Üblicherweise verbinde ich mit Religion Begriffe wie 'transzendent' und 'heilig'. Ontologische Materialisten würden die Frage nach diesen beiden verneinen, ebenso wie die Frage nach dem Sinn der Existenz des Individuums oder des Universums. Wenn das - also die Ablehnung - schon religiös sein soll, bin ich Millionär, siehe oben.
Gerade der Materialist zeigt aber doch, dass Menschen offenbar nicht umhin können, ein Letztes anzunehmen. Für den Materialisten ist eben die Materie das Unbedingte, sein „Gott“. Gerade der Materialist beantwortet die Frage nach dem Unbedingten also sehr explizit, nur eben ganz anders als der Christ.
Kühne apodiktische Setzungen, die in ihrer Generalisierung unzulässig sind... Da wäre eine Präzisierung wünschenswert.
Es mag aufgrund der Kürze der Eindruck kühner „Setzungen“ entstehen, ich bin aber der Überzeugung, dass sich die religiöse Natur des Menschen in zahlreichen Detailanalysen auch in der Psychologie genau aufweisen ließe. Zudem bin ich aufgrund von Selbstbeobachtungen und Beobachtungen meiner Mitmenschen der Überzeugung, dass dem Menschen tatsächlich ein „Hunger nach dem Absoluten“ innewohnt, dass die Menschen, wie es Berdjajew ausgedrückt hat, „unheilbar religiös“ sind – auch dann noch, wenn sie dies leugnen oder bestreiten. „Vereinnahmung“, mögen manche sagen – doch ist es Vereinnahmung, wenn ich einfach feststelle, was der Fall ist?
"Undenkbar" ist so ein wuchtiges Wort, dass es mich realiter überrascht, es in diesem Kontext zu lesen. Ich bin daher vorsichtig mit der Behauptung, dass der Widerspruch zwischen den beiden Zitaten "undenkbar" sei, ich nenne ihn lediglich "augenscheinlich inkohärent" und bin gespannt auf eine Erläuterung.
Das ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Ich bin in der Tat der Überzeugung, dass sich wirksame religiöse Symbole nicht „aus dem Stegreif“ erfinden lassen, sondern dass sie immer von Traditionen vorgegeben werden. Wichtig ist aus meiner Sicht im Christentum, dass der „gebrochene“ Charakter der Symbole erkennbar bleibt, dass sie also Wegweiser sind, aber nicht selbst zu Götzen erhoben werden.
Andererseits besteht natürlich die Möglichkeit, unzählige verschiedene Götzen anzubeten. Hier ist in der Tat ein Moment des „Privaten“ und des Beliebigen vorhanden. Genauer formuliert hätte die Frage also lauten müssen: „Was mache ich zu meinem Götzen?“ Der christliche Gott ist kein Götze, sondern ein Symbol für das Unbedingte. Womit wir beim nächsten Punkt wären.
Mir scheint, als sei Dein Unbedingtes das (vorläufige) Ende einer aufsteigenden Kausalitätskette, die im diachronen Vergleich nur früher oder später, mehr oder weniger schlüssig/nachvollziehbar endet. Hältst Du es für "denkbar", dass die postulierte Kausalität selbst in diesem (durchaus populären) Konstrukt nicht einer hinreichenden Kritik unterzogen wird?
Nein, wenn ich vom „Unbedingten“ spreche, meine ich nicht das Ende oder den Anfang einer Kausalkette. Ich meine vielmehr den Grund oder Abgrund, der alle Kausalitätsketten fundiert. Alle Kausalitätsketten sind Teil der Welt. Ich meine aber nicht einen Teil der Welt, sondern das Unbedingte als
Weltgrund. Nichts Zeitliches, sondern etwas Ewiges. Vielleicht kann man nur in Negationen, in Symbolen und Metaphern davon sprechen.