Leo Ornstein - Sonate Nr.4 SO 360
In den letzten Tagen habe ich mich durch einen Teil des Klavierwerks von Leo Ornstein gehört. Der Name "Ornstein" fällt ja gelegentlich im Forum im Zusammenhang mit seinen "brutalen" Stücken wie "Suicide in an Airplane" oder dem "Danse sauvage". Mir war gar nicht bewusst, dass sein Werk so vielseitig ist, angefangen bei Stücken von beinahe kindlicher Einfachheit wie dem Großteil der Cossack Impressions bis hin zu Clustern. Neben ein paar eher mittelmäßigen Sachen, gibt es doch ein paar Highlights unter seinen Klavierwerken. Eines davon ist seine 4. Sonate.
Ornstein schrieb acht Sonaten, wobei die ersten drei Sonaten nicht aufgeschrieben wurden, die vierte Sonate ist also die erste, die uns erhalten blieb. Zwischen der vierten und der achten Sonate liegen ganze 66 Jahre, was nicht weiter verwundert wenn man bedenkt, dass Ornstein 108 Jahre alt geworden ist. Nett sind die Sonaten alle, wobei für mich die vierte und die achte Sonate herausragend sind. Zur achten Sonate schreibe ich vielleicht später mehr.
Geschrieben wurde die Sonate 1918 im Alten von 24 Jahren. Sie besteht aus vier Sätzen.
Im ersten Satz ist die Hauptsatzform erkennbar. Die Exposition besteht aus drei verschiedenen Motiven. Zunächst wird ein akkordischer Satz von Septolen umspielt.
Nach einer Abflachung der Spannung in eine eher lyrische Form ("dolce") beginnt ab Takt 31 das zweite, mit "Sostenuto" überschriebene Thema, bei dem die Melodie in den Bass rückt und von einer akkordischen Triolenfigur in der rechten Hand begleitet wird.
Es schließt sich ein drittes, fast an "Clair de lune" erinnerndes Motiv an.
Interessant ist zu sehen, dass der Takt zwischen allen drei Motiven wechselt (erst 2/4, dann 4/4, 6/4 und dann 7/4 und 3/4).
Schließlich setzt eine Durchführung ab Takt 45 im 4/4-Takt ein, in der alle drei Motive miteinander verknüpft werden. Ab Takt 70 beginnt die Reprise, in der alle Motive noch einmal in variierter Form nacheinander wiederholt werden, wobei der Satz auch mit dem dritten Thema ausläuft, ohne wirkliche Coda.
Der zweite Satz ist in der ABA-Form geschrieben. Nach einem ruhigen A-Teil folgt überraschend ein rasanter, bitonaler "Con Fuoco"-Abschnitt, der genauso unerwartet endet, wie er begonnen hat. Der ganze Satz ist geprägt von einer hebräischen Melodie unterlegt mit Jazz- und modalen Harmonien.
Der dritte Satz stellt den eigentlichen Ruhepunkt der Sonate dar und ist als einziger durchgängig im langsamen Tempo gehalten. Prägend für den Klang des Satzes sind die vielen kleinen Sekunden.
Es folgt der vierte Satz als virtuoses Highlight der Sonate. Es ist ein Rondo mit dem Schema A B A’ C A’’ B’ D A’’’ B’’ A’’’. Generell erinnert der Klaviersatz stellenweise etwas an den mittleren Skrjabin.
Harmonisch geht der Notentext immer von Standard-Tonarten aus, verändert diese aber modal. Die hebräischen Melodien sind in der gesamten Sonate allgegenwertig, ebenso wie die ständigen Taktwechsel. Sicher ist die Sonate nicht leicht zu spielen.
Und so klingt dieses Tolle Werk.
1. Satz
2. Satz
3. Satz
4. Satz
Viele Grüße!