Verhältnismäßig unbekannte Klavierwerke

Bei den Pianisten aus diesen Günden ganz bestimmt. :p Beim Publikum wohl eher weniger, denn mir ist -leider- in fast 40 Jahren Konzertgängerei noch nicht eines dieser Stücke auf dem Programmzettel erschienen, so dass ich immer auf "Konserven" angewiesen war und bin . Doch wer kauft schon (freiwillig :D) Reger-Platten....;)
Ich! Ich besitze sogar drei Reger-Klavier-CDs. Zum einen das Klavierkonzert, zum zweiten die erwähnten Bach- und Telemannvariationen zusammen auf einer CD. Zum dritten die Beethoven-Variationen op. 86 für zwei Klaviere, die sechs Stücke op. 94 für Klavier vierhändig und die sechs Burlesken op. 58. Mindestens op. 94 und op. 58 dürften hochgradig unbekannt sein. Auf Youtube finden sich hierzu natürlich auch deshalb keine Einspielungen. Es bleibt mir also nur, auf Amazon zu verweisen (hier klicken), wo man sich bei jedem Stück zumindest ein paar aus dem Kontext gerissene Sekunden anhören kann (durch Klick auf die "Play"-Symbole links von jedem Titel.

Nichtsdestotrotz empfinde ich Regers Klavierwerk als sehr sehr hörenswert. Insbesondere die Bach-Variationen wollte ich in diesem Thread eventuell selbst später anführen und besprechen, von daher kommt es mir sehr gelegen, dass gubu die schon erwähnt hat. Von denen habe ich mir sogar einmal die Noten gekauft - aber selbst spielen ist dabei mehr als utopisch ;-)
 
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So, nun will ich aber mein Versprechen wahr machen, und ein solches eher unbekanntes Werk etwas ausführlicher hier beschreiben. Und zwar habe ich mir hierfür die Klaviersonate von Paul Dukas ausgesucht. Komponiert wurde sie 1899/1900, erschienen ist sie 1901.

Paul Dukas hat allgemein nur recht wenige Werke veröffentlicht. So wirklich bekannt von ihm ist heutzutage nur ein Orchesterwerk - nämlich "Der Zauberlehrling". Von Dukas liegen insgesamt wohl auch nur vier Klavierwerke vor. Neben zwei kleineren Gelegenheitswerken (ein Prelude zum hundertsten Todesjahr von Haydn, welches hier im Forum schon einmal ausführlicher in einem Workshop behandelt wurde, und ein Prelude zum Tode Claude Debussys) handelt es sich dabei um ein großes Variationswerk über ein Thema von Rameau und eben um die Klaviersonate, um die es in diesem Beitrag hier gehen soll.

Die Sonate steht in es-Moll und steht in einer "klassischen" viersätzigen Form, also Sonatenhauptsatz, langsamer Satz, Scherzo und Finale. Sie ist Saint-Saëns gewidmet und wurde von Edouard Risler am 10. Mai 1901 im Salle Pleyel in Paris uraufgeführt. Gewisse Rückgriffe auf andere große Sonatenkomponisten (insbesondere Liszt und Beethoven) sind nicht von der Hand zu weisen. Aber dennoch empfinde ich diese Sonate als eines der Werke, die im Vergleich zu ihrer Wirkung und ihrem musikalischen Gehalt doch im Konzert- und Tonträgerbetrieb deutlich unterrepräsentiert sind. (Sollte dies nicht so sein und die Sonate gar nicht so unbekannt sein, bitte ich darum, mich zu korrigieren.)

Ich vermute, dass diese Sonate vor allem aber dem selben Problem unterliegt wie auch die in diesem Thread schon erwähnten Bach- oder Telemannvariationen von Reger. Sie ist nämlich vermutlich technisch sehr schwer - für Hobbyspieler jenseits alles irgendwie zufriedenstellend erreichbaren und vermutlich (ich bin kein Pianist, ich kann das nicht einschätzen) auch für Pianisten alles andere als ein Spaziergang. Dazu kommt dann eine Länge von annähernd 45 Minuten, was sowohl beim Pianisten als auch beim Zuhörer ein gewisses Durchhaltevermögen erfordert. Der Zuhörer wird zwar durch einen fulminanten Finalsatz "belohnt", der Pianist hat bis dorthin aber schon einiges zu meistern und bekommt auch im Finalsatz keine Ruhe...

Nun folgt eine (sehr stümperhafte, weil subjektive und ohne tieferes Wissen geschriebene) Erläuterung der Struktur der vier Sätze:

Der erste Satz in es-moll steht in der Sonatenhauptsatzform. Das recht düstere, mit einer gleichförmigen aufgewühlten Sechzehntelbegleitung unterlegte Hauptthema zeichnet sich dadurch aus, dass die Hauptzählzeiten des Takts gemieden werden und die Melodietöne sich überwiegend auf den „unbetonten“ Zählzeiten 2 und 4 befinden. Wie sich später zeigen wird, sind synkopische Themen für diese Sonate durchaus charakteristisch.
Das zweite Thema ist weniger düster und melodisch umfangreicher als das erste Thema, bildet aber durch die weiterhin durchgehende Sechzehntelbegleitung dennoch keinen allzu starken Kontrast zum Hauptthema. Auch hier treten wiederum typische Synkopierungen auf. Gegen Ende der Exposition setzt die Sechzehntelbegleitung aus und der Satz kommt in einem absteigenden „Schlussgruppenthema“ ein wenig zur Ruhe.
Die Rückkehr des Hauptthemas leitet unmittelbar in die Durchführung der Themen ein, in deren Verlauf sich teils größere akkordische Ausbrüche ergeben. Nachdem auch die Durchführung schließlich immer weiter zur Ruhe zurückfindet, tritt die Reprise herein. An deren Ende wird das ruhige „Schlussgruppenthema“ in die Coda hinein deutlich ausgedehnt, womit der Satz (abgesehen von einer kurzen abschließenden Rückkehr zum Hauptthema) insgesamt sehr ruhig endet.
Hier ein Link zum 1. Satz (ich habe für diese Sonate eine Einspielung gewählt, bei der die Noten direkt mitverfolgt werden können, was ich sehr angenehm finde):
Hamelin plays Dukas - Piano Sonata (1st mvt)

Der zweite Satz in As-Dur stellt den langsamen Satz der Sonate dar. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich diesen Satz von der Form her noch nicht einmal im Ansatz verstanden habe. Deshalb kann ich erst einmal nur so viel dazu sagen, dass er zwei Themen besitzt. Beide werden zu Beginn des Satzes direkt in Folge in recht ruhigen Viertelnoten vorgestellt. Im weiteren Verlauf des Satzes werden nun beide Themen immer weiter verarbeitet, die Dichte des Satzes nimmt immer weiter zu. Im Endeffekt ließe sich der Satz wohl irgendwie als Variationensatz beschreiben, nur dass keine klar getrennten Variationen vorliegen, sondern alles irgendwie ineinander übergeht. Zumindest ist das meine Empfindung. Und obwohl ich den Satz am wenigsten von allen Sätzen verstehe, ist er für mich persönlich irgendwie der schönste Satz der Sonate. Ich gebe aber zu, dass ich auch die anderen drei Sätze sehr schön finde, sonst würde ich nicht ausgerechnet diese Sonate hier „vorstellen“.
Hier ein Link zum 2. Satz:
Hamelin plays Dukas - Piano Sonata (2nd mvt)

Der dritte Satz in h-moll ist ein Scherzo mit dem typischen ABA-Aufbau. Der sehr schnelle und drängende A-Teil wird hierbei im wesentlichen durch sehr rasante Sechzehntelnoten gebildet, die quasi martellato im Wechsel auf beide Hände aufgeteilt sind. Um so überraschender ist der extreme Kontrast, den der B-Teil – das Trio – hierzu bildet. Der A-Teil entwickelt sich an seinem Ende in eine langsame, ruhige Passage, die durch einen Wechsel von kurzen Unisono-Motiven mit kurzen akkordischen Motiven gekennzeichnet ist. Das sich anschließende Trio selbst ist dann ein langsames und leises Fugato. Melodisch und harmonisch mutet dieses Fugato deutlich „moderner“ an als der Rest der Sonate – phasenweise nahezu atonal, wenngleich es in sich nach wie vor tonal bleibt. Die Rückkehr in den rasanten A-Teil wird wiederum über eine Passage erreicht, die derjenigen sehr ähnelt, die in das Trio hineingeführt hatte.
Das Ende des dritten Satzes stellt abschließend sowohl gehämmerte Sechzehntel als auch lange, ruhige Töne nebeneinander.
Hier ein Link zum 3. Satz:
Hamelin plays Dukas - Piano Sonata (3rd mvt)

Der vierte Satz steht nach einer Einleitung im Groben ebenfalls in Sonatenhaupsatzform. Die recht lange Einleitung (Trés lent) lässt die Tonart zunächst im Unklaren. Ein sehr mächtiges, an Tutti-Orgelakkorde erinnerndes Einleitungsmotiv führt zunächst dreimal hintereinander in B-Dur-Akkorde hinein – die Dominante zur Grundtonart es-moll. Jedoch wird keiner dieser B-Dur-Akkorde nach es-moll hin aufgelöst. Nach dem dritten B-Dur-Akkord geht die Einleitung unvermittelt in einen auf heses beginnenden, tonal noch deutlich unbestimmteren „zweiten Abschnitt“ (Librement) über. Allgemein wirkt die gesamte Einleitung sehr improvisatorisch und nicht nur tonal, sondern auch rhythmisch unbestimmt. Das einleitende mächtige Akkordthema wird in anderen Tonarten erneut aufgegriffen und ausgebaut, bis die „freie“ Einleitung schließlich in b-moll endet und plötzlich in einen starren synkopischen Rhythmus einlenkt (Animé).
An dieser Stelle beginnt nun die Exposition, mit deren Hauptthema wird nun endlich die Grundtonart es-moll erreicht. Typischerweise (für diese Sonate) beinhaltet das Hauptthema ein charakteristisches synkopisches Motiv. Ab Beginn der Exposition wird dieser vierte Satz nun zu einem hochvirtuosen Finale, welches in seinem Verlauf sehr rastlos von Thema zu Thema „hetzt“ und kaum zur Ruhe kommt. Das zweite Thema steht in H-Dur. Durch seine verhältnismäßig langen Noten wirkt es deutlich ruhiger als das Hauptthema. Auf mich wirkt das Thema recht ambivalent – zum einen scheint es irgendwie trivial, zum anderen aber auch triumphal. Ein wenig fühle ich mich dabei auch immer an das „Grandioso“-Thema aus der h-moll-Sonate von Liszt erinnert. Fast schon unnötig ist es an dieser Stelle zu erwähnen, dass auch dieses zweite Thema wieder eine charakteristische Synkope enthält. Nachdem auch das zunächst etwas ruhiger wirkende zweite Thema immer stärker an Fahrt aufgenommen hat, stürzt es sich regelrecht in einen mit drängender staccato-Begleitung unterlegten Triumphmarsch hinein, der die Schlussgruppe der Exposition darstellt. Der Marsch klingt aus in unbegleiteten Staccato-Viertelnoten, welche quasi über den gesamten Tonumfang des Klaviers „hüpfen“. Der virtuose Sonatensatz scheint an dieser Stelle ein wenig zur Ruhe zu kommen. Ehe er jedoch wirklich zur Ruhe kommt, bricht die Durchführung herein, die zunächst hauptsächlich die Synkopen des Hauptthemas in Kombination mit den Oktaven der Schlussgruppe verarbeitet. Die musikalische Dichte und Virtuosität nimmt immer stärker zu, ehe der Satz mit der Rückkehr des mächtigen Akkordmotivs aus der Einleitung (Plus vite) quasi explodiert. Waren die Akkorde allein für sich in der Einleitung schon sehr mächtig, werden sie nun durch wahnsinnig drängende Akkordtremoli und ähnliche Virtuositäten noch deutlich verstärkt. Nachdem diese enorme musikalische Dichte sich wieder ein wenig abgebaut hat, beginnt mit der Rückkehr des Hauptthemas die Reprise.
Im Lauf der Reprise steht nun sowohl das zweite Thema, als auch der Schlussgruppen-Marsch in Es-Dur. Schließlich geht der Satz in die Coda über, in der selbst das Akkordthema der Einleitung nun in Dur anstatt moll erscheint. Auf Basis des „trivialen“ zweiten Themas strebt der fulminante Finalsatz schließlich auf sein Ende zu – nach wie vor in Es-Dur.
Hier ein Link zum 4. Satz:
Hamelin plays Dukas - Piano Sonata (4th mvt)

So, ich hoffe, ich habe nicht zu viel Quark geschrieben und hoffe, dass dem ein oder anderen diese Sonate gefällt. Für mich ist sie wie gesagt eine unterschätzte Perle, die durchaus bekannter sein könnte! Wer irgendetwas zu dieser Sonate sagen kann oder will, der darf (bzw. soll) das gerne tun!
 
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Lieber DonBos,

ich danke dir für die Vorstellung des Werkes. Ein wirklich sehr schönen Werk, besonders den ersten Satz mag ich sehr. Die Sonate hat mit einem ähnlichen Problem zu kämpfen, wie die von Szymanowski. Der Klaviersatz ist äußerst dicht und vollgepackt, Wolters spricht von Hypertrophie und ich glaube, so was mögen einfach viele Leute nicht... ich schon :D.

Von Dukas gibt es aber ein Werk, dass mir noch mehr gefällt, die „Variations, Interlude et Finale sur un thème de Rameau“. Das Werk ist kurz nach der Sonate entstanden, also von 1901 bis 1902. Die Basis für das Werk ist ein barockes Menuett in D-dur von Rameau, das von Dukas in elf großartigen Variationen verarbeitet wird. Die Satztechnik erinnert an Reger, auch Parallelen zu Beethoven lassen sich erkennen. Das Stück ist ähnlich schwer, wie die Sonate (Wolters-Stufe 14). Uraufgeführt wurde das Werk wie die Sonate von Édouard Risler. Das Werk hätte es auf jeden Fall verdient, öfter aufgeführt zu werden.

Variations, Interlude et Finale sur un thème de Rameau Teil 1; Teil 2

Hier die Noten.

Viele Grüße!
 
Hallo liebe Clavioaner/nnen,
ich habe auch ein besonderes Werk vorzustellen, und zwar die Poetischen
Stimmungsbilder, op. 85
von Antonin Dvořák. Jedes von den (mal kleineren, mal
größeren) Stücken des Zyklus ist eine kleine (oder große) Kostbarkeit. Ich kann auch
nur immer wieder betonen, dass diese Stücke (bis auf einzelne Ausnahmen :D ) auch
nicht unglaublich schwer sind (also jetzt auf etwas fortgeschrittenere Pianisten
bezogen, als Anfänger wäre das dann doch etwas heftig :D:D:D).
Hier sind schon mal die Noten: http://imslp.info/files/imglnks/usimg/b/b1/IMSLP01659-Dvorak_-_stimmungsbilder.pdf
Hier die einzelnen Stücke bei YouTube:
1. Nächtlicher Weg
2. Tändelei
3. Auf der alten Burg
4. Frühlingsweise
5. Bauernballade
6. Klagendes Gedenken
Gefunden auf YouTube habe ich leider nur die ersten 6 von den 13 Stücken...
Viel Spaß damit!
 


würd ich gern spielen, aber die Noten dafür gibts halt einfach nirgends
 
interessant bzgl der Klavierstücke von Dvorak: er war kein Pianist, nicht mal ein leidlicher Klavierspieler (ähnlich wie Berlioz) - aber einige seiner Klavierstücke sind echte Perlen! Bekannt genug sind ja die slawischen Tänze sowie die Ges-Dur Humoreske.
 
Danke, Troubadix für den Hinweis auf diese wunderbaren Variationen. Leider auch wieder mal "etwas" :cool: zu schwer zum selbst spielen.

Umso mehr freut mich dann der opus 85 von Dvorak. Da sind ja wirklich sehr hübsche Perlen darunter unter diesen Stücken.
Hier habe ich noch zwei Aufnahmen zum Dvorak gefunden:
Nummer 7 (Ein Tanz)
Nummer 9 (Serenade)

Nummer 11 und Nummer 12 müssen wir wohl leider selbst (ein)spielen, um zu hören, wie diese Stücke klingen.
Und mindestens Nummer 9 könnte auch eine bessere Aufnahme auf Youtube vertragen (nichts gegen das Mädel, dass das Stück spielt, aber da sehe ich schon noch ein paar musikalische Steigerungsmöglichkeiten).
 
Danke, Troubadix für den Hinweis auf diese wunderbaren Variationen. Leider auch wieder mal "etwas" :cool: zu schwer zum selbst spielen.

Umso mehr freut mich dann der opus 85 von Dvořák. Da sind ja wirklich sehr hübsche Perlen darunter unter diesen Stücken.
Hier habe ich noch zwei Aufnahmen zum Dvořák gefunden:
Nummer 7 (Ein Tanz)
Nummer 9 (Serenade)

Nummer 11 und Nummer 12 müssen wir wohl leider selbst (ein)spielen, um zu hören, wie diese Stücke klingen.
Und mindestens Nummer 9 könnte auch eine bessere Aufnahme auf Youtube vertragen (nichts gegen das Mädel, das das Stück spielt, aber da sehe ich schon noch ein paar musikalische Steigerungsmöglichkeiten).
 
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Und für alle Freunde der recht modernen Musik, hier noch etwas ganz anderes - nämlich ein Klavierkonzert voon Einojuhani Rautavaara (offenbar einer der wichtigsten noch lebenden finnischen Komponisten - ich hatte bis vor einer Stunde von dem werten Herrn noch nie etwas gehört).

Nun ja, das Konzert wurde 1969 komponiert. Dementsprechend ist da natürlich auch alles etwas dissonant und wird nicht jedermanns Geschmack treffen. Doch trotz all der Dissonanzen geht da vieles noch sehr tonal zu.

Einojuhani Rautavaara - Klavierkonzert Nr. 1 (1969) - 1. Satz
2. Satz
3. Satz

(Nachtrag: Für den ersten Satz gibt es HIER die Noten zum mitlesen - leider aber nicht für den zweiten und dritten, weshalb ich oben lieber eine andere Aufnahme verlinkt habe.)
 
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...Leider auch wieder mal "etwas" :cool: zu schwer zum selbst spielen...

Dann habe ich hier etwas anderes anzubieten. Vor drei Wochen hatte ich einen Brasilianer bei mir zu Gast. Da auch er sehr interessiert an Musik ist war es eine Freude, sich mit ihm auszutauschen. Unter anderem fragte er mich, was ich denn von Cláudio Santoro (1919-1989) halte und ich blickte in ein entsetztes Gesicht als ich ihm leider sage musste, dass ich bislang nichts von ihm gehört habe. In Brasilien ist er wohl ein ziemlich bekannter Komponist, bei uns eher weniger (zumindest Rolf hat ihn gelegentlich erwähnt). Da ich versprochen habe, in Santoros Werk reinzuhören, beschäftige ich mich nun mit dessen Musik. Leider ist das nicht ganz so einfach da man bei uns nicht so einfach an Noten und Einspielungen von ihm kommt. Dennoch werde ich auch in Zukunft sicher das eine oder andere Werk von ihm vorstellen.

Als erstes sein hier seine Präludien genannt. Santoro schrieb mehrere Bücher mit je 12 Präludien, hier möchte ich mal eine Auswahl des ersten Buches präsentieren. Leider weiß ich nicht sonderlich viel darüber, nur dass sie 1956 geschrieben wurden. Es sind wunderschöne, ruhige Klangimpressionen die rein technisch keinerlei Probleme bereiten, Schwierigkeiten liegen nur in der Gestaltung. Das Tempo geht nur einmal über das Andante hinaus (Nr.8 ist Moderato).

In diesem Video wird eine kleine Auswahl gespielt. Die Noten sind nicht legal frei verfügbar. Eines der Präludien ist übrigens deutlich von einem Werk eines berühmten deutschen langbärtigen Komponisten inspiriert! :)

Cláudio Santoro - Präludien aus dem ersten Buch (Nr.1-3; Nr.6-7; Nr.11-12)


Und als kleine Zugabe, hier noch ein kleines Liebeslied mit Klavierbegleitung. :kuss:

Cláudio Santoro - Acalanto da Rosa

Und weil es so schön ist, hier noch eins! :p

Cláudio Santoro - O amor em lágrimas

Viele Grüße!
 
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Moszkowski - Klavierkonzert in E-dur op.59

Es gibt Stücke, die einst populär waren und heute in Vergessenheit geraten sind. Sehr oft ist dies zu Recht geschehen, manchmal fragt man sich jedoch, wie das nur passieren konnte. Ein schönes Beispiel für die letztere Kategorie ist das Klavierkonzert op.59 von Moritz Moszkowski. Eigentlich ist es sein zweites Klavierkonzert. Bereits 1875 schrieb er ein Klavierkonzert in h-moll. Es wurde nur selten aufgeführt, dennoch war Franz Liszt von diesem Konzert so angetan, das er eigenhändig das Orchester für Klavier arrangierte und das Stück kurz nach der Erstaufführung zusammen mit Moszkowski an zwei Klavieren aufführte. Dieses unter op.3 laufende Klavierkonzert wurde nie veröffentlicht und ist heute leider verschollen. Daher spricht man bei op.59 oft von DEM Klavierkonzert Moszkowskis. Op.59 wurde 1898 geschrieben und ist seinem früheren Studenten Josef Hofmann gewidmet. Es steht in E-dur und ist damit eine Seltenheit unter den Klavierkonzerten. Von der Uraufführung bis zum Beginn des ersten Weltkrieges war es ein äußerst populäres Werk, das häufig zur Aufführung kam. Danach geriet es langsam in Vergessenheit, so wie fast alles von Moszkowski. Es hat vielleicht nicht die gigantische Tiefe eines Brahms-Konzertes, sein ungetrübter Optimismus, sein melodischer Einfallsreichtum und seine eingängigen Themen reißen einen aber so dermaßen mit, dass die heutige Ignoranz dieses Stückes für mich völlig unverständlich ist. Der Pianist hat keine leichte Aufgabe, wenn auch keine gar so schwere wie bei den ganz großen romantischen Brocken. Harmonisch bringt es für die damalige Zeit keine Neuerungen mit sich. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Werk fantastisch beim Publikum ankommen würde wenn sich nur wieder ein paar mehr Pianisten finden würden die sich trauen, es ins Repertoire aufzunehmen. Es gibt nicht viele gute Einspielungen dieses Stückes. Besonders ragt hier Michael Pontis Einspielung heraus, die wirklich fantastisch ist. Und jetzt lehnt euch mal zurück und genießt diese wundervolle Musik.

1.Satz Moderato
2.Satz Andante
3.Satz Scherzo Vivace
4.Satz Allegro deciso

Viele Grüße!
 
Na gut, wenn wir schon bei den russischen Komponisten angekommen sind und mal ein paar Jahrzehnte vor Schostakowitsch ansetzen: Das b-moll-Konzert aus der Feder von Tschaikowsky dominiert auf den Spielplänen, sobald konzertante Literatur gefragt ist. Ob die Konzerte von Anton Rubinstein, allen voran das 4. in d-moll op. 70, nicht eine bessere Präsenz im Repertoire verdient hätten, frage ich mich manchmal schon. Eine mitreißende Einspielung mit Ponti unter Maga ist über Youtube zugänglich, selbst der betagte Livemitschnitt mit Josef Hofmann von 1937 vermag zu faszinieren, stellt aber eine sieben Jahre spätere Einspielung des 3. Konzerts hörbar in den Schatten. Manche ältere Einspielung kommt intensiver als so manche neuere Interpretation herüber, denke ich beim Hören der Aufnahme mit Levant und Mitropoulos aus dem Jahre 1946. Wenn ich an die beiden letztgenannten Namen denke und nach einer personellen Alternative zum großen Schostakowitsch suche, bleibe ich bei dem folgenden Dokument hängen:
Oscar Levant plays Khachaturian Piano Concerto in D flat - YouTube
Sich zu den Rachmaninow-Konzerten zu äußern, hieße Eulen nach Athen zu tragen - und trotzdem gibt es großartige Alternativ-Angebote, die nicht identisch mit den beiden Schostakowitsch-Konzerten sein müssen, die auch der Komponist noch selbst eingespielt hat, wenn auch schon die beginnende schwere Erkrankung die Resultate beeinflusst hat.

Wer sich in Verbindung mit Klavierkonzerten für eine besonders fantasievolle Instrumentation des Orchesterparts interessiert, wird bei Rimsky-Korsakow mit seinem cis-moll-Konzert op. 30 fündig - und die Aufnahme mit Richter/Kondrashin setzt auch 62 Jahre nach ihrer Entstehung noch Maßstäbe. Der Solopart ist kaum weniger dankbar als der der Liszt-Konzerte - und der Orchesterpart ist klanglich an Brillanz kaum mehr steigerungsfähig. Und das will etwas heißen - eine phänomenale Beherrschung orchestraler Klangfarben konnte auch Liszt für sich in Anspruch nehmen. Hereinhören in ein echtes Meisterwerk lohnt sich:
(1/2) Rimsky-Korsakov - Piano Concerto - Richter/Kondrashin - YouTube
(2/2) Rimsky-Korsakov - Piano Concerto - Richter/Kondrashin - YouTube

Solche Entdeckungsreisen könnte man seitenweise fortführen und sich dann fragen, ob nicht viele Konzertprogramme mitunter ein paar kräftige Blutauffrischungen vertragen könnten, meint jedenfalls

Rheinkultur
 
die Klavierkonzerte von Villa-Lobos hört man auch nicht alle Tage, dabei lohnen die sich sehr!!!
 
...und wenn man schon bei wenig bekannten Klavierkonzerten angelangt ist:
Von dem großen Dirigenten und Komponisten Gabriel Pierné (1863-1937) gibt es ein C-moll-Konzert op. 12 (1886), das sich in bester Gesellschaft mit den Saint-Saens-Konzerten befindet und an Dankbarkeit durchaus den Liszt-Konzerten ebenbürtig ist.
Pierné - Piano Concerto in C minor- I Allegro - YouTube
Pierné - Piano Concerto in C minor- III Finale - YouTube

Geradezu klassisch zu geht es dagegen in den beiden Klavierkonzerten von César Franck (1822-1890), wobei allenfalls das zweite sehr gelegentlich zu hören ist und ebenfalls im Schatten der späten Symphonischen Variationen steht.

Von Gabriel Fauré sind eine Ballade und eine Fantasie überliefert - hat sich damit irgendjemand schon mal befasst? Gerade die späte (1918 entstandene) Fantasie könnte in stilistischer Hinsicht nicht uninteressant sein...!
 
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Das Klavierkonzert von Pierné finde ich persönlich auch sehr interessant. Man merkt (besonders in der mächtigen Introduktion), dass Pierné nicht nur Komponist, sondern vor allem auch Organist war.
Und dazu passend möchte ich direkt noch auf sein Fantaisie-Ballett (op. 6) für Klavier und Orchester verweisen:
Gabriel Pierné - Fantaisie-Ballett op. 6 (Teil 1)
Gabriel Pierné - Fantaisie-Ballett op. 6 (Teil 2)

Es beginnt mit einer recht bombastischen und überhaupt nicht ballettartigen Einleitung, die wieder verdächtig nach vollem Orgelwerk anstelle eines Klaviersatzes aussieht. Und während man sich auch nach fast drei Minuten noch fragt, was denn um Himmels Willen diese Musik mit einem Ballett zu tun haben soll... befindet man sich urplötzlich unverkennbar mittendrin im Ballett, welches dann schön vor sich hinplätschert und dabei so diverse Dinge (wie einen Walzer) durchläuft und schließlich in einer Tarantelle endet.

Meiner Meinung nach ein durchaus hörenswertes Frühwerk eines nicht allzu sehr bekannten (aber auch nicht wirklich unbekannten) spätromantischen Komponisten. Und durch die kurze Länge zwischen 10 und 15 Minuten eine erfrischende Alternative zu "kompletten" Klavierkonzerten - wenn man denn mal weniger Zeit zum Musik hören hat 8)
 
Das Klavierkonzert von Pierné finde ich persönlich auch sehr interessant. Man merkt (besonders in der mächtigen Introduktion), dass Pierné nicht nur Komponist, sondern vor allem auch Organist war.
Diese Parallelbegabung hat er mit dem von mir im gleichen Beitrag erwähnten Camille Saint-Saens gemeinsam. Sinn für Farben ist in der überaus nuancenreichen französischen Sprache implizit enthalten, Sinn für Klangfarben hat die französische Komponistengeneration nach César Franck bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten unter Beweis gestellt - und dafür ist die Orgel natürlich das ideale Instrument: Viele Komponisten wie Widor, Vierne, Tournemire sind durch die Cavaillé-Coll-Ästhetik maßgeblich in ihren Klangvorstellungen geprägt worden. Auch das Repertoire von Pierné als Interpret (speziell als Dirigent) trägt diesen Rahmenbedingungen Rechnung; nicht nur die bereits genannten komponisten, sondern z.B. auch Roussel, Debussy, Milhaud und Ravel sind hier namentlich zu nennen.
 

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