Hi rolf,
Ist das denn wirklich so?
Spielen Berufsmusiker das Regentropfenprelude, den ersten Satz der Mondscheinsonate, die unverwüstliche Elise und andere beliebte Stücke schneller als Hobbyspieler?
Nein!
Langsame, ruhige bis moderate Sachen sowie alles, was im leichten bis mittleren manuellen Bereich angesiedelt ist, spielt kein Profi schneller als die meisten Hobbyspieler.
Sei Dir da mal nicht so sicher. Nicht selten erlebe ich, daß Profis einfach zu schnell durch eher langsame Stücke oder Passagen gehen. Amateure zeigen da gar nicht so selten einen viel besseren - gefühlsmäßigen - Zugang zur Klaviermusik.
=> das Tempogejammer (buhu, der Profi rast das) gibt es in diesem Bereich offenbar nicht.
Die Technik kommt aus der Musik, und ohne Technik gibt es keine keine gute Musik... das sind die Wahrheiten... wie schnell irgendetwas gespielt werden muß (und es gibt mit Sicherheit viele Sachen, die einfach schnell sein
müssen um gut zu klingen), entscheidet der Charakter des Stückes selbst.
Das müsste nicht sein, wenn man sich der Sache zielorientiert und vernünftig nähern würde (...) Denn es nützt absolut nichts, lange Zeit langsam mit langsamen Bewegungen zu spielen
Diesen Unsinn hat hier auch wirklich niemand behauptet, rolf.
und das wird durch peu a peu Tickdings strichweise schneller stellen nicht besser.
Das wird durch fachgerechtes Metronomüben nicht nur besser, sondern man kommt damit bravourös durch die Ziellinie. Wenn man es richtig und mit Verstand macht, natürlich. Habe ich schon -zigfach bei virtuosen Sachen praktiziert.
was zu tun wäre:
a) begreifen, was da klanglich und bzgl. Anschlag im Originaltempo passiert:
- die r.H. spielt pp non legato (!) und huscht über die Tasten*)
- die l.H. spielt ihr Tremolo ohne (!) Betonungen
b) einzeln proben
- r.H. muss einen geschickten Fingersatz finden und mit lockerem (!) Handgelenk spielen, die Finger dicht an den Tasten, jede 4-Achtelgruppe ist ein kleiner Schwung im Handgelenk
- l.H. betonungslose, aber gleichmäßige pp tremoli
=> beides in verschiedenen, auch hohen Tempi probieren
==> Fermate auf jeder Halben, aber die drei Achtel in die nächste Fermate hineinrasen - "Stationen-Übung"
c) mit beiden Händen
- Stationen-Übung zum synchronisieren beider Hände
- die komplette Stelle in verschiedenen Tempi
...allerdings: man sollte auch auf diese Weise üben wollen.
Mit dem letzten Satz hast Du recht. Und ich sag' Dir ganz offen, ich will's nicht. Denn wozu von hinten durch die Brust in's Auge, wenn es hundertmal schneller, einfacher - und besser - geht...
Was zweifelhafte Tipps wie "auf Unterarm-Rollbewegungen bei den Tremoli achten" bei Schuberto bewirkt haben, konnte man eindrucksvoll sehen bzw. hören. Er stülpt dem Körper künstlich eine Bewegungsfolge auf, mit der Folge, daß die Tremoli viel zu hart und zu laut wurden. Und hätte ich da nicht steuernd eingegriffen, wäre das Dilettantentum bei Schubertos Arbeiten an der Pathetique vielleicht jetzt schon akustisch-technisch zementiert gewesen. Zum Glück war eine Korrektur noch möglich.
Ich zähle Dir jetzt einmal die Nachteile Deiner Übeweise auf:
1) es ist kompliziert.
2) es ist herzlich wenig musikalisch und macht keinen Spaß. Erinnert mich mehr an Arbeiten, denn an Musizieren.
3) Du mußt getrennt geübte Hände bzw. Stückchen von Passagen erst noch "zusammenbauen". Das kostet lernmotorisch im Gehirn viel Zeit und Aufwand. Besser alles zusammen gleich mit beiden Händen in geringer Geschwindigkeit anfangen zu üben. Dann hast Du das
alles von Anfang an schon gleich mit drin.
4) Ein klanglich wirklich gutes Ergebnis dieser ganzen Sache ist unsicher (!!!!)
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Worauf man beim guten Metronomüben von Anfang an achten muß, ist:
a) der Klang (viiiiiel wichtiger, als die konkreten Bewegungen des Spielapparates, denn wie Du weißt, sind Bewegung und erzeugter Klang untrennbar miteinander verbunden. Ich muß keine Bewegungen "vorgeben" - ich muß hören, welchen
Klang ich bei meinem Spiel mit meinen Bewegungen erzeuge, und mich
danach ausrichten).
b) die Entspanntheit/Unverkrampftheit
Bei gutem Metronomüben holt man sich genau da ab, wo man gerade steht, und fängt mit dieser Ausgansposition an. D.h. bei einer Übegeschwindigkeit, wo ich eine Passage klanglich gut, ohne besondere Verkrampfungen und in einer bestimmten Geschwindigkeit flüssig durchspielen kann. Bei den sehr schweren Sachen, die ich mir erabeitet habe, lag diese Geschwindigkeit teilweise bei der
Hälfte der Zielgeschwindigkeit (!). Es ist also manchmal ein langer, weiter Weg, das mit dem Klavierspielen.
Noch etwas:
peu a peu Tickdings strichweise schneller stellen
Das macht heute niemand, der das Metronom zur Geschwindigkeitssteigerung nutzt!
Mechanische Metronome sind vollkommen out. Sie sind unerträglich laut, viel zu ungenau einstellbar, man muß sie ständig aufziehen, und sie halten nicht wirklich irgendeine Geschwindigkeit.
Ich weiß, welcher unvermeidliche Einwand Deinerseits jetzt kommt:
Buhuhuu, aber das Tickedings lernt dem Körper keine einzige notwendige oder sinnvolle Bewegungsfolge (und derlei gibt es viele, je nach technischer Anforderung).
Das ist richtig, aber der Körper lernt das von selbst, wenn man ihn nicht überfordert. Das hat etwas damit zu tun, daß der Körper komplexe, oft benutzte Bewegungsfolgen lernmotorisch optimieren kann. Nur das ist der Grund, warum wir flüssig sprechen können, und beim gehen nicht ständig wie Zombies eckig herumtaumeln.
Gib' dem Körper durch nicht zu schnelle Geschwindigkeitssteigerung und häufige Wiederholung die Gelegenheit dazu, und er wird am Ende von ganz alleine diese sinnvollen Bewegungsmuster ausführen beim Klavierspiel. Und nicht nur ausführen, sondern auch:
beherrschen.
Kleiner Exkurs...
Viele Grüße
Dreiklang