Jetzt wäre ich echt neugierig zu lesen, welches andere Verständnis
Es mag sein, dass das am Pädagogik-Studium liegt, aber zumindest mir wird schon anhand des Abschnitts "Kritik" im Wiki-Artikel ziemlich gut klar, welche Unterschiede da gemeint sind.
Beide Modelle (das "chinesische" und das "westliche") haben sich über Jahrhunderte entwickelt, und tragen den jeweiligen Kulturkreisen sowie ihrer Geschichte Rechnung.
Auch in Deutschland gab es lange eine Form der Erziehung, die primär auf Disziplin und Gehorsam setzte ... allerdings sind wir heute der Meinung, dass es auch der autoritäre Erziehungsstil war, der das 3. Reich erst ermöglicht hat (die Gründe sind insgesamt sehr vielfältig und komplex, aber der Erziehungsstil wird oft als ein wichtiger Faktor angeführt, da er kritisches Denken und Hinterfragen doch eher sanktioniert, als gefördert hat).
Die im Westen weit verbreitete Ablehnung eines autoritären Erziehungsstils hat historische und politische Gründe.
China (stellvertretend für einen großen teil Asiens) ist allerdings konfuzianistisch geprägt ... und die wichtigste Anforderung des Konfuzianismus an Politik und Gesellschaft ist die der von Traditionen getragenen Stabilität ("der Ritus" als oberste Aufgabe des Fürsten und seines Hofstaates).
In der chinesischen Kunst hat das dazu geführt, dass "höchste künstlerische Qualität" eben nicht in kreativen Leistungen gesehen wurde, sondern in der möglichst exakten Kopie des Stils der alten Meister.
Aus Sicht eines Pädagogen ist beides in Reinform nicht leistungsfähig ... weder das Autoritäre, noch das laissez faire, weder militärischer Drill (der im westen mit dem autoritären Stil stark verknüpft ist) noch ein "lass mal laufen, das wird schon", führt zu einer wirklich "gelungenen Erziehung".
ABER (und das ist für mich als westlich geprägten Pädagogen ein verdammt großes aber):
Es wurde über Erziehung auch schon gesagt, dass aus unseren Kindern nicht etwas wird, "WEIL" wir sie erziehen, sondern eher "obwohl".
Ein Stück weit können wir die Tigermutter also beneiden, weil se sich einfach total sicher ist, dass ihre Töchter nur dank ihrer Erziehung sich so entwickelt haben, wie sie es bisher taten ... aber was da wirklich dran ist, wird die Tigermutter leider nicht mehr erleben ... denn solange sie da ist, wird sie eben weiter die Tigermutter geben, und ihre Töchter werden entweder komplett mit ihr brechen, oder bis zu ihrem Tode weiterhin alles tun, um ihre Mutter zufrieden zu stellen. Selbst wenn sie kreuzunglücklich sind, werden sie das nicht zur Schau stellen (die dazu nötige Disziplin wurde ihnen ein Leben lang eingeimpft), denn sowas tun chinesische Kinder ihren Eltern einfach nicht an (man kann das für Respekt vor den Eltern halten ... oder für eine art Stockholm-Syndrom).
Was letztlich besser ist, kann ich nicht bewerten.
Auch der antiautoritäre Stil ist ja viel in der Kritik und wird daher nicht (mehr) von besonders vielen Eltern verfolgt.
Was wir heute zuzmindest in Deutschland erleben, ist doch eher die Delegation von Erziehung an Institutionen des Bildungswesens.
Ich bin mir unsicher, woher das kommt, gehe aber von drei möglichen Gründen aus.
1. Unsicherheit, wie Erziehung funktionieren könnte. Auch dank der seit Ewigkeiten geführten kritischen Debatte darüber, wie Erziehung gelingen kann (das läuft schon seit Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Preußen). Diese Debatte hat sowohl den antiautoritären Stil der 68er hervorgebracht, als auch die "Reformpädagogen" und leider eben auch die Nazipädagogik.
2. Keine Lust, sich der unangenehmen Aufgabe zu stellen, auch mal "nein" zu seinem Kind sagen zu müssen (Erziehung MUSS Grenzen aufzeigen ... und Erzieher sind eben KEINE Freunde).
3. Schlicht und ergreifend zu wenig Zeit (ob nun objektiv oder lediglich subjektiv, spielt keine Rolle) ... Doppelerwerbstätigkeit ist einfach nicht leicht mit Kindererziehung unter einen Hut zu bringen.