Barratt
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Diesem Imperativ zu gehorchen, sich ihm zu unterwerfen, das bedeutet, ihm alle Antriebe unterzuordnen, die nicht in diesem Sinne vernünftig und damit nach Kant überhaupt freiheitsfähig sind - die aber dennoch genauso Teil unserer selbst sind. Das "Andere der Vernunft" (Böhme) eben. Und von dieser Seite aus betrachtet mag die Sache mit der Freiheit und Freiwilligkeit dann doch auch ganz anders aussehen.
Es ist ein Irrtum zu glauben, es werde irgendetwas "vorgeschrieben" oder gar "alles moralisiert". Das wäre eine wirklich unzulässige Reduktion, ein profundes Missverständnis!
"Kritik" der Vernunft heißt "kritisch hinterfragen", was Vernunft überhaupt ist und wozu sie fähig ist und wozu nicht. Das ist eine philosophiehistorische Replik auf die Strömung des philosophischen Rationalismus (eine skeptische Replik!)
Hinsichtlich der Ethik wird alles Inhaltliche ("Gottes Wille", Tradition etc.) verworfen und auf eine Formel eingedampft (bzw. mehrere, der kategorische Imperativ hat ja mehrere Formeln). Die meisten Handlungen sind in moralischer Hinsicht irrelevant, sie unterliegen meistens technischen Anforderungen (ich will eine Tasse Kaffee trinken, also ...) oder selbstgesetzten Zielen der Persönlichkeitsentwicklung (ich will Klavierspielen können, also ..., ich will geliebt werden, also... ). "Vernünftig" ist daran bloß, dass man weiß bzw. ahnt, was man tun muss, um sein Ziel zu erreichen. Ob es dazu überhaupt der Vernunft bedarf? Nicht unbedingt. Verstand reicht meistens.
Es gibt auch nirgendwo einen Zwang oder eine Drohung, man müsse sich der Vernunft unterwerfen. Das wäre doch gaga. Es gibt kein Druckmittel, keine Höllenstrafe bei Zuwiderhandlung, noch nicht mal eine Belohnung bei Befolgung. Alles Dir überlassen, alles freiwillig, Dein ganz privates Lebens- und Handlungskonzept. Nur: Jetzt haben manche Lebewesen im Laufe der Evolution die Fähigkeit der Vernunft "bekommen" ("entwickelt") – wäre doch doof, wenn man sie nicht richtig nutzen würde, oder?
Kant lieferte ein System zur unbestechlichen ANALYSE des eigenen Denkens, Urteilens, Handelns. Ein m. E. unerreicht klares und umfassendes System. Ob man sich darauf einlässt bzw. wie man hernach mit dem Ergebnis dieser Analyse umgeht, ist jedem selbst überlassen. Das ist ein Denkmodell und definitiv alles andere als eine religiöse Sekte.
Hinsichtlich der Ethik wird alles Inhaltliche ("Gottes Wille", Tradition etc.) verworfen und auf eine Formel eingedampft (bzw. mehrere, der kategorische Imperativ hat ja mehrere Formeln). Die meisten Handlungen sind in moralischer Hinsicht irrelevant, sie unterliegen meistens technischen Anforderungen (ich will eine Tasse Kaffee trinken, also ...) oder selbstgesetzten Zielen der Persönlichkeitsentwicklung (ich will Klavierspielen können, also ..., ich will geliebt werden, also... ). "Vernünftig" ist daran bloß, dass man weiß bzw. ahnt, was man tun muss, um sein Ziel zu erreichen. Ob es dazu überhaupt der Vernunft bedarf? Nicht unbedingt. Verstand reicht meistens.
Es gibt auch nirgendwo einen Zwang oder eine Drohung, man müsse sich der Vernunft unterwerfen. Das wäre doch gaga. Es gibt kein Druckmittel, keine Höllenstrafe bei Zuwiderhandlung, noch nicht mal eine Belohnung bei Befolgung. Alles Dir überlassen, alles freiwillig, Dein ganz privates Lebens- und Handlungskonzept. Nur: Jetzt haben manche Lebewesen im Laufe der Evolution die Fähigkeit der Vernunft "bekommen" ("entwickelt") – wäre doch doof, wenn man sie nicht richtig nutzen würde, oder?
Kant lieferte ein System zur unbestechlichen ANALYSE des eigenen Denkens, Urteilens, Handelns. Ein m. E. unerreicht klares und umfassendes System. Ob man sich darauf einlässt bzw. wie man hernach mit dem Ergebnis dieser Analyse umgeht, ist jedem selbst überlassen. Das ist ein Denkmodell und definitiv alles andere als eine religiöse Sekte.
Für "Erziehung" ist das Denkmodell insofern relevant, als – da erzielen wir alle hoffentlich Einigkeit – Kinder nicht als vernünftige Wesen zur Welt kommen.
Uneinigkeit dürfte bestehen,
- ob "Vernunft" ohne Zutun irgendwann vom Himmel fällt (oder wenigstens peu-à-peu tropft) und
- ob andere Triebkräfte (grosso modo: Wohlsein anstreben, Un-Wohlsein vermeiden) ohne weiteres Zutun von einer abstrakten inneren Instanz gebändigt werden können oder nur durch äußeren Zwang (Strafandrohung, Strafe)
- ob bzw. warum "Vernunft" überhaupt wichtig ist.
Wer einen freien Rechtsstaat behalten will, muss sich freiwillig Regeln unterwerfen, und genau das muss gelernt werden. = Meine Überzeugung.
P.S. Du nahmst Anstoß an dem "Selbstzwang". Der Begriff ist hier breitenverständlich gewählt. Man fühlt eigentlich den natürlichen Antrieb, seine Trägheit/Unabhängigkeit auszuagieren, muss sich bis zur etablierten Einsicht "selbst zwingen", ja. Vielleicht sogar lebenslang. Hier wird der unreife Mensch tatsächlich (mindestens) zweigeteilt vorgestellt. Wie bereits erwähnt, ging die aufklärerische Pädagogik davon aus, dass die Vernunft nicht vom Himmel fällt und auch nicht aufgrund ihrer theoretischen Existenz als bloßes Vermögen bereits wirkfähig ist. Erst kommt der (physische) Zwang, dann der (psychische) Selbstzwang, dann die Freiheit. Die Abstufung in solche Entwicklungsschritte ist typisch. Wie gesagt, darüber muss man nicht einer Meinung sein, es ist nur eine Beschreibung dessen was gedacht wurde. Auf dem Gebiet der Anthropologie hat Kant sich zu seinem Glück nur selten verirrt. Die anthropologischen Schriften sind seine schwächsten und mit Fug und Recht zumindest teilweise als "ja nu, äh, 18. Jh. halt, ne" zu kategorisieren.
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