Alfred Brendel feiert 80. Geburtstag

N'Abend chiarina!

Entschuldige bitte, daß ich mich erst jetzt melde - ich hab
momentan ne Menge um die Ohrn.



Ja - die auch.
Aber bereits beim ersten Mal kannst Du das, was Du beschreibst
finden. Und noch Einiges mehr:

Den Weiser - die Straße - das Unverrückte - das Müssen - das Zurück - das Gehen - den Keinen

All das und noch viel mehr findet sich in der Konstruktion dieses Liedes.

Und bei dieser fürchterlichen Beschreibung, bei der nicht das Geringste von der ungeheuren Wirkung dieser Stelle wiedergegeben wird, merkt man, wie schrecklich Analysen sein können.

Die ungeheure Wirkung erwächst aus dem Zusammenspiel all dieser
Komponenten - eine Aufgabe der Analyse wäre, Worte dafür zu finden.



Herzliche Grüße

stephan
 
Ja - die auch.
Aber bereits beim ersten Mal kannst Du das, was Du beschreibst
finden. Und noch Einiges mehr:

Den Weiser - die Straße - das Unverrückte - das Müssen - das Zurück - das Gehen - den Keinen

All das und noch viel mehr findet sich in der Konstruktion dieses Liedes.



Ja, das ist sehr wahr. Und nicht nur in diesem Lied......! Und wie die ganze Reise dann unausweichlich in den Leiermann mündet, finde ich unbeschreiblich. Die Klangwelt des Leiermann ist für mich eines der größten Wunder der Musik.

Was Realisierung und Interpretation angeht, muss der Notentext ja an die Eigenschaften des Instruments, das ihn umsetzt, angepasst werden ( s.Rolfs Beispiel mit den Akkorden). Das meinst du, denke ich, Gomez, oder?

Aber eins ist für mich zur gelungenen Realisierung absolut notwendig: das Erleben des Interpreten. Und da das Erleben wohl bei jedem etwas anders aussieht, gibt es eben verschiedene Interpretationen, die eine mögliche Form der Realisierung darstellen. Oder nicht?

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: Hab noch was vergessen: lieber Stephan, welche Aufnahme der Sonaten Schuberts (späte?) findest du am besten?
 
Hmmmmmmmm

P.S.: Hab noch was vergessen: lieber Stephan, welche Aufnahme der Sonaten Schuberts (späte?) findest du am besten?

Ein Kapitel für sich sind die Aufnahmen Clara Haskils - allerdings
nur in Form der altmodischen Schallplatten; auf CD ist alles kaputt.
Erdmann, Horowitz, Fleisher.

Ich denke allerdings, daß man, um einen Zugang zu den Klaviersonaten
zu bekommen, zunächst und/oder parallel Schuberts Lieder, Streichquartette,
Symphonien, und Tänze studieren sollte.
Schuberts Sonaten sind die meist mißverstandne Musik, die ich kenne.
Die Aufnahmen der Symphonien mit Günther Wand mag ich sehr.

Viele Grüße

stephan
 
Ich denke allerdings, daß man, um einen Zugang zu den Klaviersonaten
zu bekommen, zunächst und/oder parallel Schuberts Lieder, Streichquartette,
Symphonien, und Tänze studieren sollte.
Schuberts Sonaten sind die meist mißverstandne Musik, die ich kenne.
Die Aufnahmen der Symphonien mit Günther Wand mag ich sehr.

Hallo pppetc,

sich mit der Klangwelt eines Komponisten zu befassen, dessen Klaviersachen man im Auge hat, ist natürlich völlig richtig. Die Symphonien, Lieder und Streichquartette (inkluse des von mir bewunderten Streichquintetts und anderer Kammermusikwerke) kenne ich, die Tänze nur zum Teil (da gibt es ein wunderbarer cis-Moll Menuett, selbstredend die Valses nobles D969 - übrigens gibt es eine russische Schallplatte, auf der Heinrich Neuhaus eine Auswahl aus den Tänzen spielt: hinreissend!!!)
Schuberts Sonaten die meist mißverstandene Musik? Das verstehe ich noch nicht: freilich gibt es langweilige Aufnahmen, na schön, sowas kommt vor - mißraten kann immer was. Aber ich glaube, Du meinst ein tiefer gehendes, grundlegendes Mißverstehen - wenn ich das richtig verstanden habe, worin besteht es?

herzliche Grüße,
Rolf
 
Ich denke allerdings, daß man, um einen Zugang zu den Klaviersonaten
zu bekommen, zunächst und/oder parallel Schuberts Lieder, Streichquartette,
Symphonien, und Tänze studieren sollte.
Schuberts Sonaten sind die meist mißverstandne Musik, die ich kenne.
Die Aufnahmen der Symphonien mit Günther Wand mag ich sehr.

Viele Grüße

stephan

Aber ich glaube, Du meinst ein tiefer gehendes, grundlegendes Mißverstehen - wenn ich das richtig verstanden habe, worin besteht es?

herzliche Grüße,
Rolf


Das ist doch eine interessante Frage. Merkwürdigerweise empfinde ich es genauso wie Stephan, dass Schuberts Sonaten die am meisten missverstandene Musik sind. Begründen kann ich es herzlich wenig. Vermutlich liegt es daran, dass ich selbst mich nicht ran traue und auch so wenig Aufnahmen kenne, die mir dahingehend ein wenig mehr Zuversicht geben könnten ...... .

Sich mit den Symphonien zu befassen, ist eine gute Idee, denn sonderlich gut kenne ich die nicht.

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: Schon wieder was vergessen: vielleicht sollte man, wenn man die Sonaten spielt, Unterricht bei einem Sänger nehmen, der sich mit Schubert-Liedern auskennt. Was Sänger nämlich in einer Phrase für verschiedene Klangschattierungen kennen, gerade bei Schubert - da kommt kein anderes Instrument mit.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Aber eins ist für mich zur gelungenen Realisierung absolut notwendig: das Erleben des Interpreten. Und da das Erleben wohl bei jedem etwas anders aussieht, gibt es eben verschiedene Interpretationen, die eine mögliche Form der Realisierung darstellen. Oder nicht?

Dahin zielte auch mein Kommentar. Wenn es also keine alleinig-korrekte Realisierung gibt - und das kann es, wie Stephan ja bestätigte, natürlich gar nicht - nach welchem Maßstab wird dann beurteilt, ob eine Interpretation nun
... "dem Notentext etwas an" (gültigen? ungültigen? zulässigen? unzulässigen?) "Intentionen hinzufügt" (Gomez, s. #17)
... ein "Alibi" ist für "nicht erlangtes technisches Vermögen, welches aus korrumpiertem Wunsch, Sehnsucht und Verständnis entsteht" (pppetc, s. #101, #110),
... oder (echtes? nachvollziehbares?) "Erleben" des Interpreten ist (chiarina, s. #125)
... oder gar eine draufgetünchte Fassade zum Entertainment der Consumer ist? (mein Empfinden, wenn ich einige Interpreten höre und sehe)

Ciao,
Mark
 
Dahin zielte auch mein Kommentar. Wenn es also keine alleinig-korrekte Realisierung gibt - und das kann es, wie Stephan ja bestätigte, natürlich gar nicht - nach welchem Maßstab wird dann beurteilt, ob eine Interpretation nun
... "dem Notentext etwas an" (gültigen? ungültigen? zulässigen? unzulässigen?) "Intentionen hinzufügt" (Gomez, s. #17)
... ein "Alibi" ist für "nicht erlangtes technisches Vermögen, welches aus korrumpiertem Wunsch, Sehnsucht und Verständnis entsteht" (pppetc, s. #101, #110),
... oder (echtes? nachvollziehbares?) "Erleben" des Interpreten ist (chiarina, s. #125)
... oder gar eine draufgetünchte Fassade zum Entertainment der Consumer ist? (mein Empfinden, wenn ich einige Interpreten höre und sehe)

Ciao,
Mark


Lieber klimperer,

interessant! Vielleicht hat es etwas damit zu tun, ob der Interpret sich selbst in den Vordergrund stellt. Wenn man also dem Erleben der gerade gespielten Musik etwas hinzufügt, was eigentlich der Intention der Musik zuwider läuft. Und zwar aus einem bestimmten eigennützigen Zweck heraus, z.B. wenn das eigene Können, die eigene Virtuosität damit dargestellt werden soll und die Musik somit nur ein Mittel ist, eigene Ziele zu verfolgen.

Ich glaube, dass das Publikum ein feines Gespür dafür hat, ob eine Musik zweckentfremdet wird ( andere hier mögen anderer Meinung sein :p ). Aber oft fehlt dann etwas, nämlich Tiefe, und das spürt das Publikum. Hoffentlich! :p

Liebe Grüße

chiarina
 
Hallo Gomez de Riquet,

dein Postulat, der Notentext solle einfach "realisiert" und nicht interpretiert werden, hat für mich den Beigeschmack von "Denk nicht drüber nach, spiels einfach".


Und das wundert mich! Muss nicht jeder Musiker versuchen kompositorische Vorgänge nachzuvollziehen? Brendel kommt in D.960 offenbar zu der Auffassung, dass die von Schubert eigens komponierten Überleitungstakte zur Wiederholung der Exposition (samt Wiederholung) wegzulassen sind.
Glaubst du, dass eine solche Entscheidung - egal welche Überlegungen dahinter stehen - immer frevelhaft sind?

In früherer Zeit war es, soweit ich das weiß, üblich noch weit radikaler in die Werkstruktur einzugreifen. Bei Busonis oder Hans von Bülows Notenausgaben findet man entsprechendes.

Kann es nicht sein, dass wir heute manchmal zu viel Respekt vor dem Notentext haben?

lg marcus
Mit Deiner Aussage zuviel Repekt vor dem Notentext,triffst Du genau den Nagel auf den Kopf , Bravo ! ich habe einige Aufnahmen hier angehoert zumteil wirklich sehr gute, aber auch Kommentare dazu die mich nachdenklich machen. Ich werde mich demnaechst diesem Thema widmen. Wohnst Du in Fulda ? war dort nicht die Grenze zum Uebertritt in die Ostzone dort wurde man dann gefilzt, ein Ausdruck von meinem Vater der aus dem Kreis Ilmenau stammt.Bei der Rueckfahrt hatte ich eine kleine Katze von meiner Verwandschaft geschenkt bekommen, diese hatte es in ein kleines Kaestchen eingepackt ohne das mein Vater etwas wusste, dies gab ein Theater an der Grenze, vergesse ich nie.
Ich wuensche viel Freude am Klavierspielen, ich meine ich haette von Dir auch schon was gehoert oder mehreres ,muss nochmals nachschauen auf jeden Fall dies was ich meine, war alles sehr sensible mit elegantem Still gespielt, sicher muss noch daran gearbeitet werden aber es ist mir sehr positiv aufgefallen :lol:

Cordialement
Destenay
 
Kann es nicht sein, dass wir heute manchmal zu viel Respekt vor dem Notentext haben?

Jetzt verratet mir doch bitte mal, auf welcher Grundlage Ihr
Eurer interpretatorischen Arbeit nachgeht: Der Notentext ist es also nicht?

Oder nur ein Teil davon - was einem so in den Kram paßt.
Den Rest ergänzt Ihr Euch aussem hohlen Bauch heraus?

Über Intentionen des Komponisten nachzusinnen -
das ist langweilige Pedanterie, oder was?

__________________________________

"Charakter ist nur Eigensinn,
es lebe die Zigeunerin."

Paul Scheerbart
 
Jetzt verratet mir doch bitte mal, auf welcher Grundlage Ihr
Eurer interpretatorischen Arbeit nachgeht: Der Notentext ist es also nicht?

Oder nur ein Teil davon - was einem so in den Kram paßt.
Den Rest ergänzt Ihr Euch aussem hohlen Bauch heraus?

Über Intentionen des Komponisten nachzusinnen -
das ist langweilige Pedanterie, oder was?
[...]
Warum so gereizt? Das sieht dir gar nicht ähnlich.

Der Beitrag, den du zitierst, enthält schließlich auch diese Passage:

Zitat von .marcus.:
Muss nicht jeder Musiker versuchen kompositorische Vorgänge nachzuvollziehen?

Ich kann darin keine Missachtung des Notentextes sehen, im Gegenteil.

Dein Einwand ist insofern berechtigt, als dass ich diesen Gedanken (zu viel Respekt vor dem Notentext) noch nicht ganz fassen kann. Er befindet sich sozusagen im Entwicklungsstadium.

lg marcus
 

'n Abend, Marcus!

Ich bin überhaupt nicht gereizt.
Ich wollte den Laden nur ein bischen aufmischen.

Besser gesagt: Mit den Angaben zu Dynamik, Tempomodifikationen, Agogik,
könnte sich ein Komponist ja etwas gedacht haben.

Ich würd's jedenfalls nicht sofort ausschließen.

Gruß, Gomez

_________________________

"Mein Puls hat seine gewöhnlichen sechzig."

Georg Büchner ("Woyzeck")
 
Jetzt verratet mir doch bitte mal, auf welcher Grundlage Ihr
Eurer interpretatorischen Arbeit nachgeht: Der Notentext ist es also nicht?

Oder nur ein Teil davon - was einem so in den Kram paßt.
Den Rest ergänzt Ihr Euch aussem hohlen Bauch heraus?

Über Intentionen des Komponisten nachzusinnen -
das ist langweilige Pedanterie, oder was?
Du kennst wahrscheinlich viel mehr Beispiele als ich für vom Interpreten vorgenommene Veränderungen.
Ich weiß, dass es eine Aufnahme der Appassionata von Rubinstein gibt, in der er im Finale das Presto nicht piano, wie Beethoven vorschreibt, sondern gleich forte beginnt.
Man könnte sicher zahllose Beispiele für ähnliche Fälle sammeln.

Wie soll man diese Eingriffe nun beurteilen? Ich möchte sie nicht pauschal verurteilen (ich glaube, du auch nicht?), denn wichtig ist doch nur das Ergebnis.

Schumann hatte zu einem ähnlichen Sachverhalt, der Bearbeitung fremder Kompositionen folgendes geäußert:
Zitat von Schumann:
Liszt hat verändert und zugetan; wie er es gemacht, zeugt von der gewaltigen Art seines Spiels, seiner Auffassung: andere werden wieder anders meinen. Es läuft auf die alte Frage hinaus, ob sich der darstellende Künstler über den schaffenden stellen, ob er dessen Werke nach Willkür für sich umgestalten dürfe. Die Antwort ist leicht: einen Läppischen lachen wir aus, wenn er es schlecht macht, einem Geistreichen gestatten wir's, wenn er den Sinn des Originals nicht etwa geradezu zerstört.
(Es geht um Liszts Bearbeitung von Schubert-Liedern)

Dass der Notentext unantastbar sein soll, das mag ich nicht so recht glauben. Was ist mit den Fällen, wo der Komponist eigene Werke spielt und sich selbst nicht an seine eigenen Eintragungen hält? Spielt er da womöglich falsch?

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: der Notentext ist und bleibt wichtigste Erkenntnisquelle. Die intensive Auseinandersetzung ist sehr wichtig.

lg marcus
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich weiß, dass es eine Aufnahme der Appassionata von Rubinstein gibt, in der er im Finale das Presto nicht piano, wie Beethoven vorschreibt, sondern gleich forte beginnt.

...schreibt Beethoven da nicht fortissimo und sf für den Beginn der Presto-Coda vor? ;) Die beiden Akkordschläge, mit denen das Presto beginnt, waren schon immer vehement - danach erst folgt der infernalische stacc.-piano Stampftanz. Du meinst sicher, dass die Achtelakkorde auch forte gespielt erscheinen: das kann am nachträglichen Aussteuern liegen - aber es kommt wohl auch vor, dass dort im Elan des furiosen Finales die Kräfte überschäumen :)
 

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...schreibt Beethoven da nicht fortissimo und sf für den Beginn der Presto-Coda vor? ;) Die beiden Akkordschläge, mit denen das Presto beginnt, waren schon immer vehement - danach erst folgt der infernalische stacc.-piano Stampftanz. Du meinst sicher, dass die Achtelakkorde auch forte gespielt erscheinen: das kann am nachträglichen Aussteuern liegen - aber es kommt wohl auch vor, dass dort im Elan des furiosen Finales die Kräfte überschäumen :)
ganz genau, das meine ich. Ich hätte nochmal in den Noten nachschlagen sollen.

Wenn die Kräfte an dieser Stelle "überschäumen" dann ist das ja höchst erfreulich, denn man hat einige sehr knifflige Seiten hinter sich bringen müssen, um im Finale anzukommen :D Wenn dann noch große Reserven bleiben, wunderbar!

lg marcus
 
...ich hatte ja mitgeteilt, dass und warum mir das Ges-Dur Impromptu von Horowitz gespielt mehr gefällt... ;) Starrer Akademismus kann jederzeit in Langeweile umschlagen.
Rolf
Endlich habe ich es gefunden, ich sitze hier mit einer Pianistin aus der Ukraine :confused sie spricht sehr gut Deutsch wir lesen die Diskussionen mit dem blaubluetiegen Aristokraten und Markus, dann fanden wir Deine Aussage und wir fuehlten uns wie an einem Rettungsring. Wo ist hier die Musik das Herz die Seele Ausruf der Pianisten :confused: ich sage lieber nichts, dies wird ja hier alles setziert, vor allem von dem Blaublueter.
Markus uns wuerde es sehr interesierren wie gehst Du vor? bevor Du dich entschliesst eine Komposition einzuspielen, was ist der Grund , wenn Du z.B.
eine Sonate von Beethoven einspielst, ich hoffe Du verstehst mich

Merci beaucoup
 
Schumann hatte zu einem ähnlichen Sachverhalt,
der Bearbeitung fremder Kompositionen folgendes geäußert:

Zitat von Schumann
Liszt hat verändert und zugetan; wie er es gemacht, zeugt von der gewaltigen Art seines Spiels, seiner Auffassung: andere werden wieder anders meinen. Es läuft auf die alte Frage hinaus, ob sich der darstellende Künstler über den schaffenden stellen, ob er dessen Werke nach Willkür für sich umgestalten dürfe. Die Antwort ist leicht: Einen Läppischen lachen wir aus, wenn er es schlecht macht, einem Geistreichen gestatten wir's, wenn er den Sinn des Originals nicht etwa geradezu zerstört.

Hi, Marcus!

Deine Fragen und das Schumann-Zitat gefallen mir.

So langsam pirschen wir uns an die eigentliche Frage heran,
und ich versuche, mich dem Thema systematisch zu nähern.

Anders als die Arbeiten aus den Geschwisterdisziplinen Literatur
und Bildende Kunst ist Musik auf ihre Realisierung angewiesen.
Auch wenn ein Betrachter sich in Einzelheiten vertieft - das Bild steht komplett vor ihm.
Auch wenn der Roman nur kapitelweise gelesen wird - er ist komplett vorhanden.
Der Notentext ist zwar ebenfalls komplett vorhanden - aber ist die Musik mit ihm identisch?

Die Verschriftlichung von Literatur bzw. Musik war eigentlich ein Notbehelf,
aufgekommen durch die Notwendigkeit, die zuerst mündlich tradierten Texte
vor dem Vergessenwerden bzw. vor der Entstellung zu bewahren.
Die Möglichkeit der Verschriftlichung hatte den Verfall mündlicher Überlieferung beschleunigt,
gleichzeitig aber die Komplexion dessen gesteigert, was schriftlich fixiert werden kann.
Beispiel: Der einstimmige Gregorianische Choralgesang hatte sich in in ungezählten
regionalen Varianten entwickelt, ehe er durch Neumen kodifiziert und normiert wurde.
Aber für die früheste Form der Mehrstimmigkeit im abendländischen Kunstgesang, das Organum,
war die Koordinierung der musikalischen Ereignisse ohne Notation schon nicht mehr denkbar.

Was die Notationspraxis betrifft, so läßt sich eine Zunahme an Genauigkeit konstatieren.
Bei größeren Besetzungen (vokal, instrumental, beides) ist das kein Wunder.
Auffällig ist die zunehmende Genauigkeit in der Notation solistischer Instrumentalmusik.
Sie geht einher mit der Trennung zwischen Komponist und Interpret,
darüberhinaus dem Beginn der Repertoirepflege, die Komponisten überhaupt erst
auf die Idee kommen ließ, der Nachwelt ihren musikalischen letzten Willen zu vermitteln.
Dem/den Ausführenden wurden also immer mehr Freiheiten entzogen.
Komponisten der frühen Moderne entwickeln eine ausgeprägte Allergie gegenüber Interpretation,
gipfelnd in Strawinskys kühler Bemerkung, man solle seine Musik nicht interpretieren, sondern
spielen, und in Bartoks Manie, für jedes seiner Stücke die sekundengenaue Spieldauer anzugeben.

Aber der Wunsch nach größtmöglicher Exaktheit der Wiedergabe
(der mit größtmöglicher Genauigkeit der Notation einhergeht) bleibt eine Chimäre.

Was ist mit den Fällen, wo der Komponist eigene Werke spielt
und sich selbst nicht an seine eigenen Eintragungen hält?

Aussagekräftig ist dieser Einwand leider nicht. Wir hatten das Thema
an anderer Stelle schon einmal - ich weiß nicht mehr, wo - besprochen:
Wenn Komponisten beim Interpretieren eigener Werke stümpern -
bedeuten ihnen die eigenen Vortragsbezeichnungen nichts -
oder sind sie ihrer Musik einfach spieltechnisch nicht gewachsen?

Aussagekräftig sind gravierende Diskrepanzen in der Realisation eines Musikstücks,
die gleichermaßen plausibel sind: z.B. Auffallend große Unterschiede in der Spieldauer,
die nicht weiter irritieren, solange Spannnungsbögen richtig herausgearbeitet worden sind
(--> Schumann-Zitat).

Mein Eindruck: Es gibt Musik, die sich gegen (fast) jede interpretatorische Willkür durchsetzt,
Bachs Musik zum Beispiel, deren Affekte in der Konstruktivität aufgespeichert sind
und sich auch bei unzulänglicher Wiedergabe immer noch mitteilen -
und es gibt Musik, Satie oder Schubert, bei der jede einzelne Note so empfindlich ist
(bei Schubert zum Beispiel die Mittelstimmen, über die sich seine Musik erschließt),
daß ihre Nichtbeachtung das Werk ruiniert und den Interpreten bloßstellt.

Herzlos, wie ich bin (das hat Destenay richtig erkannt), lese ich bestimmte Musik
und habe dabei einen größeren Gewinn, als sie in unbefriedigenden Interpretationen
hören zu müssen - so wie ich Dramen lieber lese, als sie in schlechten Inszenierungen zu sehen.
Es bleibt dabei: Wer in die Musik zusätzliche Intentionen hineinlegt, hat sie nicht verstanden
und versucht, die Verständnislücken durch etwas Musikfremdes zu kompensieren.

Herzliche Grüße,

Gomez
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Bonsoir,

Excuse moi, es ist sehr interessant zu lesen was Du schreibst dies ist aber eine reine subjektive Meinung es gibt oder gab sehr viele Pianisten die wahrscheinlich mit Dir nicht einig sind z.B Joerg Bolet, Wilhem Kaempf dieser gab Meisterkurse in Italien . Er sagte immer den jungen Pianisten ihr muesst euere eigene Interpretation finden, ich werde niemals einen von euch versuchen etwas aufzudraengen. Jeder versteht ein Werk anders und dies macht die grossen Pianisten.Schauen Sie die Schumann Interpretation von Kempf an und vergleichen Sie dies mit anderen Pianisten , dass sind Welten, Ihre Aussage ist doch nicht mehr standhaft. Kennen Sie die franzoesische Schule ? sie wiederspricht dem was Sie sagen, beobachten Sie mal zB. den Franzosen David Fray der auch Kempf sehr verehrt .Mieczyslaw Horszowski geb.ca. 1892 ich habe ihn als Kind kennengelernt in Zermatt mit Paplo Casals und vielen anderen , ich habe viel von ihm gelehrnt. Ich kann mich noch sehr gut erinnern als ob es heute war, er gab sein letztes Konzert mit ca. 100 JAHREN in Luzern es fand vor diesem Konzert ein mehr taegiger Meisterkurs im Hotel statt, ich habe ihm dabei zusammen mit seiner Frau geholfen. Es waren zwei Pianisten die wahren aehnlich wie Sie die wollten Horszowski mit Musikwissenschaftlichen Erkenntnissen belehren, ich glaube es ging um Scarlatti, er hatte sie angeschaut und rief meine Herren sie sind hier am falschen Platz sie toeten mit ihrem Gerede die Musik, gehen sie bitte sie habe den falschen Beruf gewaehlt.Ich zaehle Pianisten auf wie Ivo Pogorelich kennen Sie seine Interpretation der letzten Beethoven Sonate, ich habe Sie von ihm gehoert er war um die 20 jahre alt diese wirklich eigenartige Interptretation hatte ihn wie ein Komet in den Himmel geschossen. Ein Teil der Kritiger haben genau gleich wie Sie reagiert.Ich koennte Ihnen Seiten von beruehmten meistens verstorbenen Pianisten schreiben die Ihrer These wiedersprechen . Edwin Fischer , Emil Gilels , Horrowitz, Clara Haskil, Myra Hess, Claudio Arrau usw usw, mit Arthur Rubinstein haetten Sie grosse Probleme gehabt, ebenfalls mit dem Dirigent Leonard Bernstein , Herbert von Karajan der haette Sie verstanden mit diesem haetten sie gut Freund werden koennen.Ich habe alle ausser Myra Hess und Clara Haskil persoehnlich gekannt und mich ,mit diesen sehr ausseinander gesetzt. Ein Ausdruck von Arthur Rubinstein war " junge Menschen sollen den Alten zuhoeren ".
Zum Schluss , ein Auszug aus einem Gespraech mir Maurizio Pollini " Fuer mich muessen in einer Auffuehrung beide Dinge zusammenkommen, eine klare VISION als Bassis der Interpretation und ein IMPROVISATORISCHER Moment. DAS EINE wiederspricht dem ANDEREN nicht, denke ich. "

Cordialement :):)
Destenay
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Edwin Fischer (...) Ich habe alle ausser Myra Hess und Clara Haskil persoehnlich gekannt
saperlot - ich fürchte, Du verbrauchst weniger Buchstaben (und damit Zeit zum tippen), wenn Du aufzählst, wen Du nicht kanntest. Als Edwin Fischer starb (24.01.1960), war ich noch lange nicht auf der Welt.

@Gomez:
waren Strawinski und Villa-Lobos nicht mit dem Interpreten Artur Rubinstein recht gut befreundet?
 
Es waren zwei Pianisten, die wahren aehnlich wie Sie, die wollten Horszowski
mit musikwissenschaftlichen Erkenntnissen belehren, ich glaube es ging um Scarlatti,
er hatte sie angeschaut und rief: Meine Herren, sie sind hier am falschen Platz,
sie toeten mit ihrem Gerede die Musik, gehen sie bitte, sie habe den falschen Beruf gewaehlt.

Bonjour, Destenay!

Und wenn Du die gesamte Pianistenphalanx des 20.Jahrhunderts
als Belastungszeugen anführst - trifft mich nicht,
denn ich bin kein Musikwissenschaftler.

Cordialement,

Gomez

@Gomez:
waren Strawinski und Villa-Lobos nicht mit dem Interpreten Artur Rubinstein recht gut befreundet?

@Rolf:

Strawinsky war mit Arthur Rubinstein gut befreundet.
Mit dem Interpreten Arthur Rubinstein hat er sich permanent gefetzt.
 

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