Diese Beurteilung der meisten asiatischen Pianisten teile ich.
Die kommen zwar nach Europa, um hier zu studieren; aber sie sitzen dann sowieso die ganze Zeit nur in der Übezelle und kriegen von der Kultur hier kaum was mit. Und wenn der Professor sagt, sie müßten sich einen individuellen Zugang zur Interpretation verschaffen, gucken die nur groß (jedenfalls die Chinesen, Japaner sind da etwas anders), weil sie gar nicht verstehen, was "Individualität" überhaupt sein soll, und sagen: "Ja, und nun sagen Sie mir bitte, was ich machen soll, lieber Herr Professor!"
Das sind reine Lernmaschinen mit super Imitationstalent und super Fleiß.
Ich will gern glauben, dass Du nicht einfach Klischees weitergebt, sondern eben solche Erfahrungen gemacht hast, Hasenbein. Ich möchte das trotzdem nicht ganz unkommentiert stehen lassen, denn meine Erfahrung sieht anders aus. Ist nicht als "Angriff" gemeint, nur als anderer Blickwinkel...
Mich fasziniert die Begeisterung für westliche klassische Musik (und nicht selten Kultur im allgemeinen), die sich in Teilen Asiens immer weiter verbreitet (und die ich oft schon von Person zu Person erleben konnte), sehr. Wenn nur bei uns die Offenheit für Einflüsse von aussen ähnlich gross wäre! Ein Zitat aus einem Artikel über Yuja Wang:
China’s disruptive Cultural Revolution barely casts a shadow any longer on the teaching and performance of Western classical music there.
But 22-year-old pianist Yuja Wang still remembers the stories she heard as a child about the forcible deprivation of opportunities in her homeland to study and practice the music during the late ’60s.
“They went 10 years without any Western music,” said Wang, during a phone interview from her home in New York City. “They wanted to play and wanted to love music, but they weren’t allowed to. People would come in and break the pianos, and there were lots of stories of suicide.”
The effect may have been to motivate younger Chinese musicians once hostility to Western culture receded.
Natürlich gibt es dort auch reine "Lernmaschinen" mit super Imitationstalent und super Fleiss. Aber ich habe in 10 Uni-Jahren so viele deutsche "Lernmaschinen" (im Sinne von wenig eigenständigem Denken) kennengelernt, denen aber noch dazu oft genug der Fleiss gefehlt hat....
Übrigens, wenn man mal genug Asiaten kennt, wird einem sofort klar, dass die individuellen Unterschiede dort noch viel grösser sind, so dass man noch eher einen europäischen Stereotyp-Charakter erfinden könnte, der von Irland bis Russland, von Griechenland bis Skandinavien repräsentativ sein soll......
Haochen Zhang, Nobuyuki Tsujii, Sa Chen, Di Wu, Claire Huangchi, Yuma Osaki...um nur mal ein paar zufällige junge Pianisten zu nennen, denen ich begeistert zugehört habe. Keine Individualität? Die Liste liesse sich locker endlos erweitern.
Und auch unter Amateurpianisten habe ich so viele begeisterte, wunderbar musikalisch spielende, humorvolle und schlagfertige Asiaten kennengelernt, dass ich solche sich hartnäckig haltenden Stereotypen nicht nachvollziehen kann.
Ich denke, dass es unkreative Leute und kreative Leute überall gibt, und dass das Klischee Asiaten=Lernmaschinen sich nur deshalb verbreiten konnte, weil die unkreativen unter den Asiaten oft fleissiger sind als die unkreativen unter z.B. den Deutschen. Daraus zu schliessen, dass es von dort weniger kreativ denkende Musiker gibt, macht m.E. keinen Sinn. Mal abwarten, wenn es so weiter geht, werden in 50 Jahren vielleicht mehr Europäer nach Asien zum Klavierstudium gehen als umgekehrt... ;)
Zum Abschluss noch was von einem chinesischen Altmeister....
http://www.youtube.com/watch?v=EXPdGKMYu4U
P.S. Wem Fuo Ts'ong zu wenig individualistisch ist, wird vielleicht Gefallen an diesem Herrn hier finden
http://www.youtube.com/watch?v=-LIw8ykSmGU