Mein Tip: Kurze Stücke sind schwerer, weil sich kaum etwas wiederholt. Die Wiederholungen sind natürlich kein echtes Prima Vista mehr aber dafür sieht man dort vielleicht Details, die einem beim ersten Mal entgangen sind und hat damit wieder ein bischen mehr Erfahrung. Letzten Endes ist vom Blatt spielen ja eine Mischung aus schnellem lesen, verstehen und Umsetzen des Notentextes und dem Vorausahnen dessen, was kommt. Sicherlich kann man das Lernen strukturieren, zunächst mit einem kleinen Tonraum anfangen, der erweitert wird, rhythmische Strukturen langsam komplizierter machen und so weiter. Aber die größten Probleme beim Üben ist wohl, daß man einfach genug spielbares Material braucht, was man noch nicht kennt, und daß man üben muß.
Bei mir ist das umgekehrt, je länger das Stück, desto schwerer, weil bei mir dann die Konzentration nachlässt. Ich habe das Blatt-Spiel irgendwie "automatisch" gelernt. Immer, wenn ich ein neues Klavierbüchlein bekam, setzte ich mich hin und spielte alle Stücke darin von vorne bis hinten durch, einfach weil ich so neugierig war, was da drin stand und danach legte ich es dann beiseite bis zum Klavierunterricht. Es ist bei mir so eine Art fotografisches Kurzzeitgedächtnis. Ich lese schon Takte, die ich erst in ein paar Sekunden spiele und je schwerer und schneller das Stück, desto mehr Takte lese ich voraus und desto mehr Konzentration ist nötig. Wie es auch schon mehrmals erwähnt worden ist, habe ich auch grosse Probleme mit der Musikalität, wenn ich vom Blatt spiele. Ich kann wirklich sehr gut vom Blatt lesen. Für mich sind Beethoven Sonaten kein Problem, egal welche Kreuze vornedran stehen. Aber was Musikalität betrifft, bin ich leider ziemlich schlecht :( Ich gebe mir Mühe, aber es fällt mir sehr schwer und wenn ich mich mal richtig angestrengt habe und alle Musikalität aus mir herausgeholt habe (was dann immer noch nicht so toll ist, finde ich), bin ich danach total ko, weil es mich so anstrengt, mein Inneres nach Aussen zu kehren...
Leider habe ich auch ein miserables Langzeitgedächtnis. Wenn ich ein Stück auswendiglerne, dann hält das höchstens eine Woche :x Und dann hab ich schon wieder vergessen wie es geht...
Ich konnte Anfangs auch nicht toll vom Blatt spielen. Ich musste auch Note für Note durchackern. Einfach langsam, so langsam wie ich es eben spielen konnte. Ich mache es auch heute noch so, wenn ich ein neues Stück anfange. Ich spiele es immer zuallerst von vorne bis hinten vom Blatt. Erst dann fange ich mit dem richtigen Üben an. Beim Prelude vom Franck musste ich mich dann schon anstrengen um es vom Blatt zu lesen und es ging auch nur langsam (bei den vielen Auflösungszeichen, kreuzen und bs blickt ja auch keiner mehr durch...). Chopin könnte ich theoretisch auch vom Blatt spielen, aber ich kann auf Anhieb leider nicht gleich die Läufe umsetzen :floet:, weil ich es technisch ohne Übung nicht mehr so schnell hinbekomme :rolleyes:
Mit den Jahren und mehr Klimpererfahrung geht es auch leichter bestimmte Stellen zu Kategorisieren. Es hilft mir sehr zu sehen, ob das jetzt G-Dur Arpeggien sind, oder ne Fis-Dur Tonleiter, dann muss ich nur noch kurz schauen, wo es anfängt und wo es aufhört. Da schaue ich dann nicht mehr gross auf die Noten der Tonleiter, sondern spiele einfach ne Fis-Tonleiter und gucke schon, was danach kommt. Gleiche Strukturen sind auch einfach vom Blatt zu spielen, weil man da auch nur schauen muss wo wie anfangen und wo sie aufhören - ich weiss jetzt nicht ob das so rüberkommt wie ich das meine...., also ich orientiere mich nicht einfach nur an den Noten, sondern auch an ihrem Aussehen, sind es 16-tel?, wie laufen die?, ah - erst ne terz nach oben, dann drei sekunden nach unten, das ganze soundsoviel mal, in der und der Tonart