Wer übt kann nix

  • Ersteller des Themas altermann
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Angenommen es liegt nur an der (qualitativ hochwertigen) Gesamtübungszeit und nicht am Alter des Übenden, dann wäre nach der Regel auch für den erwachsenen Amateur ein sehr hohes Niveau erreichbar: Bei einer Stunde pro Tag sind es gut 27 Jahre bis zum Erreichen der 10000. Stunde. ;-)
Deshalb habe ich diese Zahl ja relativiert. Näheres könnten uns dazu Personen erzählen, die sich für eine andere berufliche Laufbahn entschieden haben, obwohl beispielsweise ein Musikstudium in Frage gekommen wäre. Davon gibt es einige, die auch in diesem Forum mitschreiben. Diese müssen ihre von nachhaltigem künstlerischen Interesse geprägten Aktivitäten besonders klug und geschickt organisieren, da sie ja einem anders gearteten Broterwerb nachgehen.

LG von Rheinkultur
 
Mein alter Klavierlehrer hat einmal zitiert (wen, weiß ich nicht, war es Backhaus?):
"Wer übt, hat´s nötig"!
Ich halte mich immer noch dran!

Walter
 
Weiter unten hier im Forum gibt es ein Video von Zlata Chochieva, die eine Truppe Interessierter darüber aufklärt, wie man Chopin Etüden spielt.
Nebenbei spielt sie mal locker ein paar Etüden an, als wäre es das Einfachste von der Welt.

Auf die Frage, wieviel sie übt, antwortet sie: "Ich übe nicht".

Das Beste ist die Pause danach, keiner hat mehr Fragen, die Menge grübelt.

Nach einiger Verwirrung greift ein Teilnehmer das Thema noch mal auf.
Da relativiert sie ihre Aussage: Sie macht einfach wundervolle Musik.

Ich denke der Punkt ist, dass man zuallererst die Vorstellungskraft braucht, wie ein Stück klingen soll.
Der Körper und all seine Muskeln passen sich an-das ist ein sensomotorischer Vorgang, der es dem Pianisten ermöglicht, die bestmögliche Bewegung zu finden, um den bestmöglichen Klang zu bekommen.
Es geht also darum, Musik zu machen, und wenn sie noch nicht gelingt, weil zu schwer, dann spielt man langsamer.

Auch Rubinstein sagte, dass man nie mehr als drei Stunden "üben" soll, da sonst die Gefahr besteht, dass man nicht mehr konzentriert ist und mechanisch spielt.


Fälschlicherweise glauben viele, wenn sie nur lang genug am Klavier sitzen und drauf einhämmern, dann würde das ihr Spiel verbessern-man muss sich quälen, stumpf seine Übungen machen, je mehr, je quälender, um so besser ;-)
Und das nennt man dann im Zweifelsfall "üben".

Ist weit verbreitet, auch unter Profis.
 
Es ist halt auch die Frage, wie man Üben definiert. Wer sein Instrument nicht anpackt und nur gelegentlich etwas vorspielt, der kann es von mir aus so ausdrücken, dass er nicht (mehr) übt. Aber für mich ist jede Beschäftigung am Instrument auch üben, selbst wenn sie unkonzentriert, ineffizient, ohne die Absicht, sein Spiel zu verbessern erfolgen mag und ohne Beschäftigung mit neuen Werken oder musikalischen Inhalten, Theorie oder Improvisation erfolgen sollte und nur in der Wiederholung bereits erlernter Stücke besteht; im letzten Fall handelt es sich dann eben um das Üben von Repertoire-Werken.

Selbst Vomblattspiel oder visuelles Erarbeiten von Notentexten stellt für mich üben dar. Und auch häufiges Vorspiel, wie es ein Barpianist von mir aus täglich praktiziert, oder häufiges Proben oder Auftreten im Ensemble kann man auch gleichzeitig als Üben betrachten.

Zu behaupten "ich übe nicht" wäre sonst für mich ähnlich, als wenn ein Marathonläufer sagt "ich trainiere nicht" und ggf. relativiert "ich laufe halt gern durch wundervolle Natur".

Allerdings unterscheide ich für mich selbst auch Üben im engeren Sinn und just for fun irgendetwas spielen oder vorspielen, was aber wie oben beschrieben ab einem gewissen Umfang auch Üben im weiteren Sinne ist, ohne das auch die spielerischen Fähigkeiten weniger ausgeprägt wären, als wenn man es nicht praktiziert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Allerdings unterscheide ich für mich selbst auch Üben im engeren Sinn und just for fun irgendetwas spielen oder vorspielen, was aber wie oben beschrieben ab einem gewissen Umfang auch Üben im weiteren Sinne ist, ohne das auch die spielerischen Fähigkeiten weniger ausgeprägt wären, als wenn man es nicht praktiziert.
Wenn man diesen Vorgang einfach als "Spielpraxis" bezeichnet, ist damit jede Zweckbestimmung abgedeckt. Das ist wie im steuerrechtlichen Sinne bei Berufsmusikern: Wenn das Finanzamt Aufwendungen eines Berufsmusikers für Anschaffung und Wartung seines Instruments anerkennt, wird es nicht unterscheiden zwischen berufsbezogenem und privatem Musizieren - weil eine solche Trennung objektiv unmöglich ist. Selbst bei subjektiv gänzlich absichtslosem Musizieren stellen sich Trainingseffekte ein, da stets die gleichen Muskelpartien benutzt werden.

LG von Rheinkultur
 
Wenn man diesen Vorgang einfach als "Spielpraxis" bezeichnet, ist damit jede Zweckbestimmung abgedeckt. Das ist wie im steuerrechtlichen Sinne bei Berufsmusikern: Wenn das Finanzamt Aufwendungen eines Berufsmusikers für Anschaffung und Wartung seines Instruments anerkennt, wird es nicht unterscheiden zwischen berufsbezogenem und privatem Musizieren - weil eine solche Trennung objektiv unmöglich ist. Selbst bei subjektiv gänzlich absichtslosem Musizieren stellen sich Trainingseffekte ein, da stets die gleichen Muskelpartien benutzt werden.

LG von Rheinkultur

Man könnte die steuerliche Beurteilung im Prinzip schlicht aufgrund der Rechtslage auch losgelöst vom Finanzamt darstellen, denn womöglich macht der/die BearbeiterIn ja einen Fehler oder am Ende entscheidet das Finanzgericht oder ein höheres Gericht anders. Ein Musiker nutzt ein Instrument ja wahrscheinlich ganz überwiegend beruflich. Ja selbst, wenn er während seiner privaten Geburtstagsfeier musiziert, geht er je nach Betrachtungsweise womöglich tatsächlich seiner "Berufung" nach. Demnach würde sich meistens eine Trennung auch erübrigen.

Außerdem kommt es bei der Steuererklärung und der Würdigung durch das Finanzamt ja auch darauf an, wie genau und ehrlich die Nutzung eines Instruments dargestellt wird. Wenn ein Lehrer für das Schulfach Musik die Abschreibung seines Flügels mit reinnimmt, aber versehentlich nicht erwähnt, dass seine pianistisch ambitionierte Gattin pro Tag etwa zwei Stunden darauf übt, wie es hier ja durchaus auch bei Hobbypianisten vorkommt, und damit die Nutzung durch den Lehrer noch übersteigt, sagt einem das Rechtsbewusstsein, dass dem Lehrer zumindest die volle Abschreibung nicht zustehen sollte; und in diesem Fall wäre zur Diskussion, was recht ist, nicht relevant, wie das Finanzamt entscheidet, sondern wie Verständige des Steuerrechts diesen bestimmten Sachverhalt beurteilen.

Aber zurück zum Thema: neben der Frage, was den doch noch als "Üben" ausgelegt werden könnte, möchte derjenige, der nach seiner Darbietung auf Nachfrage antwortet "Ich übe nicht (mehr)" meistens nur angeben, wie @Rheinkultur schon treffend dargestellt hat.

LG
Bassplayer
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Bassplayer (spielst Du wirklich Bass?E-Bass? Kontrabass?) Rheinkultur, und alle anderen,

wenn man all seine Eitelkeiten ablegt und nicht versucht, nach Aussen etwas darzustellen, dann kommt man an den Kern der Sache.
Üben ist ok, auch als Begriff.
Spielen ist auch ok. Aber spielen vor Publikum ist eben das, was einen wirklich extrem weiter bringt.
Insofern: Ja! Spielpraxis IST üben, und zwar das noch bessere üben-weil jeder Ton wichtig ist-gehört-wird!
So wenig wie möglich unbewusst , fahrig tun-das bringt weiter.

Das "üben" ist unbeobachtet-wichtige Zeit-mit der großen Gefahr, drin hängen zu bleiben, unkonzentriert herumzuklimpern.

und noch ein Spruch von einem großen Meister, Schumann: "Klimpere nie"

Ich weiss klingt lächerlich-aber ich glaube ich weiss was er damit sagen will.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi @sweetchocolate,
ich habe zwar viele Jahre E(lektrische) Bass(-Gitarre) gespielt und eine Zeit lang Kontrabass, aber inzwischen mit beidem aufgehört, auch wenn ich meinen E-Bass noch nicht verkauft habe. Das konnte ich bei der Wahl meines Nicknames jedoch noch nicht ahnen.
LG
PS: ich spiele natürlich weiter Klavier, auch wenn ich zu viel Zeit mit der Information über (Digital-)Pianos und mit dem Forum verbringe. ;-)
 
Hi,

eine sehr allgemeine Definition von Üben ist:

Üben ist eine bewusste Tätigkeit zur Verbesserung einer Fertigkeit (zB Klavierspielen).

Wer also bewusst nicht mehr übt will sich nicht mehr verbessern.

Für mich ist daher die Aussage von Alsmann sehr unverständlich, da ich ihn für einen intelligenten, engagierten Künstler halte.

Gruß

PS:
Bei einer Stunde pro Tag sind es gut 27 Jahre bis zum Erreichen der 10000. Stunde. ;-)

Bei der alten "10000h Regel" muß man beachten, daß diese Stunden innerhalb von max. 10 Jahren geleistet werden müssen, daß es "deliberate practice" sein muß und daß es zwar eine notwendige aber nicht hinreichend Bedingung ist ( ;-) ).
 

Hat Gulda doch auch gesagt. Mit 18 hat er aufgehört zu üben...oder so ähnlich, aus der Erinnerung.

Er hat damit kokettiert, dass er nur zwischen dem 13. und 16. Lebensjahr geübt habe. Er wurde ja als Teenager mit dem Gewinn des Klavierwettbewerbs 1946 in Genf schlagartig weltberühmt und unternahm sofort ausgedehnte Konzerttourneen, veröffentlichte erste Schallplatten etc.. So eine Aussage ist natürlich einer seiner Beiträge zur eigenen Legendenbildung und sollte nicht auf die Goldwaage gelegt werden;-).
 
zu den 10.000h (einfach immer wieder interessant ;-) ):

Die Ursprungs-Studie, soweit ich mich erinnere, ist eine reine statistische Erhebung. Es wurden einige (gar nicht mal so viele) "Masters" über ihre Übe-Historie befragt und daraus dann Statistiken gebildet, die dieses Ergebnis dann eben statistisch zeigten.

Aber was ist wirklich die Aussage einer Statistik?
Ich habe da immer meine Probleme.

Bekanntes Beispiel:
Basketball Spieler sind statistisch sehr groß, also werde ich grösser, wenn ich viel Basketball spiele. ;-)

Aber eins ist klar:

(Viel) Üben muß man, um gut zu werden. (alles andere ist "Schwachsinn" ;-) )

Aber wie viel, in welcher Zeit und auf welche Art, das ist mMn immer noch relativ ungeklärt und wahrscheinlich auch individuell verschieden.

Neuere Ansätze sind zB das differenzielle Lernen.

Gruß
 
Aber was ist wirklich die Aussage einer Statistik?

Grob gesagt:
Die Wahrscheinlichkeit, dass der vermutete Zusammenhang kein Zufall ist.

Wenn man es genau wissen will, kann man ja mal den Artikel über statistische Signifikanz auf Wikipedia lesen.

Ich habe da immer meine Probleme.

Bekanntes Beispiel:
Basketball Spieler sind statistisch sehr groß, also werde ich grösser, wenn ich viel Basketball spiele. ;-)

Nee, natürlich nicht. :-)

Grüße
Roland
 
Hi @sweetchocolate,
ich habe zwar viele Jahre E(lektrische) Bass(-Gitarre) gespielt und eine Zeit lang Kontrabass, aber inzwischen mit beidem aufgehört, auch wenn ich meinen E-Bass noch nicht verkauft habe. Das konnte ich bei der Wahl meines Nicknames jedoch noch nicht ahnen.
LG
PS: ich spiele natürlich weiter Klavier, auch wenn ich zu viel Zeit mit der Information über (Digital-)Pianos und mit dem Forum verbringe. ;-)

Bist Du verrückt mit Bass aufzuhören?:dizzy:
Ist doch total gefragt!
Ich meine ich spiele auch lieber Klavier. Aber Bassisten sind ab-so-lu-te Mangelware.:-)
 
Hi,

mir ist natürlich Statistik schon klar. ;-)

Grob gesagt:
Die Wahrscheinlichkeit, dass der vermutete Zusammenhang kein Zufall ist.

Das ist doch genau das Problem. Wenn ich den Zusammenhang vermute, dass Basketballspielen grösser macht, dann würde die Statistik das "beweisen". Es ist aber augenscheinlich falsch.

Die Aussagekraft von Statistik wie bei der 10.000h Regel ohne Kontrollgruppe(n) und ohne systematische Varianz ist mMn sehr gering.

ZB könnte bei der 10.000h Regel der Zusammenhang nicht die Anzahl der Übestunden sein, sondern daß die mit vielen Übestunden eine hohe innere Motivation haben (natürlich sehr wahrscheinlich) oder sich dadurch auszeichnen, daß sie eine geeignete Umgebung um viel zu üben hatten, usw. usf..

Die "wahren" Ursachen sind also dann ganz andere.

Aber schon klar, ohne Zusammenhänge zu postulieren ist die einfache Aussage der Untersuchung die, daß man mit "10.000 Übestunden in 10 Jahren" mit einer gewissen, höheren Wahrscheinlichkeit ein "Master" wird.

Gruß
 
Wenn ich den Zusammenhang vermute, dass Basketballspielen grösser macht, dann würde die Statistik das "beweisen". Es ist aber augenscheinlich falsch.

Die Aussage wird sowas sein wie: Wer Basketball spielt, ist überdurchschnittlich groß (im Mittel).

A: Person spielt Basketball
B: Person ist überdurhcschnittlich groß
Vermutung:
A => B
Wurde statistisch bewiesen.

Aber nicht B => A, das war nicht die Fragestellung.

Implikation ist keine Äquivalenzrelation, sie ist nicht symmetrisch. Aus
A => B
folgt nicht
B => A

Nochn Beispiel:
A: X ist Quadrat
B: X ist Rechteck
A => B ist wahr, denn jedes Quadrat ist ein Rechteck
B => A ist falsch, denn nicht jedes Rechteck ist ein Qaudrat (siehe Deinen Monitor, woe Du gerade drauf schaust).

Weiter Beispiele:
Es regnet => die Erde wird nass
X ist Frau => X ist Mensch
...

Eigentlich ja Mittelstufenmathe ...

Nochn Aspekt:
A => B
In der Logik
A nennt man 'hinreichend', B nennt man 'notwendig'.

Ein Quadrat zu sein ist hinreichend dafür ein Rechteck zu sein. Muss ich also nachweisen, dass X ein Rechteck ist, dann reicht es ("hinreichend") zu zeigen, dass es ein Quadrat ist.

Will ich widerlegen, dass X ein Quadrat ist, reicht es schon zu zeigen, dass es kein Rechteck ist, also die notwendige Bedingung nicht erfüllt ist.

Ist dann sinnvoll, wenn man eine einfacher zu zeigende hinreichende Bedingung oder leichter zu widerlegende notwendige Bedingung zur Verfügung hat, als den scharfen Satz.

Wenn man die hinreichende Bedingung widerlegt oder die notwendige Bedingung beweist, hilft das ja bekanntlich wenig:
Soll ich zeigen, dass X ein Quadrat ist und ich beweise, dass die notwendige Bedingung (X sit ein Rechteck) erfüllt ist, hilft das nix.
Umgekehrt: Soll ich widerlegen, dass X ein Rechteck ist un ich kann wiederlegen, dass X ein Quadrat ist, hilft mir das auch nix.

Grüße
Häretiker
 
Groupie-Accidentally-Sleeps-with-Bass-Player.jpg


Andererseits sagte mein Klavierlehrer immer: Bassus fundamentum musicae. OK, er sang Bass als profession ... :-)

Grüße
Häretiker
 

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