Geübtes ist im Unterricht nicht reproduzierbar

Um nochmal auf die ursprüngliche Frage einzugehen. Ich hatte das Problem auch. Der Lehrer hat mich dann aufgefordert das geübte Zuhause aufzunehmen und mit zu bringen. Und siehe da, das ging auch nicht. Ich hatte nur geglaubt das Stück zu können und mich viel zu oft beim üben unbemerkt selbst beduppst und durchgemogelt. Mit mehr Konzentration, im Unterricht oder beim Aufnehmen, funktioniert das durchmoggeln nicht mehr. Wir haben daraufhin erstmal das üben geübt. Zusammen mit dem Wechsel auf ein akustisches Klavier klappt mittlerweile das ganze ganz gut.
 
Ich muss da nicht mal weg, für deutliche Verschlechterung reicht es schon die Aufnahmetaste zu drücken. So als ob sich dann im Kopf eine Instanz zuschaltet, die in irgendeiner Weise für Ablenkung sorgt.
 
Um nochmal auf die ursprüngliche Frage einzugehen. Ich hatte das Problem auch. Der Lehrer hat mich dann aufgefordert das geübte Zuhause aufzunehmen und mit zu bringen. Und siehe da, das ging auch nicht. Ich hatte nur geglaubt das Stück zu können und mich viel zu oft beim üben unbemerkt selbst beduppst und durchgemogelt. Mit mehr Konzentration, im Unterricht oder beim Aufnehmen, funktioniert das durchmoggeln nicht mehr. Wir haben daraufhin erstmal das üben geübt. Zusammen mit dem Wechsel auf ein akustisches Klavier klappt mittlerweile das ganze ganz gut.
Das ist wahnsinnig oft der Fall. Habe schon öfter einen Schüler, der es in der Stunde nicht hinbekam und beteuerte, es zu Hause gekonnt zu haben, eine Aufnahme machen lassen. Fast immer war die Aufnahme ebenfalls nichts.

Bei Jugendlichen (nicht bei Erwachsenen) war es sogar vereinzelt der Fall, dass mir eine Aufnahme geschickt wurde, die extrem stockend und fehlerhaft, mit Zwischendrin-nochmal-Einsetzen usw. war, und der Schüler dachte, die wäre OK genug.

Also haben wir es in nicht wenigen Fällen nicht nur mit mangelnder Selbstwahrnehmung beim Üben zu tun, sondern sogar mit fehlendem Bewusstsein darüber, was es überhaupt bedeutet, etwas wirklich spielen zu können. Ich vermute ja mal, das sind die gleichen Menschen, für die in der Schule es OK war, wenn sie eine 3 bekamen bzw. wenn sie im Unterricht auf die Antwort des Lehrers in 50% der Fälle was Richtiges (oft geraten) von sich gaben... Ich zum Beispiel wusste auch als Kind immer ganz genau, ob ich etwas wusste oder nicht, und entweder antwortete ich dann das Gewusste oder sagte "Keine Ahnung". Ich kann mir vorstellen, dass diese Art von "Selbstbetrug" nicht auf ein grundsätzliches Unvermögen zurückgeht, sondern psychologisch ist: Man möchte sich vor dem schlechten Selbstgefühl schützen, das entsteht, wenn man offen gegenüber jemandem (oder sich selbst) eingesteht, dass man etwas nicht weiß oder kann. War für mich nie ein Problem - ich wusste stets, dass das Wissen darüber, was man noch nicht weiß oder kann (oder wo man sich unzweckmäßig verhält) , die Voraussetzung ist, um in der richtigen Richtung dazuzulernen.
 
Hallo Sven,

ich habe die Finger so dressiert.
 
Das Fingergedächtnis ist ja nichts schlechtes, solange es kein Fingerverkrampfungsgedächtnis ist.
Das haptische sollte aber nur ein Teil des Auswendiglernens/spielens sein.
Zuviel auf die Tasten schauen müssen und jede Bewegung optisch steuern und kontrollieren müssen ist auch nicht gut.
Für mich ist die Frage eher, wie verbinde ich die verschiedenen Gedächtnisnetzwerke flüssig miteinander: Notenansicht/Tastenansicht, haptisches und natürlich akustisches, aber auch theoretische Kenntnisse über Form und Harmonie.
Im Übungsprozess steht dann auch je nach Stück uns Fortschritt anderes im Vordergrund.
 
Das Fingergedächtnis ist ja nichts schlechtes, solange es kein Fingerverkrampfungsgedächtnis ist.
Das haptische sollte aber nur ein Teil des Auswendiglernens/spielens sein.
Zuviel auf die Tasten schauen müssen und jede Bewegung optisch steuern und kontrollieren müssen ist auch nicht gut.
Für mich ist die Frage eher, wie verbinde ich die verschiedenen Gedächtnisnetzwerke flüssig miteinander: Notenansicht/Tastenansicht, haptisches und natürlich akustisches, aber auch theoretische Kenntnisse über Form und Harmonie.
Im Übungsprozess steht dann auch je nach Stück uns Fortschritt anderes im Vordergrund.
Bei mir ist es eigentlich eher das Fingersatz-Gedächtnis, nicht die Finger selbst. Deshalb füge ich auch auf dem Notenblatt zahlreiche Fingersätze hinzu. Ich schaue beim Spielen nicht immer auf die Tasten. Viele Passagen schaffe ich auch blind. Es ist bei mir also wechselweise blind spielen und auf die Tasten schauen. Ich bin natürlich ziemlich sicher, dass es bessere Methoden gibt als die meine. Ich bin aber nicht mehr der Jüngste und befinde mich auf der Zielgeraden zur Rente.
 
Also haben wir es in nicht wenigen Fällen nicht nur mit mangelnder Selbstwahrnehmung beim Üben zu tun, sondern sogar mit fehlendem Bewusstsein darüber, was es überhaupt bedeutet, etwas wirklich spielen zu können. Ich vermute ja mal, das sind die gleichen Menschen, für die in der Schule es OK war, wenn sie eine 3 bekamen bzw. wenn sie im Unterricht auf die Antwort des Lehrers in 50% der Fälle was Richtiges (oft geraten) von sich gaben...
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Ich kann mir vorstellen, dass diese Art von "Selbstbetrug" nicht auf ein grundsätzliches Unvermögen zurückgeht, sondern psychologisch ist: Man möchte sich vor dem schlechten Selbstgefühl schützen, das entsteht, wenn man offen gegenüber jemandem (oder sich selbst) eingesteht, dass man etwas nicht weiß oder kann.

Diese zwei Gruppen beobachte ich auch schon lange:
  1. Gruppe behauptet, immer alles richtig zu machen, nie für Fehler verantwortlich zu sein. Auf die Frage: "Habt ihr irgendwas da und dort dran gedreht?" kommt noch vor dem Fragezeichen das "Nein" zurück. In Wirklichkeit sind das aber die faulen und uninteressierten, die in Wirklichkeit nicht so gut sind, wie sie denken/vorgeben und für die meisten Fehler verantwortlich sind.
  2. Gruppe sind diejenigen, die ständig mit sich unzufrieden sind und sich für zu schlecht halten. Das ist aber auch die Gruppe, die es immer für möglich hält, falsch zu liegen, für einen Fehler verantwortlich zu sein. Dies führt dazu, dass Mitglieder dieser Gruppe eher weniger Fehler machen, mehr Ahnung haben und wirklich engagiert sind. Diese ständige Selbstkritik führt einfach zu einer ständigen tatsächlichen Verbesserung.
Merke:
Hältst du dich für gut, bist du es wahrscheinlich nicht.
Hältst du dich (noch) nicht für gut (genug), nicht aus Koketterie, sondern als echte begründete Kritik, weiß du wahrscheinlich gar nicht, wie gut du wirklich (schon) bist.

Der Unterschied scheint die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und Selbstkritik zu sein.
Das schlägst sich auch in einer unterschiedlichen Fehlerkultur nieder: Nur wo ich weiß, dass ich falsch liege, kann ich besser werden.
 
Diese zwei Gruppen beobachte ich auch schon lange:
  1. Gruppe behauptet, immer alles richtig zu machen, nie für Fehler verantwortlich zu sein. Auf die Frage: "Habt ihr irgendwas da und dort dran gedreht?" kommt noch vor dem Fragezeichen das "Nein" zurück. In Wirklichkeit sind das aber die faulen und uninteressierten, die in Wirklichkeit nicht so gut sind, wie sie denken/vorgeben und für die meisten Fehler verantwortlich sind.
  2. Gruppe sind diejenigen, die ständig mit sich unzufrieden sind und sich für zu schlecht halten. Das ist aber auch die Gruppe, die es immer für möglich hält, falsch zu liegen, für einen Fehler verantwortlich zu sein. Dies führt dazu, dass Mitglieder dieser Gruppe eher weniger Fehler machen, mehr Ahnung haben und wirklich engagiert sind. Diese ständige Selbstkritik führt einfach zu einer ständigen tatsächlichen Verbesserung.
Merke:
Hältst du dich für gut, bist du es wahrscheinlich nicht.
Hältst du dich (noch) nicht für gut (genug), nicht aus Koketterie, sondern als echte begründete Kritik, weiß du wahrscheinlich gar nicht, wie gut du wirklich (schon) bist.

Der Unterschied scheint die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und Selbstkritik zu sein.
Das schlägst sich auch in einer unterschiedlichen Fehlerkultur nieder: Nur wo ich weiß, dass ich falsch liege, kann ich besser werden.
Interessante Argumenatation. Ich würde sagen, am besten eine Aufnahme vom eigenen Spiel machen und jemandem diese Aufnahme vorspielen. Das Urteil des Hörers dürfte dann sehr aufschlussreich sein.
 
Interessante Argumenatation. Ich würde sagen, am besten eine Aufnahme vom eigenen Spiel machen und jemandem diese Aufnahme vorspielen. Das Urteil des Hörers dürfte dann sehr aufschlussreich sein.
Keine Sorge, ich gehöre zur 2. Gruppe und muss oft die Fehler, welche die 1. Gruppe produziert, korrigieren. Die Fehler der Mitglieder dieser Gruppe kann man leider kaum korrigieren. Man muss sie passend auswählen/aussortieren.

Das führt dazu, dass ich um meine Fähigkeiten und Grenzen weiß. Bei Auftritten hat mich bisher noch niemand von der Bühne geholt. Im Gegenteil: Ich bekomme Angebote.

P.S.: Das kommt noch dazu: Loser können sich meistens nicht vorstellen wie es ist, etwas wirklich zu können.
 

Ja, ich glaube der Dr.Hasenbein hat das ganz gut beschrieben. Mich würde mal interessieren wie hoch der Anteil Naturwissenschaftler und Ingenieure dabei ist. Im Gegensatz zu künstlerischen Fächern wird man für Mathe oder Physik bei einer vorliegenden Begabung in der Tat in der Schule und am Anfang vom Studium am Mittelmaß und nicht an den besten gemessen. Mir fielen diese Fächer in der Schule extrem leicht und ich musste für gute Noten nicht viel tun, die anderen Fächer gingen mir eh meilenweit sonst wo vorbei und da reicht mir ein bestanden. Das Lernen, also fokussiert an etwas arbeiten, hab ich erst sehr spät gelernt und lerne es eigentlich noch. Ein Musiker, Tänzer, Künstler muss von ganz klein schon ständig an sich arbeiten und wird von Anfang an an hohen Maßstäben gemessen. Von daher passt die Theorie für mich, mit dem kleinen Unterschied, dass ich die aufgenommenen Stücke selbst Kacke fand, nur beim üben in einem nicht fokussieren flow hab ich das nicht gemerkt, das klappt aber mittlerweile auch schon besser.
 
Im Gegensatz zu künstlerischen Fächern wird man für Mathe oder Physik bei einer vorliegenden Begabung in der Tat in der Schule und am Anfang vom Studium am Mittelmaß und nicht an den besten gemessen.
Das sehe ich genau andersherum. Denn bei künstlerischen Tätigkeiten lobt das Umfeld sehr schnell: "Ganz toll", "prima", "Du bist ja begabt" usw., während in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern häufig nach Exzellenz gestrebt wird. Da werden z.B. bei schulischen Mathematik-Wettbewerben als Aufgaben sehr anspruchsvolle Problemstellungen gegeben, die bei konsequentem Fortschritt und Steigerung der Anforderungen zu Nobelpreisen führen könnten.
 
Franz hat gerade ein neues Video eingestellt, dass für @Inifee vielleicht auch hilfreich ist:



Was man nach dieser Anleitung (lange genug) geübt hat, kann man mit Sicherheit überall reproduzieren.
 
Ambitionierte Sportler wissen genau, was sie können und was nicht und neigen nicht zu Selbstbetrug. Aufschlag im Netz? Elfmeter vergeigt? Latte gerissen? Also wird geübt. Nicht zufällig sind gute Sportler oft auch in der Schule überdurchschnittlich gut und später in "Zivilberufen" erfolgreich. (Ja, es gibt natürlich die strunzdummen US-College-Sportler, oder auch Boris B.. Ausnahmen bestätigen die Regel ;-))
 
Und @Inifee - wenn du das nächste Mal Panik im Unterricht hast, dass du geübtes nicht reproduzieren kannst, denk an Maria Joao Pires, die für einen anderen Pianisten kurzfristig eingesprungen ist, aber leider missverstanden hatte, um welches Konzert es ging. Ihr Gesicht als das Orchester beginnt und sie merkt, dass sie etwas völlig anderes spielen soll. und dann diese unglaubliche Leistung aus dem Stand vor 2000 Zuschauern das Konzert aus dem Stegreif zu spielen!

 
Interessante Argumenatation. Ich würde sagen, am besten eine Aufnahme vom eigenen Spiel machen und jemandem diese Aufnahme vorspielen. Das Urteil des Hörers dürfte dann sehr aufschlussreich sein.
Es reicht doch meißt schon, sich selbst diese Aufnahme anzuhören.
Wobei mein KL immer schwer begeistert ist, wenn ich ihm ne Aufnahme schicke. ( vom iPhone oder Zoom )

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@Inifee
vielleicht machst Du Dir zuviel Druck.

- Klavier ist für mich Hobby - wie Golf . Da dürfen Fehler gemacht werden. Und auch drüber gelacht.
- bei meinem ersten öffentlichen Vorspiel dieses Jahr mußte ich von 4 Stücken zwei abbrechen. Künstlerpech.
Mein KL (Schwerpunkt seiner Lernenden: Pubertiere) freut sich schon auf meinen nächsten Auftritt - ich auch.
- Natürlich ist es toll, ein komplettes Stück sauber interpretiert zu spielen. Ja, Fehler passieren.
- ich übe an sehr unterschiedlichen Instrumenten - und als Spätanfänger 60+ im 3.Jahr kenne ich inzwischen auch Einiges: wo ein Klavier steht, spiele ich einfach. Mein Umfeld ist von meinem Klavier-Hobby begeistert und unterstützt mich.
- ich merke, dass das Klavierspiel mir mental gut tut - im Vergleich zu meinem Beruf, der stressig ist.

Achso: ich spiele vielfach ohne Noten. Brille bräuchte ich auch. Der Raum meines KL ist ziemlich dunkel.

Wenn Du zuhause gut spielst, mach davon - für Dich ! - eine Aufnahme. :) Kannst Du natürlich Deinem KL schicken.

Ich wünsche Dir viel Freude am Klavierspiel.
 

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