Unterricht mit jungen Kindern mit geringer Aufmerksamkeitsdauer

Genau. Ballettunterricht bei den ganz kleinen ist dann auch kein eigentlicher Ballettunterricht, sondern Kindertanz. Wenn's an saubere Tendus geht, sind sie schon etwas älter.

Die Entsprechung zum Klavierunterricht wäre, erstmal ein paar Jahre nur Klatschen und Singen, bevor es "ernst" wird.
Das kommt jetzt auf die Ballettschule an. Unsere macht Muskelaufbau, Dehnen, korrekte Haltung. Also mal 2 Minuten Bauchmuskeln, springen, dann Spagat in alle Richtungen. Wäre bei Klavier dann Czerny…
 
Man darf nicht vergessen, dass eine halbe Stunde Einzelunterricht etwas ganz anderes ist als eine Schulstunde mit 25 anderen Kinder. Beim Schul-Hausaufgabenmachen klappt die Konzentration über eine halbe Stunde vielleicht schon, da gibt es aber keinen anstrengenden Kommunikations-Aspekt.

Im Einzelunterricht muss das Kind stets aufmerksam sein. Das ist schon eine ordentliche Leistung für 6-Jährige.
Vielleicht hilft der Gedanke, dass du nicht nur Klavier lehrst in der halben Stunde, sondern dass all die anderen Aspekte wie Konzentration, Kommunikation usw. auch dazu gehören. Das müssen Kinder im Rahmen des Einzelunterrichts auch erst lernen, sowas ist nicht angeboren.
 
Ich hatte damals (also, vor gut 40 Jahren) an einer städtischen Musikschule erst einmal Gruppenunterricht ("Musikalische Grundausbildung"), bevor ich ans Klavier durfte. Als ich mit den Tasten anfing, war ich glaub ich in der 3. Klasse.
Natürlich ist es möglich, auch mit kleineren Kindern ans Instrument zu gehen.
Und wie einige schon sagten, man muss sich als Lehrperson ganz anders auf das Kind und die Situation einstellen. Es ist oft eher musikalische Früherziehung in Einzelbetreuung (mit einem Instrument in der Nähe) als Instrumentalunterricht. Wenn man das gut macht, dann kann das sowohl Kind als auch Lehrperson viel Freude machen und auch Grundlagen für später legen. Aber trivial ist das nicht.
Irgendwo schlummert auf dem Dachboden in meinem Elternhaus das Buch von Peter Heilbut, "Klavier spielen: Früh-Instrumentalunterricht". Wenn ich mich recht erinnere, bietet es für solche Unterrichtssituationen wie von @Tastatula beschrieben die ein oder andere Idee oder Hilfestellung. Ob es das Buch noch gibt, weiß ich allerdings nicht.
 
@Dorforganistin Es kommt aufs Kind an. Unsere hat mit 4 im Kindergarten 30 Minuten Einzelunterricht angefangen. Notenlesen hat sie den Monat vorher recht flott gelernt. Wenn die Zusammenarbeit Kind Lehrer funktionier, klappt es. In der Schule hatte sie dann ein halbes Jahr einen Lehrer, bei dem hat es nicht geklappt. Sie mochte ihn nicht und da war keine Hoffnung. Die kleineren Kinder sind da radikal. Aber wenn sie einen Lehrer mögen, wird auch extra für ihn/sie geübt. Sowas bekommen Erwachsene dann nicht so gut hin.
 
Das habe ich überhaupt nicht bezweifelt. Ich habe nur von meiner Geschichte erzählt. Ich hätte mich als Kind auf den Kopf stellen können und den Beginn am Klavier bereits in der 1. Klasse fordern können - diese Möglichkeit gab es allerdings nicht. Es sei denn, man hätte einen entsprechenden Privatlehrer gesucht und gefunden.
 
Vielen Dank für Eure Hinweise. Zu dem Kind sei Folgendes noch ergänzt:
Im November hielt es seinem Vater das Telefon hin und sagte: Jetzt ruf endlich an! Weil es unbedingt Klavier lernen wollte.
Zum Hintergrund:
Die Eltern sind sehr entspannte Eltern, beide Musiker, allerdings wussten sie von Anfang an, dass Ihr Junge eine besondere Hand braucht. Dessen bin ich mir, seit wir zusammen arbeiten, bewusst.
Ich merke, dass das Kind mir gewogen ist, was ich sehr wichtig finde.
Dass es sich durchaus konzentrieren kann, hat es mir mal gezeigt, als es minutenlang auf dem Klavier glissandi auf und ab gespielt hat. Für mich war das hart an der Schmerzgrenze, aber es hat mich sehr interessiert, wie lange das Kind das durchhält. Damit hat es sich verraten als ein Wesen, das durchaus Ausdauer hat.
Wie gesagt, es übt viel zuhause. Ich denke, dass es im Unterricht Grenzen sucht und schaut, was so geht mit mir.
Genau deiner Anweisung folgen - eine frei zu gestaltende Aufgabe "bearbeiten"
Du entscheidest - Schüler entscheidet
genau das mache ich gefühlte 40 mal in einer Stunde ;-)

Reden - nicht reden (kannst du drei Minuten ohne zu sprechen Unterrichten? Kann er das "Spiel" mitmachen, nicht zu reden?)
interessanter Ansatz. Habe ich noch nicht gezielt ausprobiert, mein Schweigen besteht hauptsächlich darin, seine spontanen, vielleicht provozierenden Aussagen zu überhören... Aber ich bin überzeugt, dass er das kann. Vielleicht nicht gerade drei Minuten....

Heutige Kinder sind einfach sehr oft verkorkst. Aus den offensichtlichen Gründen: ballaballa Eltern, Bildschirmmedien, zu wenig frische Luft und Bewegung, falsche Ernährung usw.
da hast Du bestimmt oft Recht, in diesem Falle nicht. Dieses Kind ist sehr lebendig, durchaus aufgeweckt, hat aber null Interesse an Malen, Noten malen eingeschlossen, mag gerne Rechnen, und lebt in einer eigenen fantasievollen Scheinwelt.
Trotzdem mag es - noch - keine Geschichten am Klavier erzählen. Also übernehme ich das, manchmal spielen wir zusammen.

Welche Spiele kennt Ihr noch, die man musikalisch spielen könnte (Noten würfeln machen wir).
Welche klatschspiele findet ihr gut?
 
@susa @Sven :
Was ich immer wieder spannend finde: welche Disziplin im Ballettunterricht selbst von den Kleinen eingefordert - und auch erbracht! - wird. Die Ernsthaftigkeit, mit der das Ballett betrieben wird, wünschte sich manch ein Klavierlehrer auch von seinen Schülern. Es wäre interessant, nach den Ursachen zu suchen. Gibt es beim Ballett den Zwang einer wie auch immer gearteten Peergroup? Ein mehr oder weniger ausgeprägtes Team- bzw. Konkurrenzgefühl (ohne Wertung, ob dies positiv oder negativ zu sehen ist)? Wohingegen die „Einzelhaft am Klavier“ eher lähmt als motiviert? Haben evtl. „Ballett-Eltern“ eine andere Einstellung zu dieser Kunst-/Sportart? Beim Musikunterricht herrscht ja leider eher die Haltung der Eltern (und Lehrer) vor „Mein Kind soll SPASS (mit Doppel-s!) haben …“
 
Ich sage das ohne Bitterkeit oder Hass:
Heutige Kinder sind einfach sehr oft verkorkst. Aus den offensichtlichen Gründen: ballaballa Eltern, Bildschirmmedien, zu wenig frische Luft und Bewegung, falsche Ernährung usw.
Manche sind das wohl. Die Minderheit fällt auf, und erzeugt den Eindruck einer Mehrheit.

Man muss das wirklich nicht verklären, indem man das Kind als "sehr spannend" oder so was darstellt. Nein, sorry, es ist leider ein entwicklungsgestörtes Kind.
Ich finde es schockierend, dass Du aufgrund der kurzen Schilderung das Kind als gestört hinstellst. Ich empfinde Deine Reaktion auf die Schilderung eher als nicht normal. Euphemistisch ausgedrückt.


Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.
Sokrates, gestorben 399 v. Chr.
 
Zuletzt bearbeitet:
@susa @Sven :
Was ich immer wieder spannend finde: welche Disziplin im Ballettunterricht selbst von den Kleinen eingefordert - und auch erbracht! - wird. Die Ernsthaftigkeit, mit der das Ballett betrieben wird, wünschte sich manch ein Klavierlehrer auch von seinen Schülern. Es wäre interessant, nach den Ursachen zu suchen. Gibt es beim Ballett den Zwang einer wie auch immer gearteten Peergroup? Ein mehr oder weniger ausgeprägtes Team- bzw. Konkurrenzgefühl (ohne Wertung, ob dies positiv oder negativ zu sehen ist)? Wohingegen die „Einzelhaft am Klavier“ eher lähmt als motiviert? Haben evtl. „Ballett-Eltern“ eine andere Einstellung zu dieser Kunst-/Sportart? Beim Musikunterricht herrscht ja leider eher die Haltung der Eltern (und Lehrer) vor „Mein Kind soll SPASS (mit Doppel-s!) haben …“
Es kommt auf die Ballettschule an. Gibt Schulen, da steht Spass im Vordergrund. Gibt Schulen, die sind strenger. Bei unserer steht im Vertrag, dass das Kind nicht ohne (wichtige) Entschuldigung fehlen darf, sonst wird der Vertrag gekündigt. Im Unterricht wird mit allen Tricks gearbeitet: es gibt eine Endrunde mit Belohnungen für Fleiss etc. Wer gestört hat, bekommt nix. Die fleissigsten Schüler des Monats werden mit Foto an einer Wand genannt. Es gibt strenge Regeln, was Benehmen und Outfit/Haare betrifft. Und es wird konsequent durchgesetzt! Das alles kannst du im Klaviereinzelunterricht nicht machen.
 
Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte …
Sokrates, gestorben 399 v. Chr.
Das Zitat ist sehr beliebt. Leider gibt es, soweit mir bekannt, keine Quelle dafür. Sozusagen Fake. Korrigiere mich bitte, wenn Du mehr weißt …
 

@Tastatula Wie stellt sich der Junge Klavierunterricht vor? Ich weiss, die Frage hört sich komisch an. Aber meist haben Kinder bereits eine Vorstellung, was sie wollen/erwarten. Nimmt er Spiele an? Oder stellt er sich Klavierunterricht so vor, dass er ein dickes Buch mit vielen Noten bekommt? Hat er bereits Ziele, was er spielen möchte?
 
Das Zitat ist sehr beliebt. Leider gibt es, soweit mir bekannt, keine Quelle dafür.
Ähnlich wie bei der bekannten Geschichte von den drei Sieben, nicht wahr ;-) . Offenbar gibt es hier aber doch eine Quelle, aber natürlich nicht Sokrates, der ja selbst nichts Schriftliches hinterlassen hat und - siehe Platons "Apologie" - selbst als Verführer und Verderber der Jugend angeklagt war:
https://falschzitate.blogspot.com/2017/04/die-jugend-liebt-heutzutage-den-luxus.html

Welchen pädagogischen oder erkenntnismäßigen Mehrwert solche und ähnliche standgerichtliche Aburteilungen wie "verkorkst" und "ballaballa" haben sollen erschließt sich mir allerdings auch nicht. Draufhauen ist aber natürlich halt das Einfachste.
 
Zuletzt bearbeitet:
@susa @Sven :
Was ich immer wieder spannend finde: welche Disziplin im Ballettunterricht selbst von den Kleinen eingefordert - und auch erbracht! - wird. Die Ernsthaftigkeit, mit der das Ballett betrieben wird, wünschte sich manch ein Klavierlehrer auch von seinen Schülern.

Ich sehe so starke Parallelen bei Ballett und Klavier, dass diese beiden Themen für mich praktisch gleichgesetzt sind.
Es ist beides slow grind, also viel Arbeit für wenig sich langsam einstellenden Erfolg, und es ist beides aktive Musikausübung. Und es ist beides ein eher einsames Unterfangen. Man sitzt alleine am Instrument bzw. ist auch in einem vollen Ballettsaal auf sich allein gestellt, weil nur die Arbeit an sich selbst den Fortschritt bringt.

Es wäre interessant, nach den Ursachen zu suchen. Gibt es beim Ballett den Zwang einer wie auch immer gearteten Peergroup? Ein mehr oder weniger ausgeprägtes Team- bzw. Konkurrenzgefühl?

Ballett ist schon ein ziemliches Ego-Ding, weil man, wie oben schon geschrieben, auf sich allein gestellt ist. Ballettschüler unterscheiden sich schon im ganzen Verhalten im Studio von z.B. Jazz-Funk, Modern oder Contemporary-Schülern. Allein schon, wie sie (wir) beim Reingehen grüßen.
Balletties haben den Fokus nach innen, grüßen nur kurz, machen sich still fertig für die Stunde. (Umziehen, aufwärmen, Range of Motion in Besitz nehmen (sieht aus wie Stretching)).
Die anderen sind eher extravertiert, es wird geschnattert, laut überschwänglich gegrüßt.

Bis zwischen Ballettis private Kontakte entstehen, dauert es Jahre.

Das mit dem Konkurrenzgefühl würde ich unterschreiben. Eher nie (in meinem Umfeld) offen ausgelebt, aber die Anderen sind natürlich immer Ansporn.

Wohingegen die „Einzelhaft am Klavier“ eher lähmt als motiviert? Haben evtl. „Ballett-Eltern“ eine andere Einstellung zu dieser Kunst-/Sportart? Beim Musikunterricht herrscht ja leider eher die Haltung der Eltern (und Lehrer) vor „Mein Kind soll SPASS (mit Doppel-s!) haben …“

Bei Leuten, die aus eigenem Antrieb Klavier spielen und diesen Weg ernsthaft verfolgen, ist alles genauso, wie bei Leuten die ernsthaft Ballett betreiben.

Bei einem so einfachen Instrument, bei dem durch simples Tastendrücken schon ein vorzeigbarer Ton entsteht, tummeln sich nur einfach viel mehr Menschen mit den unterschiedlichsten nicht so ernsten Antrieben.
Die können sich beim Klavier auch länger halten. Vielleicht weil einen beim Einzelunterricht niemand rauswirft?

Beim Ballett wird man in höhere Kurse eingeladen, bevor der aktuelle Kurs das entsprechende Niveau erreicht, oder muss in einen niedrigeren Kurs, wenn man nicht mehr mitkommt.
Da passiert also eine Auslese, bei der man nicht durch Schummeln mithalten kann, sondern nur durch echtes Können.

Nach ein paar Jahren ist man nur noch mit Leuten in Ballettstunden oder Workshops, die auf einem ähnlichen Niveau sind.

Ein Unterschied ist vielleicht noch, das wahrscheinlich jeder Ballettunterricht auf der Welt, der diesen Namen zurecht trägt, praktisch gleich aussieht. Es ist ein ziemlich altes Kurrikulum, das mit eher kleinen Abwandlungen und Anpassungen der Methoden, weltweit den gleichen klassischen akademischen Tanz vermittelt.
Ich vermute, dass da die Streuung, was Klavierunterricht überhaupt beinhaltet und zu was er befähigt, um einiges größer ist.
 
Ihr Lieben,
Nun unterrichte ich schon seit einigen Jahrhunderten, allerdings überwiegend erwachsenere Schüler oder solche im Teeniealter.
Ganz selten, wie jetzt gerade, läuft ein junges Kind über meinen pädagogischen Weg. Gerade im Verlust der Milchzähne seiend, ist dieses fantasievolle Junge nicht in der Lage, sich länger als zwei Minuten am Klavier zu konzentrieren, wenn ich ihm etwas Neues beibringen möchte. Ich nutze jede Sekunde, die mir bleibt, dann wechseln wir wieder zu spielerischen Dingen, wie Singen, Rhythmusklopfen, Geschichten erzählen - musikalisch.
Interessanterweise ist dieses Junge durchaus fleissig und kann immer seine Hausaufgaben. Ich finde allerdings, dass ich, wegen dieser wirklichen Minispannen der "Arbeitsphasen" sehr mühsam nur vorwärts komme.
Vielleicht ist das ok. Manchmal sitzt das Junge auch am Klavier und sagt, es möchte jetzt nicht Klavier spielen.
Die Atmosphäre im Unterricht ist durchaus positv, das Kind ist zugewandt, erfindet dauernd seine eigene Realität (sagt z.B. dass es Schlagzeugunterricht habe, dass es Blockflöte schon fast fertig gelernt hat...was alles nicht stimmt)
Habt Ihr irgendwelche Ideen, wie man solch jungen Kindern es schmackhaft machen kann, sich etwas länger auf etwas einzulassen?
Letztens hatte ich haribo auf dem Tisch stehen. Da fragte es, ob es eines haben dürfe. Ich sagte ihm: Ok, wir machen diese Aufgabe noch gut zu Ende und dann darfst du gerne eines haben. Das hat funktioniert.
Da dieses Kind sehr spannend ist, und ich mit solchen Menschen noch nicht soo viel Erfahrung gemacht habe, also meine Frage an Euch Wissende.:-)
Liebe Tastatula,

ich unterrichte Vorschulkinder sehr, sehr gerne, mindestens 50 Minuten am Stück. Es ist ein Geschenk für Schüler, Lehrer und Eltern, so früh in professionellen Kontakt mit Musik zu kommen - das hört man später sehr deutlich an der Qualität des Spiels.

Natürlich können sich solche Kinder noch nicht lang konzentrieren, sie lernen im Spiel, über Bewegung, mit allen Sinnen, sie brauchen viel Interaktion, je nach Persönlichkeit viel auch "weg vom Klavier". Es ist sinnvoll, Elemente der Musikalischen Früherziehung in den Unterricht einzubauen.

Bei deiner Beschreibung des Unterrichts frage ich mich allerdings, ob dein Schüler wirklich eine so geringe Aufmerksamkeitsspanne hat oder ob sein Verhalten nicht anders begründet ist.

Dazu ein paar Fragen:

1. Wie alt ist er genau? Milchzähne können auch erst mit 8 Jahren ausfallen.
2. In welche Klasse geht er oder ist er noch im Kindergarten?
3. Wie kommt er in der Schule, ggf. Kindergarten zurecht?
4. Was sagen die Eltern zu seinem Verhalten (provozierende Äußerungen im Unterricht, eigene Realität erfinden ...)? Macht er das auch zu Hause?
5. Hören die Eltern im Unterricht zu?
6. Üben sie mit ihm zu Hause? Wenn ja, wie klappt das? Oder übt er selbstständig? Schreibst du ihm die Hausaufgaben auf, werden sie ihm vorgelesen oder merkt er sich, was du im Unterricht machst?

Antworten auf diese Fragen sind wichtig, um sein Verhalten einordnen zu können.

Es kann nämlich auch sein, dass die Unterrichtssituation in irgendeiner Weise bei ihm Unsicherheit und Unklarheit auslöst. Auf so was reagieren kleine Kinder oft mit Unruhe. Sie versuchen, dann selbst aktiv zu werden und den Unterricht zu bestimmen mit allen möglichen Ideen - so scheint es mir zu sein und so schreibst du auch selbst:

Ich denke, dass es im Unterricht Grenzen sucht und schaut, was so geht mit mir.

Das bedeutet, dass im Unterricht zumindest momentan eine sehr klare und enge Führung herrschen sollte. "Enge Führung" heißt NICHT, dass der Schüler immer nur Anweisungen bekommt, sondern es bedeutet, dass der Schüler immer ganz genau weiß, was jetzt gerade von ihm verlangt wird, was seine Aufgabe ist und worum es gerade geht!

Dieser Punkt ist eine der wichtigsten! Kleine Kinder reagieren auf Unklarheit immer mit Unruhe, umgekehrt geben ihnen Struktur, Rituale und ein "immer das Gleiche", in dem man viele Dinge erforschen und ausprobieren kann Sicherheit und Ruhe!

Die Klarheit fängt schon beim "Setting", bei der Struktur des Unterrichtsraums an., geht über die Wahl der Unterrichtsinhalte und die Strukturierung der Unterrichtsstunde zur Kommunikation mit dem Kind.

1. Setting

Der Unterrichtsraum sollte so strukturiert sein, dass es bestimmte Räume/Raumteile gibt, wo das Kind genau weiß, was es dort machen kann.

a) das Klavier (es wird gespielt, improvisiert, gemeinsam musiziert, Klänge werden erforscht ....)
b) eine Sitzecke (dort werden Geschichten erzählt, Fingerspiele gemacht, mit Orffschen Instrumenten begleitet, gewürfelt ....)
c) am Tisch (dort wird gemalt, geschrieben, geknetet ....)
d) freie Fläche im Raum (Bewegung, rhythmische Spiele, Einführung von Liedern mit Bewegung ....)

Wichtig: auf der freien Fläche werden keine Geschichten erzählt, am Klavier werden keine Fingerspiele gemacht - es muss völlig klar sein für das Kind, was jeder Raum bietet und was nicht (Funktion).

2. Wahl der Unterrichtsinhalte

Was machst du denn mit dem Kind, was sind deine Unterrichtsinhalte? Bauen sie aufeinander auf? Gerade wenn du noch nicht so viel Erfahrung mit so kleinen Kindern hast, kann es Überforderung geben. Ich z.B. fange grundsätzlich ohne Noten an und je nach Schüler kann das auch ein halbes Jahr dauern. Wie du dann die Noten methodisch einführst ist ebenso sehr wichtig und kann den Ausschlag geben zwischen Unruhe des Kindes und begeisterter Aufnahme. Eine sehr wichtige Regel und auch Schwierigkeit in der Musikalischen Früherziehung ist es z.B., Schritte für kleine Kinder wirklich logisch aufzubauen - vergisst man einen Schritt, hat man den Salat, die Kinder verstehen nichts und machen dann, was sie wollen. :D

Wichtig ist auch, nicht zu viele Unterrichtsinhalte in eine Stunde zu packen. Kindgerecht ist, einen Unterrichtsinhalt aus vielen verschiedenen Perspektiven zu erfahren, ebenfalls ein sehr wichtiger Punkt! Es würde mich sehr interessieren, bei welchen Unterrichtsinhalten dein Schüler nicht bei der Stange bleibt und du das Gefühl von "mühsam" hast! Es wäre toll, da mal ins Konkrete zu gehen und die unterschiedlichen Perspektiven hier im Faden zu erarbeiten!

3. Strukturierung der Unterrichtsstunde

Besonders bei eher unruhigen, sehr aktiven Kindern, im Übrigen auch bei ADHS-Kindern sind Rituale im Unterricht sehr wichtig! Sie können individuell sehr verschieden gewählt werden. Der eine möchte immer das gleiche Begrüßungslied singen, der andere ein Abschiedslied, zwischendurch bei Unruheanfällen gibt's eine Portion Quatschmachen mit entsprechendem Symbol (Karte, Gegenstand), z.B. könnte der Lehrer was Wildes/Verrücktes/Fröhliches/Trauriges improvisieren, der Schüler bewegt sich dazu entsprechend der Musik und kommt mal schön außer Atem; musikalisches Grimassenschneiden ...., der eine legt sich lieber auf Kissen und Decken unter den Flügel und lauscht kleinen Impros des Lehrers, der andere mag Aktionskarten, auf denen er sich jede Stunde eine aussuchen darf, wenn er was anderes machen will ... .

Ein Wechsel von Ruhe und Bewegung, Stille und Klang, viel Abwechslung ist dabei wichtig, @Stilblüte hat dazu viele gute Ideen aufgeschrieben und du selbst machst das ja auch. Wichtig ist aber, dass dabei sowohl das Setting (welcher Raum welche Funktion) als auch nicht zu viele Unterrichtsinhalte dabei berücksichtigt werden! Es wird sonst unübersichtlich. Struktur ist das Zauberwort!

4. Kommunikation mit dem Kind

Ich weiß, liebe @Tastatula, dass du eine auch in der Sprache sehr klare Person bist! Du schreibst aber auch, dass du eben noch nicht viel Erfahrung mit dieser Altersgruppe hast und es kann sein, dass dein Schüler eine Unsicherheit merkt.

Besonders fällt mir auf, dass du deinen Schüler als "dieses Junge" bezeichnest. Ich mag deine Ausdrücke oft, aber hier stört es mich. Kein Neutrum, sondern ein Mensch von Angesicht zu Angesicht, von dem ich als Lehrer auch etwas erwarte und einfordere, den ich sehe und ernst nehme.

Mit kleinen Kindern möglichst wenig reden, aber in sehr klaren, einfachen Sätzen! Eine Aufforderung ist eine Aufforderung, eine Bitte, eine Bitte (die dann das Kind auch ablehnen darf), eine Frage ist eine Frage. Führe! Und zwar so, dass deinem Schüler immer klar ist, was er tun soll! Ob er jetzt das machen soll, wozu du ihn aufforderst, ob er gerade viel Freiraum zum Experimentieren bekommt (wo im Raum?), ob er mit dir zusammen ein Lied singt oder am Klavier auf schwarzen Tasten improvisiert.

Es wäre zu überlegen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Unklarheit im Unterrichtsablauf oder der Kommunikation und seinen Äußerungen. Ich weiß auch nicht, ob ich die immer überhören würde.

Fazit: Mir scheint hier eher eine Beschränkung und Strukturierung wichtig zu sein, die für mehr Klarheit und Übersichtlichkeit sorgen. Ich würde versuchen, dem Kind nicht so viel Freiheit zu geben, sondern ihm ein klares methodisches Umfeld vorgeben, wo er sich dann austoben kann. Evtl. ist weniger mehr. Mir ist sehr bewusst, dass alles Geschriebene auf Vermutungen basiert - vielleicht ist das Kind tatsächlich etwas hyperaktiv und braucht einfach Zeit. Dann die Ansprüche runterschrauben. Die besten Voraussetzungen habt ihr jedenfalls, gute Atmosphäre, erfahrene, kreative, reflektierende Lehrerin u.v.a.m.. :026:

Viel Freude und Erfolg!

chiarina
 
Wie stellt sich der Junge Klavierunterricht vor?
Genau diese Frage werde ich ihm das nächste Mal stellen. Ich habe es bisher nicht getan, weil es so verspielt ist, dass ich für mich dachte, es hat gar keine Vorstellungen, es hat Geschwister, die Instrumente spielen und Musikereltern...
Auch will ich mit ihm mal Rollentausch machen, dass ich mich an´s Klavier setze und es mir etwas beibringen soll.
Mal schauen, was passiert.
Wenn ich es frage, welche Lieder es kennt, dann antwortet es: Keine...
(Übrigens wundert Euch nicht. Ich versuche gerade, Mädchen und Jungen gleichgeschlechtlich zu behandeln. Es ist schon erstaunlich, wie schwer mir fällt: "das Junge" zu sagen - hatten wir an anderer Stelle im Forum mal. Ich finde sehr interessant, was Artikel so in einem auslösen...)
 
Liebe @chiarina , vielen Dank für die sehr detaillierte Betrachtung.
Das Ding mit dem "es" habe ich - da hatte ich Deinen Beitrag noch nicht gelesen - in meinem letzten Post erklärt.:-)
Ich antworte mal detailliert:
1. Wie alt ist er genau? Milchzähne können auch erst mit 8 Jahren ausfallen.
gerade sieben geworden und geht in die erste klasse einer Montessorischule

3. Wie kommt er in der Schule, ggf. Kindergarten zurecht?
genau weiss ich das nicht, aber es gibt wohl schon auch Gespräche zwischen Lehrern und Eltern - wie sie mir erzählt haben

4. Was sagen die Eltern zu seinem Verhalten (provozierende Äußerungen im Unterricht, eigene Realität erfinden ...)? Macht er das auch zu Hause?
Schon im Vorfeld sagte der Vater, dass sein Kind eine starke Hand brauche.
Und ja, er lebt ständig in Erfindungen, auch zuhause.
Der Vater sagte unlängst schmunzelnd, dass er gerne mal einen Tag in seinem Leben XX sein wolle.
Das Kind ist wirklich sehr besonders. Und durchaus schwierig zu beschreiben. Er ist ein sehr lieber Mensch, also gar nicht aggressiv, sehr wach und zugewandt.
von allem Anfang haben sie gesagt, dass sie lieber nicht dabei wären, weil es eine Sache zwischen Schüler und Lehrer sei und ich kann für dieses Kind bestätigen, dass ich sehr froh bin, mit ihm alleine zu arbeiten, weil wir wirklich nur wir beide sind. Das schätze ich als hohe Qualität!
6. Üben sie mit ihm zu Hause? Wenn ja, wie klappt das? Oder übt er selbstständig? Schreibst du ihm die Hausaufgaben auf, werden sie ihm vorgelesen oder merkt er sich, was du im Unterricht machst?
Ja, gelegentlich üben sie mit ihm, sehr oft aber auch nicht. Ich schreibe die Hausaufgaben auf.

Zum Setting:

Danke für die Hinweise. Und ja, genau das mache ich auch. Wenn das Kind zu mir kommt, lasse ich es wie einen normalen Gast auf dem Sofa Platz nehmen und wir sprechen über Schule, Geburtstag oder Ähnliches.
Allerdings hatte ich mir noch nicht so klar gemacht, wie wichtig es ist, dass Dinge an bestimmten Plätzen stattfinden. Intuitiv habe ich es aber so gestaltet. Es gibt einen Tisch zum Schreiben oder Malen - leider mag er das nicht. Es gibt freien Raum für rhythmische Körperspiele.
Es gibt den Zuhörstuhl und das Erzählsofa - in seiner gegenwart nenne ich das aber nicht so.

Und Du hast Recht, er braucht eine geschmeidige Führung, da er sich sonst unsicher fühlen würde.
Ich arbeite daran. In der letzten Stunde war ich strenger als in den Wochen zuvor und hatte das Gefühl, dass ihm das gut getan hat.
Da ich selber sehr spontan bin und auf Reize ganz gut eingehen kann, mache ich mir zur Strukturierung vor jeder Stunde einenn Plan, was ich sonst so dezidiert nicht mache.
 
@Tastatula Übrigens finde ich das Thema sehr gut, Unterricht mit den Kleinsten. Ich befürchte, nicht jedem ist so bewusst wie dir, dass man mit kleineren Kindern anders umgehen muss. Hier irgendwo gibt es noch eine alte Diskussion über einen sehr jungen Klavierschüler, der weinte, weil er nicht klingeln durfte. Leider in dem Alter (Kindergarten/erste Klasse) ein recht typisches Verhalten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für die Hinweise. Und ja, genau das mache ich auch. Wenn das Kind zu mir kommt, lasse ich es wie einen normalen Gast auf dem Sofa Platz nehmen und wir sprechen über Schule, Geburtstag oder Ähnliches.
Danke für deine ausführliche Rückmeldung! Nur eins dazu auf die Schnelle (wenig Zeit gerade):

Als erste Aktion im Unterricht würde ich nicht Erzählen und Sofa wählen, sondern auf jeden Fall das Klavier (Begrüssungslied o.ä.?, vielleicht immer anders von dir begleitet?). Es ist ja eine KLAVIERstunde. 😀
 

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