Wie ohne gutes Klavier und mit wenig Zeit möglichst "im Thema bleiben"?

  • Ersteller des Themas ad lib.
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Zu viele Wohnsitze mit Premium-Flügeln und ein mal eben angeschafftes High End Digi als Zwischendurch-Ersatz empfindet man als derartige Zumutung, dass man völlig entmutigt nach 15 Minuten vom Musik machen ablässt. Man kloppft sich traurig auf die Schulter "viel mehr als Fingerübungen ist auf Digis sowieso nicht sinnvoll" Aha.
Wenn das das Fundament der Story ist, dann klingt das nach echten First World Problems, und dort auch nur im Premiumbereich.

Wenn es um den zeitlichen Aspekt geht, zumindest den kann ich nachvollziehen. Ich habe als Student teils 5 mal die Woche 1,5h-3h Stunden Kampfsport trainiert und dann später konnte ich wegen Umzug/Familie im nur noch 2 mal die Woche max. 1h. Ich konnte damit nicht mal mein Niveau halten und hab alsbald die Lust verloren. Aber daran waren die Trainigsräume nicht Schuld.

Ich sage nicht, dass irgendwer oder irgendwas "schuld" sei. Meine Lebensumstände und Prioritäten haben sich nun mal verändert und ich habe das nach langem Kampf akzeptiert und das Klavier "auf die Wartebank" gesetzt. Ich hoffe, dass ich es da irgendwann wieder auflesen kann und ich es bis dahin nicht aus den Augen verliere, wir vielleicht sogar gelegentlich ein paar nette Stunden miteinander verbringen können - wie "in alten Zeiten".

Und ja, das sind natürlich gewissermaßen "first world problems". Ich bin davon ausgegangen, dass auch solche hier ihre Berechtigung haben könnten. Theoretisch sind viele Fragen hier ähnlich einzuordnen, sofern der Fragesteller nicht seinen Lebensunterhalt mit dem Klavierspiel verdient...
 
Hallo, ich kann aus eigener Erfahrung beisteuern: Variationenwerke sind in der Situation eine gute Sache - nicht nur der bereits genannte Beethoven. Da gibt es viel Schönes zu entdecken. Leichtere Stücke zu spielen ist auch eine Option. Für mich ist auch lohnend: Werke wieder aufgreifen, die vor langer Zeit schon einmal auf gutem Niveau waren. Da ist noch erstaunlich viel im Gedächtnis. Gleichzeitig ist aber spannend, wie sich die eigene musikalische Vorstellung im Laufe der Zeit verändert hat und was das für die Interpretation des eigentlich bekannten Stückes bedeutet. Daran lässt sich auch in kleinen Häppchen ganz ordentlich arbeiten. Und wenn es bei dir so ist, dass du 2-4x die Woche ans Instrument kommst: Da geht doch was! LG Dilettantja
 
Es gibt hier ettliche, die teilweise über Jahrzehnte das Klavier nicht mehr angefasst haben und die dennoch relativ problemlos ihren ganz persöhnlichen Wiedereinstieg gemacht haben - mich eingeschlossen.

Das ist nichts Ungewöhnliches und das sollte Deine Zweifel ausräumen.

Ich spielte lieber fünf Jahre lag garnicht, als ständig ein kiloschweres Digi mit mir herumzuschleppen.

Was Hänschen gelernt hat, verlernt Hans nimmermehr - meine eigene Erfahrung.

CW
 
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die tägliche Übe-Routine, den Nachhall mit den unzähligen Obertönen, den starken Resonanzkörper...
...die "unzähligen Obertöne" - - sind die verantwortlich dafür, dass irgendwer Musik versteht und darstellen/spielen kann oder dass irgendwer spieltechnische Probleme löst? ...oder ist das nur eine tiefsinnige Empfindung suggerieren sollende Worthülse?...

Wenn du temporär (paar Jahre) keine Gelegenheit hast, an einem halbwegs brauchbaren Instrument ab und zu üben zu können, dann werden deine spieltechnischen Fähigkeiten samt Reaktionsvermögen rasch wegschmelzen. Wenn du vor einer solchen Pause tatsächlich Klavier spielen gelernt haben solltest*), dann wird die Pause fast keine Rolle spielen**)

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*) darunter ist ein musikalisches und spieltechnisches Niveau zu verstehen, das salopp gesagt sämtliche 24 Chopinetüden konzertreif enthält (und nicht nur die...)
**) das betrifft dann nur die Ausdauer, nicht das Können
 
Ich denke, ich kann dich beruhigen. Prof. Altenmüller zufolge werden automatische Bewegungsabläufe in den Basalganglien gespeichert. Dies ist ein alter Gehirnteil, daher sehr konservativ, was einmal drin ist, bleibt drinnen. Das bedeutet, was du mal gelernt hast, verlernst du grundsätzlich nie mehr. Lies mal in diesem Thread: Richtiges Üben - Vortrag von Prof. Dr. Eckart Altenmüller

Wenn du eh mehrmals in der Woche zum Klavierspielen kommst, sehe ich kein großes Problem, du kannst auch mental üben (siehe Altenmüller).

Ich habe 35 Jahre lang nichts gespielt, das Niveau, das ich vor der Spielpause hatte (war aber nicht besonders hoch), habe ich nach relativ kurzer Zeit (~ 1 Jahr) regelmäßigen Übens wieder erreicht.
 
Ich finde im Gegenteil, eine Beschleunigung wäre angebracht - aber in den richtigen Bereichen.
Meine Lebensumstände und Prioritäten haben sich nun mal verändert und ich habe das nach langem Kampf akzeptiert und das Klavier "auf die Wartebank" gesetzt. Ich hoffe, dass ich es da irgendwann wieder auflesen kann und ich es bis dahin nicht aus den Augen verliere

Deine derzeitige Lebensphase gilt der Karrierevorbereitung im weitesten Sinn. Das ist jetzt wichtiger, und Du weißt es - allein schon, um später über genügend Geld zu verfügen, Dir auch wieder ein schönes (oder noch schöneres ;-)) Instrument zu kaufen.

Nebenher "dranbleiben"? Ist eine Typfrage. Ich bin zum Beispiel mehr der "Ganz-oder-gar-nicht-Typ". Vor dem Hintergrund dessen, was ich über Deine aktuelle Situation weiß, könnte ich mir allenfalls vorstellen:
- mich mit mit Akribie ("ganz") überschaubaren Stücken zu widmen. Es gibt doch so viele hübsche Kleinodien, die man mehr oder weniger vom Blatt runterspielt, ein bisschen ausfeilt ... um sich dann das nächste vorzunehmen. Ganz überschaubare Ziele, viel Abwechslung, Mut zur Lücke. Einfach nur, um nicht gänzlich aus der Routine zu kommen.
- Vielleicht gelingt es Dir ja sogar, ein anspruchsvolles Stück warmzuhalten, das Dir besonders am Herzen liegt.
- Wenn Du am klangschönen Blüthner bist, könntest Du mit Kadenzen experimentieren und zu improvisieren beginnen - letzteres kommt leider notorisch zu kurz.

Ansonsten ist es normal für Hobbyspieler, dass das zeit- und konzentrationsaufwändige Hobby gerade in der Lebensphase wie der Deinigen vorübergehend in den Hintergrund tritt. Viele pausieren total. Mach Dir kein schlechtes Gewissen, sondern tu das, was aktuell nötig ist, von ganzem Herzen - man wird nur gut, wenn man etwas von ganzem Herzen tut. Irgendwann kommen ruhigere Zeiten.

Ich denke, ich kann dich beruhigen. Prof. Altenmüller zufolge werden automatische Bewegungsabläufe in den Basalganglien gespeichert. Dies ist ein alter Gehirnteil, daher sehr konservativ, was einmal drin ist, bleibt drinnen. Das bedeutet, was du mal gelernt hast, verlernst du grundsätzlich nie mehr. Lies mal in diesem Thread: Richtiges Üben - Vortrag von Prof. Dr. Eckart Altenmüller[...]
Ich habe 35 Jahre lang nichts gespielt, das Niveau, das ich vor der Spielpause hatte (war aber nicht besonders hoch), habe ich nach relativ kurzer Zeit (~ 1 Jahr) regelmäßigen Übens wieder erreicht.

Diese Erfahrung teile ich. Fürchte nicht, allzu viel zu verlieren, zumal wenn Du immer ein bisschen "dranbleibst". Vertrau Deinen Basalganglien und Deinem Kleinhirn. ;-)Ich glaube sogar, dass es mehr oder weniger egal ist, wie lange das Pausenintervall tatsächlich ist. Ob 5, 15 oder 35 Jahre - die Routine, die Schnelligkeit o.ä. gehen sowieso verloren, wenn man NICHTS tut. Sie kommen aber definitiv wieder, wenn man sie aus dem Winterschlaf holt. Du planst nur eine Ruhephase. Alles gut. :kuscheln:
 
Zu viele Wohnsitze mit Premium-Flügeln und ein mal eben angeschafftes High End Digi als Zwischendurch-Ersatz empfindet man als derartige Zumutung, dass man völlig entmutigt nach 15 Minuten vom Musik machen ablässt. Man kloppft sich traurig auf die Schulter "viel mehr als Fingerübungen ist auf Digis sowieso nicht sinnvoll" Aha.
Wenn das das Fundament der Story ist, dann klingt das nach echten First World Problems, und dort auch nur im Premiumbereich.
...naja, es ist doch so, wenn man ein als gut oder sogar sehr gut empfundenes akustisches Instrument gewohnt ist (egal ob Fazioli-Flügel oder solides Kawai-Klavier) dann macht Digi auf Dauer einfach keinen Spaß. Jedenfalls ist das meine Erfahrung! Aber wenn es anders nicht geht wie bei ad lib., dann muss man eben in den sauren Apfel beißen und die Ansprüche etwas runterschrauben. Oder man lässt es erstmal ganz, entspannt sich und vertraut darauf, das auch wieder bessere Zeiten kommen und man dann schon wieder irgendwie auf das alte Niveau zurückfinden kann.

Es gibt Leute, die statten ihre diversen Wohnsitze jeweils mit teuren Fitnessgerätschaften aus, um trotz unsteten Lebenswandels bloß kein Gramm Muskelmasse einzubüßen. Mann muss sich keinen Avant-Grand in die Drittwohnung stellen um den Anspruch zu unterhalten "menschenwürdig" üben zu können. Es geht um Trainingsgerät, mit dem man die Fingerfertigkeit einigermaßen in Form halten kann. Und das lässt sich doch ziemlich einfach und für relativ kleines Geld realisieren. Ständer, Pedal, einfaches Stage-Piano (64 Tasten reichen für pragmatisches Üben) oder Masterkeyboard (einen Laptop mit Pianosoftware hat man als reisendes Arbeitstier ja auch immer dabei), Notenständer, Kopfhörer... Fertig! Dann kann man sich einfach dransetzen und loslegen, wenn man nach Wochen mal wieder in der Viertwohnung aufschlägt. Das klingt jetzt schon ziemlich versnobt, ich weiß, aber wenn der Beruf im Vordergrund steht, ist meist auch das Kleingeld da, und man muss eben abwägen wie wichtig es einem ist so oft wie möglich die Finger auf egal was für Tasten zu haben.

Es geht nicht darum, dass ich grundsätzlich gar keine Zeit zum Klavierspielen oder gar kein Instrument mehr zur Verfügung hätte. Aber wie oben erwähnt, ist nicht mehr täglich der Raum zum Üben da (sowohl wegen verbrauchter zeitlicher als auch geistiger Kapazitäten). Bevor ich die ganze Zeit Kompromisse machen muss (zB ein Stück anfangen, dann wieder tagelang kein Üben, dann wieder Üben, dann wieder Pause usw...Folge: ständige Stagnation und Frust), spiele ich lieber nicht mehr aktiv oder nur noch "überschaubare Werke", übe vom Blatt etc...oder beschäftige mich eben sonst an den ausgewählten Tagen irgendwie mit Klavier auf eine Weise, die kein konstantes Üben erfordert.
tja, Kompromisse wirst Du schon machen müssen... Der Luxus täglich 2 Stunden ungestörter Übezeit an einem hochwertigen Instrument dürfte Menschen in der "Rush-Hour des Lebens" (Arbeit, Familie, Mobilität...) wohl so gut wie nie vergönnt sein. Man kann darüber jammern oder kreativ nach Nischenlösungen suchen. Und wer sucht, der findet....
 
Wenn das Üben o. Klavierspielen bei Dir @ad lib. während Karriereaufbaus zurückgelegt werden muss, kann ich Dir nur sagen, dass sich die Lebensumstände nicht verbessern, sondern eher verschlechtern könnten. Kommt zwar auf den Beruf an, aber meistens ist das so.

Ich finde auch meiner Empfindung nach sehr wenig Zeit zum Üben aufgrund der Verpflichtungen wie der Arbeit, Familie, Fortbildungen, Urlaub usw.

Wenn man eine Familie hat, kann man eben kaum sagen, "ich will daheim bleiben und üben.", wenn es beispielsweise zu Schwiegereltern gefahren werden muss, man am Wochenende Besuch kriegt, sich um die Kinder kümmern oder was auch immer tun muss. Es passiert immer etwas und kommt was dazwischen, wo man dazu keine Gelegenheit findet.

Und wenn du Zeit hast, dann bist du müde oder es ist Sonntag.

Mit schlechteren Instrumenten lässt's sich doch üben. Muss ich mit der Familie wegfahren? Dann nehm ich mein billiges MIDI-Keyboard mit 61 Tasten mit und übe sogut es geht daran, mit iPad angeschlossen.

Ist die Chefin noch nicht aufgewacht und ich hab Lust aufs Spielen oder Üben? Geht doch am Digi.

Bin ich viel unterwegs, weil mir die Arbeit über den Kopf wächst, dann kann man doch während der Fahrt 4-5 Triller oder was weiß ich, z.B. Alberti-Bässe am Bein üben. :-D

Es ist ne Geschmackssache, wenn man meint, dass es nur am hochqualitativen akustischen Instrument üben kann. Wenn es der Fall ist, muss man aufs Üben verzichten, was ich nicht tun würde.

Alles eine Sache des Willens.
 
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Ich möchte mich einfach weiterhin mit dem Klavierspiel und der Musik beschäftigen - egal, auf welche Weise! :-)

Da weiß ich etwas: gehe in einen (möglichst guten) Chor. Das habe ich auch vor über 30 Jahren getan, als ich von zu Hause ausgezogen war und kein Klavier mehr in meine kleine Wohnung stellen konnte, aber keine Zeit mehr hatte.

Im Chor singen ist eine wunderbare Beschäftigung (erst Recht, wenn man noch nie in einem Chor gesungen hat!) und bringt nicht nur Freude an der Musik, sondern auch Lebensinhalt und Freunde. Und vielleicht auch mehr... ich habe meine heutige Frau im Chor kennengelernt und vielen Freunde aus der Chorzeit sind immer noch meine engsten Freunde.

Ich habe dadurch aber auch über 25 Jahre kein Klavier gespielt (was ich anschließend durchaus bereut habe), aber ich habe vor über 6 Jahren wieder angefangen (heute habe ich jede Zeit der Welt) und siehe da, ich kann inzwischen besser spielen als damals, als ich aufgehört habe. Man kommt relativ schnell wieder rein, auch wenn man es zunächst nicht so recht glauben mag.

Im Chor singen ist dennoch eine wunderschöne eigene Musikwelt, die ich JEDEM nur nahelegen kann.
 
Nochmal ganz explizit:

- ich WEISS, dass ich "Abstriche" machen muss und bin dazu bereit bzw. habe mich ja bewusst dazu entschieden. Das ist ja Anlass für meine Frage gewesen. :)
- es geht mir NICHT darum, hier Wege zu finden, doch mehr spielen zu können (irgendwie ein Instrument mitzunehmen, mehr Zeit zusammen zu klauben, ...) und auch nicht darum, zu jammern. Der Entschluss, mit dem ernsthaften Klavierspiel vorübergehend zu pausieren, ist gefallen.

Es geht mir darum, Alternativen für diese Zeit zu finden. Es waren viele hilfreiche Vorschläge dabei und ich denke, ich werde die Zeit schon überstehen. Ich habe ja auch nach wie vor die Möglichkeit, Musik durch Konzertbesuche, intensive Gespräche darüber und rare, aber wertvolle Stunden am Instrument (...) zu erleben; außerdem habe ich hier ein paar weitere Anregungen erhalten.

Vielen Dank! :-)

@Barratt - haha, ja, diese "Alles-oder-Nichts"-Mentalität habe ich, wie Du wohl weißt, auch. Und realistisch betrachtet geht dann in Sachen "richtiges Klavierspiel" momentan eben nichts. Das mit den Kadenzen, mit dem Improvisieren und eventuell auch mit dem Arbeiten an ausgewählten Variationen oder kurzen Werken werde ich mal probieren.
 
Es geht mir darum, Alternativen für diese Zeit zu finden.
Man kann prima ohne Instrument drin bleiben - nimm dir Bachs erstes Praeludium und Chopins c-Moll Prelude. Spiel die nicht, aber in ruhigen Pausen oder Leerzeiten denk sie durch: mal das Praeludium in E-Dur durchdenken, mal das Prelude in Es-Moll durchdenken (also gedanklich transponieren! harmonische Verläufe und Tastengriffe imaginieren, "innerlich sehen und hören")
Ab und zu mal an irgendeiner Tastenkiste ausprobieren.

Wenn du nach 6 Monaten das Praeludium ad hoc in Fis-Dur oder As-Dur durchspielen kannst, dann weisst du, dass du 1. nichts wesentliches vergessen hast und 2. dass du ein paar wirkliche Grundlagen hast --- funktioniert das nicht, dann ist das auch kein Weltuntergang, sondern zeigt nur retrospektiv, dass musikalisch und instrumental halt nicht sonderlich viele Grundlagen vorhanden waren.
 


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