden und zu spielen. DANN schleifen sich bestimmte Tonfolgen ein, weil man die besonders im Ohr und dadurch dann auch in den Fingern hat (klar, es gibt manche, die besonders gut in den Fingern liegen und sich daher noch mehr aufdrängen). Das sind dann die persönlichen "Licks". Und ja, regelmäßig gute Solos transkribieren (möglichst nur nach Gehör nachspielen, ohne den Umweg übers Aufschreiben zu gehen) hilft sehr dabei. Können auch kleine Abschnitte sein.

Mit vorgefertigten Licks improvisieren zu wollen funktioniert nicht, das wird stets "buchstabiert", unkreativ, unspontan und wenig schlüssig klingen. "Malen nach Zahlen" halt.

Der Wunsch nach "Licks" verrät stets, dass der Schüler mit dem audiomotorischen Improvisieren deutliche Probleme hat und irgendeinen Ausweg, eine Abkürzung, sucht aus dem ihm mühsam erscheinenden auditiven Lernprozess.

Geht nicht, peng, aus.
 
Der Wunsch nach "Licks" verrät stets, dass der Schüler mit dem audiomotorischen Improvisieren deutliche Probleme hat und irgendeinen Ausweg, eine Abkürzung, sucht aus dem ihm mühsam erscheinenden auditiven Lernprozess.
Genau das ist der Fall, wenn es um schnelles Improvisieren geht. Im langsamen und gemäßigten Tempo fällt mir das audiomotorische Improvisieren (das Umsetzen der Klangvorstellung in entsprechende Bewegungen) leichter als im schnellen Spiel. Allerdings sind die Licks und Phrasen dort auch andere. Deshalb meine Frage. Aber die uralte Idee des Transkribierens ist da sicherlich sinnvoll.
 
Beim schnellen Spiel denkt man (bzw. nimmt wahr) tendenziell in "Päckchen" mit mehr Tönen als im langsamen Tempo. Also in "Chunks" mit mehr Elementen. Aber diese Chunks müssen im langsamen Tempo etabliert worden sein, und man muss im Laufe der Zeit schnelleres Wahrnehmen + Denken geübt haben, um das Etablierte dann schnell spielen zu können. Es ist absolut irrig, zu denken, man könne doch, um schnell zu spielen, gleich mal ganze Chunks als "Licks" üben, um sich diesen Prozess zu ersparen bzw. ihn deutlich abzukürzen.

Geht nicht, peng, aus. Vielleicht kann man irgendwas spielen, aber es fühlt sich nicht so an, als wäre man es, der da improvisiert, und es klingt mechanisch, unkreativ, übungshaft, ungroovig usw.
 
Zur inneren Klangvorstellung gehört übrigens auch der Rhythmus! Wobei "auch" das falsche Wort ist. Dizzy hat mal gesagt: "I hear rhythms first, then I put notes to it."

Genau das ist es, was passieren muss. Daher sollte man auch stets üben, bzw. in der Lage sein, "Solos" (auch schnelle) vor sich hin zu pfiffeln, bei denen der genaue Rhythmus vorhanden ist (und auch sonst alles, also auch Dynamik, Energie usw.), jedoch die Tonhöhen unkonkret bleiben, auch Form. Kann man unter der Dusche, am Steuer usw. machen. Dies ist quasi der "Lackmustest", ob man in der Lage ist, konkrete musikalische Gestalten, also Motive, Phrasen und einen "Gesamt-Fluss", zu improvisieren.

Eine nächste Zwischen-Übung ist dann, "Free-Bop" auf dem Klavier zu spielen, also nur rechte Hand, einstimmig (sozusagen wie ein Bläser), no form, no chords, freie Tonwahl, aber genauso konkreter Rhythmus, genaue Phrasierung, volle Energie wie in der ersten Übung. Ist für viele aber schwierig, weil sie sich zu leicht davon irritieren lassen, "wie komisch sich das dann anhört". Es lohnt sich aber sehr, diesen inneren Widerstand gegen das "Schräge" aufgeben zu lernen. Auch wenn man ungern Neue Musik oder Free Jazz hört, sollte man stets in der Lage sein, freudig-verspielt, aber ernsthaft absolut atonale Free-Form-Sachen zu improvisieren.
 
@hasenbein
Eine Übung, die ich bereits gelegentlich mache, ist das rhythmische Improvisieren der rechten Hand zu z.B. einem Walking Bass ohne Bindung an Tonalität, also mit sämtlichen Tönen der chromatischen Tonleiter. Das ist sicherlich auch zielführend, oder?
 
@hasenbein
Eine Übung, die ich bereits gelegentlich mache, ist das rhythmische Improvisieren der rechten Hand zu z.B. einem Walking Bass ohne Bindung an Tonalität, also mit sämtlichen Tönen der chromatischen Tonleiter. Das ist sicherlich auch zielführend, oder?
Das ist doch das, was ich meine.
Ob man es mit oder ohne Begleitung macht, ist erstmal zweitrangig.
 

Daraus, dass Du so was empfiehlst, kann ich entnehmen, dass Du mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit NICHT gut improvisieren kannst.
Natürlich nicht. Von Leuten, die richtig GUT improvisieren können, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemand in einem Internet Forum unterwegs :001:

Aber wenn jemand fragt, wo kann ich Licks finden, um was zum Üben zu haben, kann ich ihm helfen. Ohne zu fragen, warum er so unfähig ist, überhaupt so eine Frage zu stellen.

Natürlich ist Transkribieren hilfreich. Aber einem Anfänger bringt ein Lick von z.B. Herbie Hancock nichts. Das war zumindest meine Erfahrung. Die berühmten Leute verwenden Sachen, die sind von einem anderen Stern. Wenn schon Transkribieren, dann würde ich eher nur den Rhythmus und die Phrasierung klauen und die Noten erstmals auf das beschränken, was man schon gelernt hat.
 
Aber einem Anfänger bringt ein Lick von z.B. Herbie Hancock nichts. Das war zumindest meine Erfahrung. Die berühmten Leute verwenden Sachen, die sind von einem anderen Stern.
So ein Unsinn.

Selbstverständlich muss man auch seine innere Vorstellung über Melodieverläufe anhand des Vokabulars der Großen schulen und nicht anhand dessen, was einem Anfängerbuch XY oder Kleinstadt-KL YZ erzählen. Ansonsten bleibt man immer gefangen im Universum des "Pädagogik-Jazz", sprich, es wird einem immer anzuhören sein, dass man die Sprache des Jazz NICHT beherrscht.

Dass man dafür sinnvollerweise erstmal "straightere" Sachen hernimmt und nicht ein Herbie-Solo von "Miles Smiles", ist ja wohl klar. Zu behaupten, Berühmte würden "Sachen von einem anderen Stern" verwenden, ist jedoch kompletter BS.
 
Natürlich ist Transkribieren hilfreich. Aber einem Anfänger bringt ein Lick von z.B. Herbie Hancock nichts. Das war zumindest meine Erfahrung. Die berühmten Leute verwenden Sachen, die sind von einem anderen Stern...
Das habe ich auch immer gedacht, aber gerade beim Raushören (ich finde "Raushören" irgendwie treffender als "Transkribieren") demystifiziert sich auch das meiste von dem, was die "Großen" machen und es wird zumindest passiv nachvollziehbar. Eine gute Grundlage in Harmonielehre sollte man allerdings haben. Auch Herbie hat nur zwei Hände und ein Hirn. Je höher das Tempo und je komplexer die Harmonien wird es dann natürlich immer schwieriger bzw. unmöglich auch aktiv mitzuhalten, aber vom anderen Stern ist es deshalb nicht.
 
Beste Tracks von den genannten Mittsechziger-Miles-Platten meiner Meinung nach: Eighty One, Little One (was für eine Komposition mit so delikaten Akkorden!), Pinocchio. Auch immer wieder super die Platte "Filles De Kilimanjaro", hier hat es mir besonders "Tout De Suite" angetan. Gibt auch noch eine Platte mit zuerst nicht releasten Tracks namens "Water Babies", da sind auch sehr schöne Nummern drauf wie "Water Babies" oder "Sweet Pea".
 
Seit ca. 2 Jahren beschäftige ich mich nun am Klavier mit Jazz und jetzt stelle ich euch mal den Stand der Dinge vor, so wie er bei mir zurzeit ist. Eine repräsentative Aufnahme meiner improvisatorischen Fähigkeiten am Beispiel von "Autumn Leaves".

Ist die Improvisation schlüssig oder zu willkürlich?
Ist ein "roter Faden" erkennbar oder ist es chaotisch?
Macht es Spaß, zuzuhören, oder möchte man abschalten / wegklicken?
Ich bin dankbar für Rückmeldungen jeder Art, auch für brutale Wahrheiten.:-)
 

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  • Autumn Leaves mp3.mp3
    5 MB
Zuletzt bearbeitet:
Zu viel! Schon bei der Vorstellung. Insgesamt klingt es für mich ziemlich "durchgerattert".
Ist glaube auch ein typischer Jazz-Anfänger-Fehler, dass zu wenig Pausen und rhythmische Akzente gesetzt werden.

Relativierung: Ich bekomme das längst nicht so gut hin wie Du, ist also nur ein ahnungsloser Höreindruck.
 
Seit ca. 2 Jahren beschäftige ich mich nun am Klavier mit Jazz und jetzt stelle ich euch mal den Stand der Dinge vor, so wie er bei mir zurzeit ist. Eine repräsentative Aufnahme meiner improvisatorischen Fähigkeiten am Beispiel von "Autumn Leaves".

Ist die Improvisation schlüssig oder zu willkürlich?
Ist ein "roter Faden" erkennbar oder ist es chaotisch?
Macht es Spaß, zuzuhören, oder möchte man abschalten / wegklicken?
Ich bin dankbar für Rückmeldungen jeder Art, auch für brutale Wahrheiten.:-)

Ich komme ja vom Jazz - am Saxophon. Dazu sei gesagt, dass dein Spielniveau weitaus höher ist als meins. Also ebenso nur ein amateurhafter Höreindruck:

Ich finde deine Improvisation schlüssig, allerdings finde ich sie auch ein bisschen überladen. Zu viele Noten. Da würde ich auch zu mehr Mut zur Lücke raten.
Ich habe sie mir sehr gerne angehört!
 

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