Und genau das ist der Punkt, an den man nicht kommen sollte. Daß man als Anfänger "mit jedem Takt oder sogar jeder Note zu kämpfen hat." In diesem Fall hat man einfach ungeeignete Stücke. Ich habe nie - also wirklich nie, beginnend bei meiner ersten Klavierstunde im Alter von 10 Jahren - mit jedem Takt gekämpft. Die Stücke waren meinen Fähigkeiten immer so angepaßt, daß ich das meiste vom Blatt spielen konnte. Und geübt - in dem Sinn wie es hier im Forum von allen Seiten propagiert wird - hab ich eigentlich nie. Klar hab ich geübt, sehr viel sogar - im Sinne von besser, richtiger, schöner spielen. Aber nicht im Sinne von Noten einpauken.
Wir sind ja selten einer Meinung, Haydnspaß. :p
Hier muss ich Dir absolut zustimmen.
Es mag sein, dass man sich mit der Affendrillmethode in einer gewissen Zeit schwere Stücke in das Hirn prügeln kann. Langfristig wird man nach dadurch keine Zeit gewinnen.
Wenn das Stück zu schwer ist, sind technische Probleme, Verkrampfungen, oft sogar Entzündungen und Verletzungen vorprogrammiert.
Wer ein kleines zweistimmiges Stück aus dem "Notenbüchlein" nicht stilbewußt und ausdrucksfähig vortragen kann, wird sich an einer dreistimmigen Invention oder Fuge die Zähne ausbeißen.
Für ebenso unsinnig halte ich es, wenn jemand eine große Beethovensonate einpaukt, die dann natürlich nach Hanon klingt, weil er nie eine frühe Haydn Sonate bewältigt hat.
Irgendwo hast Du geschrieben, ein Stück sei zu schwer, wenn man es nicht nach vier Wochen langsam einigermaßen durchspielen kann, ich würde noch weiter gehen: Wenn man ein Stück nicht sofort langsam nach Noten im Zusammenhang durchspielen kann und zwar mit beiden Händen, ist es zu schwer. Genau dann braucht man einige dieser Einpaukmethoden, die hier im Forum immer wieder mal empfohlen werden. Zur Musik kommt man in aller Regel dann nicht mehr, weil das Einpauken so viel Zeit und Energie frißt. Wer das Klavierspielen ausschließlich so lernt, wird in den meisten Fällen lebenslänglich von diesen Einpaukmethoden abhängig sein.
Schade, dass der klassische Späteinsteiger nicht die Geduld des Kindes aufbringt. Es ist natürlich verständlich, der Erwachsene hat bereits musikalische Vorstellungen, Träume und Wünsche. Kinder gehen recht unbedarft ans Klavier und haben auch kein Problem, wenn sie im ersten Jahr mehr oder weniger nur Kinderlieder spielen. So kann man Blattspielen und nach Gehör spielen gleichmäßig in aller Ruhe entwickeln.
Ich will dem Erwachsenen die Freude nicht nehmen, also soll er sich halt hin und wieder ein schweres Stück vornehmen. Auch meine erwachsenen Schüler spielen immer wieder "zu schwere" Stücke. Ich versuche aber immer wieder darauf hinzuwirken, dass regelmäßig vom Blatt gespielt wird, dass sogenannte "leichte" Stücke ernst genommen werden und dem entsprechend sorgfältig gearbeitet werden. Ich erinnere mich, hier im Forum wurde einmal das Album für die Jugend als "Kindergartenstücke" bezeichnet. Mich schaudert's wenn ich sowas lesen muss.
Wer ernsthaft Klavier spielen lernen will, geht es besser ruhig und entspannt an und genießt den Weg, der lang und manchmal steinig ist.