Ich habe mir deine Aufnahme angehört und ich finde sie nicht schlecht, kann jedoch deine Probleme nachvollziehen. Allerdings wird es nicht leicht, wenn du hier Verbesserungen willst und du musst dich mit ein paar für dich neuen Dingen beschäftigen. Man darf nicht vergessen, dass man für diesen Sound (wie er vorliegt) noch vor zwanzig Jahren mehrere tausend DM in die Hand hätte nehmen müssen, denn es gab dafür keine semiprofessionellen Lösungen wie Zoom o.ä., sondern es wäre nur Studiotechnik in Frage gekommen. Also der Grundsound ist schon auf hohem Niveau, was tonale Balance, Rausch- und Verzerrungsfreiheit usw. angeht. Die Probleme entstehen hauptäschlich auf der akustischen Ebene, bei der Interaktion zwischen Istrument, Raum und Aufnahmegerät.
Die klangliche Balance zwischen Bass und Höhen finde ich in Ordnung, ich würde nicht sagen, dass die Höhen unterrepräsentiert sind, eher sind die Bässe etwas zu stark, ggfs. könnte man hier einen breitbandigen Equalizer im Bereich 150....200Hz versuchen und vielleicht 2 bis 3 dB absenken. Mehr wird nicht nötig sein. Jedoch ist das mehr eine geschmackliche Frage, als dass ich sagen würde, man muss hier unbedingt Hand anlegen. Das könnte man von der klanglichen Balance her auch so lassen.
Den verwaschenen Klangeindruck, den du ansprichst, kann ich z.T. nachvollziehen. Hier kommt es darauf an, dass der Flügel absolut sauber gestimmt sein muss, denn eine Aufnahme kommt ja einer Betrachtung unter der Lupe gleich. Der Grad der Verstimmung des Instrumentes ist so, dass es im Wohnzimmer sicher noch relativ unauffällig ist, jedoch für eine Aufnahme definitiv zu viel, weil man dann die ganzen Imperfektionen und Schwebungen hört und diese die Klarheit aus dem Klang nehmen.
Bei professionellen Aufnahmen ist sehr häufig ständig ein Klavierstimmer anwesend oder kurzfristig verfügbar, bzw. wird der Flügel zumindest bei mehrtägigen Aufnahmesessions täglich gestimmt.
Weiter ist für den "verwaschenen" Eindruck noch die etwas enge Raumabbildung des Mikrofonpaares verantwortlich, wozu ich weiter unten noch etwas schreibe.
Nun zum Instrument: Der Flügel hat einen sehr schönen - eher warmen - Klang und du kannst dich glücklich schätzen, einen so schönen Flügel zu haben. Es haben Instrumente für Konzertbühnen im Vergleich zu deinem Flügel meist mehr Biss im Diskant (diese Flügel verwendet man gern für Aufnahmen). Wenn du die Möglichkeit hast, mal auf einer großen Bühne einen Flügel anzuspielen, dann wirst du merken, dass der Klang wesentlich aggressiver ist. Dein Instrument liefert dir hier also einen Grundsound, der so ist, wie er ist und ich würde versuchen, nicht andere Instrumente "anzupeilen", sondern den Flügel mit seinen Eigenschaften so aufzunehmen, dass er voll zur Geltung kommt.
Wenn du experimentieren willst, dann probiere mal folgendes: Geh mit dem Aufnahmegerät stärker in den Flügel rein (gleiche Position, zwischen Deckel und Rim, evtl. noch etwas näher an die Saiten, jedoch nicht näher zu den Hämmern), um mehr direkten Klang einzufangen. Der Klang wird dadurch etwas unnatürlich, wie du schon festgestellt hast. Unnatürlich heißt hier: es fehlt die Rauminformation und du hörst nur den direkten Klang. Jetzt fügst du die Rauminformation mit einem Hall hinzu, um dem Klang etwas die Direktheit zu nehmen.
Zu empfehlen ist hier Faltungshall, der als Grundlage Impulsantworten von echten Räumen benutzt. Der damit erzeugbare Hall ist sehr realistisch und selbst mit teuersten Hallgeräten nicht zu überbieten.
Faltungshall
Hier gibt es ein VST Plugin, mit dem man diese Funktion in einem Audio-Editor nutzen kann:
SIR Audio Tools / SIR2 / Product Details
VST-Effekte habe ich schon unter Audacity genutzt, ich glaube man benötigt dafür noch einen Plugin-Enabler, jedoch weiß ich es nicht mehr genau, denn es ist nicht der Audio-Editor den ich normalerweise verwende. Aber das lässt sich leicht herausfinden (Stichwort Audacity und VST Plugins).
Wichtig wäre noch (wenn man Ton- und Bildaufnahmen macht), einen Hall auszuwählen, der zum Raum passt (was man sieht, soll dem entsprechen, was man hört, sonst wirkt es artifiziell), aber eine höhere klangliche Qualität hat als der Originalraum.
Ein letzter Aspekt noch: Die Anordnung der Mikrofone am Zoom folgt der XY-Anordnung für Mikrofone. (
XY-Stereosystem). Das System hat Vorteile und Nachteile, die man je nach Situation abwägen muss. XY ist gut, wenn man viele Schallquellen hat und einen gewissen Abstand zum Klangkörper einhält, z.B. bei einem Streicherensemble. Da bekommt man eine sehr saubere räumliche Abbildung und man kann dann über die Lautsprecher förmlich die einzelnen Spieler "greifen". Jedoch halte ich das System nicht für die erste Wahl, wenn man einen Flügel aufnimmt. Besonders als Hauptmikrofon würde ich da nicht XY verwenden. Der Klangeindruck ist einfach zu wenig räumlich und "zu eng".
Bessere Erfahrungen habe ich hier mit dem ORTF-System gemacht:
ORTF-Stereosystem. Dafür benötigt man zwei Nierenmikrofone. Ich würde dir - wie schon gesagt - Kleinmembran empfehlen. Für einen - kleinen - Flügel sind Kugeln wegen der besseren Basswiedergabe zwar besser (da verwendet man dann das A-B-Stereosystem), jedoch hast du ohnehin schon eine Menge Bass, so dass hier Nierenmikrofone günstig sind. Zudem nehmen diese weniger vom Raum auf, so dass du ein "cleaneres" Signal hast, was du dann besser mit Hall bearbeiten kannst.
Ich denke, dass du mit der Kombination ORTF-Stereosystem und Faltungshall mit diesem Flügel (frisch gestimmt) absolut erstklassige Aufnahmen machen könntest.