Erkennen Sie die Melodie
Guten Abend, Aleko!
Kurzfassung: Eine Melodie hat - nach abendländischem Verständnis -
gesanglich zu sein und ist überwiegend symmetrisch gebaut, d.h.
sie hat zwei gleichlange Phrasen (2 x 2 Takte/2 x 4 Takte etc.),
wobei die erste Hälfte mit einem Halbschluß auf der Dominante abschließt,
die zweite Hälfte in der Tonika.
Von dieser "Norm" gibt es aber soviele Abweichungen, in der Volksmusik
z.B. auf dem Balkan und in Osteuropa, daß die Fülle der Gegenbeispiele
oben genannte Definition über'n Haufen schmeißt: Mit asymmetrischem Bau,
ungleichen Phrasenlängen, harmonisch dem Bevorzugen von Nebenstufen
gelingen halt auch wunderschöne Melodien.
Bleibt noch die Möglichkeit, Melodie von Thema und Motiv abzugrenzen:
Ein Thema - in der Kunstmusik - kann präzise erfunden und muß doch
nicht gesanglich sein. Das erstbeste Beispiel, das mir durch den Kopf brummt:
tatata táa - der Beginn von Beethovens 5.Symphonie - kennt jeder,
ist aber keine Melodie, nicht mal ein Thema, sondern ein Motiv,
dessen Sequenzierung und Weiterführung das berühmte Eingangsthema ergibt.
Themen haben im Vergleich zur Melodie einen viel größeren Ambitus,
können aus etlichen (ungleich langen) Phrasen bestehen, sind harmonisch
offen, um für die "Weiterverarbeitung" tauglich zu sein.
Motiv ist sozusagen die kleinste sinntragende Einheit, es kann sogar
aus der insistierenden Wiederholung nur eines einzigen Tones bestehen,
oder aber aus mehreren Tönen - entscheidendes Merkmal sind Kürze und Prägnanz.
Hat das jetzt zum Verständnis beigetragen - oder eher verwirrt?
Viele Grüße,
Christoph