- Dabei seit
- 23. Apr. 2006
- Beiträge
- 1.372
- Reaktionen
- 258
@killmymatrix
Natürlich wäre es schön, wenn ALLE SchülerInnen irgend wann einmal vom Lehrer unabhängig werden und ihre Musik weiter in irgend einer Form - auch alleine oder mit anderen - betreiben. Doch wie sieht die Realität denn aus? Von 100 jüngeren Schülern behalten wieviele die Musik in ihrem Leben und bleiben am Ball? Kann man diese Forderung denn überhaupt stellen?
Meine "beste" Schülerin war eine 35 jährige Frau, die täglich von 20 bis 21 Uhr geübt hat. Für ihre Kinder war sie dann nicht ansprechbar. Nach 2 Jahren konnte sie leidlich das Ab Dur Impromptus von Schubert spielen. Ihre Vorkenntnisse waren 250 Anschläge auf der Schreibmaschine. Ziemlich flott. Die Nägel auch hier: immer einen Hauch zu lang... dann begann sie, Bienen zu züchten. Vorher hatte sie 2 Jahre sehr professionell getöpfert bis die ganze Verwandschaft und Freundeskreis mit Töpferware und Kuns zugedonnert war. Aus ihrer Zeit eines VHS-Nähkurses nähte sie gelegentlich noch für ihre Jungs Designer-Jeans nach, mit Hosenboden in Kniehöhe, das war vor 15 Jahren. Aber das Nähen an sich war für sie durch, ihre Jungs mussten schon ganz schön drücken. Ach ja, sie hörte dann mit Klavier auf, ihre nicht übenden Jungs auch und das Klavier wurde verkauft, so wie auch die Bienen nach 5 Jahren wieder weg kamen...
Was ich damit sagen will: was kann ich denn als Lehrerin wissen, was gut und "richtig" für meine Kundschaft ist? Eindrucksvoll fand ich auch die Lisa, eine 12 Jährige, die in der Vorstellungsstunde sagte, dass sie genau EIN Jahr lang Unterricht haben möchte und sich DANN entscheiden wolle, ob das was für sie wäre. Auf die Frage, wie viel Übezeit sie denn investieren wolle, meinte sie: so ungefähr eine Stunde pro Tag, wenn keine Arbeiten oder so etwas anstehen. Dann vielleicht etwas weniger. Ihre Frage war dann sehr konkret: wie weit sie denn dann kommen würde und ob ich ihr die Stücke vorspielen könnte? Ich spielte ihr "Für Elise" und Den "Marsch des königlichen Löwen" von Camille Saint Sans vor, in einer schönen Bearbeitung für Klavier Solo. Beides hatte sie nach 9 Monaten drauf, so wie einige andere Stücke. Klang gut, war schön. Nach einem Jahr bedankte sie sich und: hörte auf. Ich fand es großartig.
Natürlich meine ich mit "behalten", dass zu Hause nichts Neues hinzu gelernt wird. Doch was verlangt man denn da von den Kinderchen... in der Schule fängt das wirkliche selbständige Arbeiten doch auch erst später an. Vorher müssen sie einfach die Dinge zu Hause üben, die als Stoff in der Schule durchgenommen wurden... das sind dann die Hausaufgaben. Ganz einfach.
@Haydnspaß
Viele haben ein gutes Gehör, eigentlich alle. Denn jeder lernt seine Muttersprache und macht dabei exakt die ortsüblichen Abweichungen in Tonfall und Prosodie. Es gibt sogar große Komponisten, die keine Noten konnte, Miles Davis zB lernte erst mit 40 Jahren Noten. Thelonius Monk war auch kein großartiger Notist, meine ich.
Und dann die Schar der blinden Pianisten... klar, dafür gibt es auch eine Notenschrift... ich habe mal versucht, in das System hinein zu kommen, um einer Blinden mehr Memo-Hilfe zu geben. Aber das war uns beiden zu stressig. Wir haben lieber weiter hin musiziert was das Zeug hielt. Sie spielt heute immer noch.
Du sprichst von "Unwilligkeit" Noten zu lesen... höre ich da einen kleinen Vorwurf heraus? Wie kann man denn jemandem daraus einen Vorwurf machen, dass er es nicht schafft - aus welchen Gründen auch immer - Noten zu lesen?!? Eine Schülerin verheimlichte mir mal, dass sie an grünem Star litt. Es war die einzige Schülerin, die ich angebrüllt habe und die ich rausgeschmissen habe, weil sie "Unwilligkeiten" beim Notenlesen zeigte. Das tut mir heute noch leid.
Außerdem muss man berücksichtigen, dass es Kinder gibt, deren Augenreifung erst mit 14 oder 15 Jahren abgeschlossen ist. Sie haben einfach Probleme, die Augen auf einen Punkt zu fixieren, was eigentlich mit 6 Jahren bei den meisten kein Thema mehr ist. Die parrallelen Linien tun ein übriges dazu, diese "unsteten" Augen zu irritieren. Da hilft auch nicht Bodenmann, der ein System auf eine DinA4 Querseite hochzieht.
Dann hatte ich noch mit Personen zu tun, auch Erwachsene, denen ich empfohlen habe sich mal mit dem Phänomen Winkelfehlsichtigkeit und Prismenbrille zu beschäftigen... viele Leute haben keine Ahnung, was es damit auf sich hat, sogar die Fachärzte wissen darüber wenig bis gar nichts. Was Wikipedia dazu schreibt ist eher Schulmedizinisch und stimmt nicht so ganz. Nun ja, den Kindern wird dann sehr schnell und einfach "Unwilligkeit" vorgeworfen (beim Lesen... und Schreiben...) ...und nun ja, ich gebe zu, natürlich spielt das auch manchmal eine Rolle... Unsere Schüler sind eben einfach alle faul, unwillig, charakterschwach, unkonsequent... hallo?!?! Was sollen denn immer diese Schuldzuweisungen? Ist jemandem schon mal aufgefallen, dass alle Schüler wie ihre Lehrer klingen? Sie sind das eigene Abziehbild!!! Werfen wir ihnen Faulheit vor, dann sind wir selbst faul. Werfen wir ihnen fehlende Liebe zur Musik vor, dann fehlt uns diese Liebe selbst. So einfach ist das.
Erziehung ist Liebe. DAS ist ein schöner Buchtitel.
"Üben ist doof" ist der bescheuertste Buchtitel, den ich je gehört habe. Das Buch an sich ist auch nicht viel besser. Wie kommt man denn auf so eine Idee, dass Üben doof ist?!? Kann ja nur daran liegen, dass man das selbst denkt... und wenn einem dieser Buchtitel aus der Seele spricht... puh, Leutz, da müssen einige wohl ein ziemliches Problem haben mit dem üben. Darf ich an dieser Stelle man zugeben: ich habe in meinem Leben noch nie "geübt"... ich habe immer nur: Musik gemacht.
In diesem Sinne
Viola
Natürlich wäre es schön, wenn ALLE SchülerInnen irgend wann einmal vom Lehrer unabhängig werden und ihre Musik weiter in irgend einer Form - auch alleine oder mit anderen - betreiben. Doch wie sieht die Realität denn aus? Von 100 jüngeren Schülern behalten wieviele die Musik in ihrem Leben und bleiben am Ball? Kann man diese Forderung denn überhaupt stellen?
Meine "beste" Schülerin war eine 35 jährige Frau, die täglich von 20 bis 21 Uhr geübt hat. Für ihre Kinder war sie dann nicht ansprechbar. Nach 2 Jahren konnte sie leidlich das Ab Dur Impromptus von Schubert spielen. Ihre Vorkenntnisse waren 250 Anschläge auf der Schreibmaschine. Ziemlich flott. Die Nägel auch hier: immer einen Hauch zu lang... dann begann sie, Bienen zu züchten. Vorher hatte sie 2 Jahre sehr professionell getöpfert bis die ganze Verwandschaft und Freundeskreis mit Töpferware und Kuns zugedonnert war. Aus ihrer Zeit eines VHS-Nähkurses nähte sie gelegentlich noch für ihre Jungs Designer-Jeans nach, mit Hosenboden in Kniehöhe, das war vor 15 Jahren. Aber das Nähen an sich war für sie durch, ihre Jungs mussten schon ganz schön drücken. Ach ja, sie hörte dann mit Klavier auf, ihre nicht übenden Jungs auch und das Klavier wurde verkauft, so wie auch die Bienen nach 5 Jahren wieder weg kamen...
Was ich damit sagen will: was kann ich denn als Lehrerin wissen, was gut und "richtig" für meine Kundschaft ist? Eindrucksvoll fand ich auch die Lisa, eine 12 Jährige, die in der Vorstellungsstunde sagte, dass sie genau EIN Jahr lang Unterricht haben möchte und sich DANN entscheiden wolle, ob das was für sie wäre. Auf die Frage, wie viel Übezeit sie denn investieren wolle, meinte sie: so ungefähr eine Stunde pro Tag, wenn keine Arbeiten oder so etwas anstehen. Dann vielleicht etwas weniger. Ihre Frage war dann sehr konkret: wie weit sie denn dann kommen würde und ob ich ihr die Stücke vorspielen könnte? Ich spielte ihr "Für Elise" und Den "Marsch des königlichen Löwen" von Camille Saint Sans vor, in einer schönen Bearbeitung für Klavier Solo. Beides hatte sie nach 9 Monaten drauf, so wie einige andere Stücke. Klang gut, war schön. Nach einem Jahr bedankte sie sich und: hörte auf. Ich fand es großartig.
Natürlich meine ich mit "behalten", dass zu Hause nichts Neues hinzu gelernt wird. Doch was verlangt man denn da von den Kinderchen... in der Schule fängt das wirkliche selbständige Arbeiten doch auch erst später an. Vorher müssen sie einfach die Dinge zu Hause üben, die als Stoff in der Schule durchgenommen wurden... das sind dann die Hausaufgaben. Ganz einfach.
@Haydnspaß
Viele haben ein gutes Gehör, eigentlich alle. Denn jeder lernt seine Muttersprache und macht dabei exakt die ortsüblichen Abweichungen in Tonfall und Prosodie. Es gibt sogar große Komponisten, die keine Noten konnte, Miles Davis zB lernte erst mit 40 Jahren Noten. Thelonius Monk war auch kein großartiger Notist, meine ich.
Und dann die Schar der blinden Pianisten... klar, dafür gibt es auch eine Notenschrift... ich habe mal versucht, in das System hinein zu kommen, um einer Blinden mehr Memo-Hilfe zu geben. Aber das war uns beiden zu stressig. Wir haben lieber weiter hin musiziert was das Zeug hielt. Sie spielt heute immer noch.
Du sprichst von "Unwilligkeit" Noten zu lesen... höre ich da einen kleinen Vorwurf heraus? Wie kann man denn jemandem daraus einen Vorwurf machen, dass er es nicht schafft - aus welchen Gründen auch immer - Noten zu lesen?!? Eine Schülerin verheimlichte mir mal, dass sie an grünem Star litt. Es war die einzige Schülerin, die ich angebrüllt habe und die ich rausgeschmissen habe, weil sie "Unwilligkeiten" beim Notenlesen zeigte. Das tut mir heute noch leid.
Außerdem muss man berücksichtigen, dass es Kinder gibt, deren Augenreifung erst mit 14 oder 15 Jahren abgeschlossen ist. Sie haben einfach Probleme, die Augen auf einen Punkt zu fixieren, was eigentlich mit 6 Jahren bei den meisten kein Thema mehr ist. Die parrallelen Linien tun ein übriges dazu, diese "unsteten" Augen zu irritieren. Da hilft auch nicht Bodenmann, der ein System auf eine DinA4 Querseite hochzieht.
Dann hatte ich noch mit Personen zu tun, auch Erwachsene, denen ich empfohlen habe sich mal mit dem Phänomen Winkelfehlsichtigkeit und Prismenbrille zu beschäftigen... viele Leute haben keine Ahnung, was es damit auf sich hat, sogar die Fachärzte wissen darüber wenig bis gar nichts. Was Wikipedia dazu schreibt ist eher Schulmedizinisch und stimmt nicht so ganz. Nun ja, den Kindern wird dann sehr schnell und einfach "Unwilligkeit" vorgeworfen (beim Lesen... und Schreiben...) ...und nun ja, ich gebe zu, natürlich spielt das auch manchmal eine Rolle... Unsere Schüler sind eben einfach alle faul, unwillig, charakterschwach, unkonsequent... hallo?!?! Was sollen denn immer diese Schuldzuweisungen? Ist jemandem schon mal aufgefallen, dass alle Schüler wie ihre Lehrer klingen? Sie sind das eigene Abziehbild!!! Werfen wir ihnen Faulheit vor, dann sind wir selbst faul. Werfen wir ihnen fehlende Liebe zur Musik vor, dann fehlt uns diese Liebe selbst. So einfach ist das.
Erziehung ist Liebe. DAS ist ein schöner Buchtitel.
"Üben ist doof" ist der bescheuertste Buchtitel, den ich je gehört habe. Das Buch an sich ist auch nicht viel besser. Wie kommt man denn auf so eine Idee, dass Üben doof ist?!? Kann ja nur daran liegen, dass man das selbst denkt... und wenn einem dieser Buchtitel aus der Seele spricht... puh, Leutz, da müssen einige wohl ein ziemliches Problem haben mit dem üben. Darf ich an dieser Stelle man zugeben: ich habe in meinem Leben noch nie "geübt"... ich habe immer nur: Musik gemacht.
In diesem Sinne
Viola