Talent wird überbewertet

Lustigerweise gibt es gerade im Schach ein sehr prominentes Beispiel dafür, das Talent evtl. überbewertet sein könnte: Judit Polgar.

Ich halte das Polgar-Beispiel auch für nicht so aussagekräftig, weil die "Beweisführung" eben nur über die drei eigenen Töchter erfolgte. Der geplante Versuch mit adoptierten Drittwelt-Kindern kam ja meines Wissens nie zustande.

In der Schach-Weltelite ist jeder in der Lage, mit verbundenen Augen gegen mehrere Gegner gleichzeitig zu spielen (Blind-Simultan, der Weltrekord liegt bei 48), wenn man ihm nur der Reihe nach die Züge der Gegner an den einzelnen Bretter mitteilt (mittels der Brett-Koordinaten). Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass das in dem Maße erlernbar ist, egal wie früh mit dem Training begonnen wird und wie gut der Lehrer ist, aber beweisen kann ich es natürlich nicht ;)
 
Ich habe früher Turnierschach gespielt. Blindspielen mit meinem Bruder in der Jugend. da ist man echt nahe am Wahnsinn, richtig gefährlich.
 
da ist man echt nahe am Wahnsinn, richtig gefährlich.

Ich sehe, ich habe die Brisanz dieses Denksports offenbar unterschätzt. :-)



Zur Genetik: Logo vererbt sich "Talent" bzw. bestimmte Eigenschaften, die man in ihrem Ergebnis dann so nennt. Nur leider absolut nicht zuverlässig, weil (*hust*) auch nicht gezielt angepaart wird. :lol:

In der Pferdezucht spricht man von "großen Vererbern". So nennt man Elterntiere, die ihr Talent (also die "bestimmten Eigenschaften") recht zuverlässig weitergeben, oft sogar über Generationen hinweg. Die am verlässlichsten dokumentierte Haustierrasse ist das Vollblut. Da gibt es die verrücktesten Spezialkenntnisse, die man kennen muss (oder kennen sollte), um zu wissen, wo in der P² oder gar P³-Generation bestimmte Vererber stehen müssen (oder wenigstens, je nach dem, linke oder rechte Geschwister), damit das Produkt in der Enkelgeneration seines genetischen Segens (oder Fluchs) teilhaftig wird. :lol: Man weiß z. B. X in der aufsteigenden Mutterlinie bringt die besten Ergebnisse mit Y in der absteigenden männlichen Mutterlinie (und noch erheblich kompliziertere Berechnungen, da gibt´s so was wie "linke" Mütter, "rechte" Geschwister etc.) Und am Ende siegt manchmal dann doch der "Freak" (einer, dessen Vorfahren niemandem wirklich was sagen) :lol:


Das gälte für Menschen natürlich genauso, aber bei dieser Spezies kann es aus nachvollziehbaren Gründen nicht praktiziert werden. ;-)
 
Neue Erkenntnisse zum Thema "Ist Talent messbar?": Anscheinend ist das bei Musikalität tatsächlich zu einem gewissen Grad anhand von Genanalysen möglich.

 
Am besten gefällt mir die Unterüberschrift

Danke dafür. "Sie haben so eine Talent / so eine tolle Begabung" ist nämlich eigentlich kein echtes Kompliment, auch wenn es nett gemeint ist (und ich fasse es meistens auch so auf). Im Gegenteil, wenn man es genau betrachtet, würdigt es die viele Arbeit herab, die im Können steckt, durch die Abschwächung, das käme doch alles vom Talent.
 
Ich sehe darin auch keine Herabwürdigung, mich überrascht es eher, dass man das so sehen kann, habe ich bisher nie.
Wenn man das Talent/die Begabung eines Menschen lobt, impliziert man normalerweise nicht, dass er dafür nicht hart gearbeitet hat. Das Talent und die Arbeit - um so weit zu kommen - gehen Hand in Hand, und 99% der Menschen wissen das.

Neue Erkenntnisse zum Thema "Ist Talent messbar?": Anscheinend ist das bei Musikalität tatsächlich zu einem gewissen Grad anhand von Genanalysen möglich.

 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich ein Talent habe, habe ich dafür ja rein gar nichts geleistet. Das wäre ein bisschen so, als würde man mich toll finden, weil ich aus Deutschland komme, oder weil ich blaue Augen habe etc.
Natürlich verstehe und wertschätze ich so ein Kompliment :002: Bloß bringt einem das Talent allein nichts, den größten Anteil hat die Arbeit.
 
bringt einem das Talent allein nichts, den größten Anteil hat die Arbeit.
Auf wen würdet Ihr wetten?
Talentiert und faul oder
Mäßig begabt und fleißig?

Alte KL Weisheit: der/die/das fleißige (und unverzagte) gewinnt (fast) immer!

Dass große Begabung plus Fleiß noch besser abschneiden ist banal.

Deutschland hat seit Nietzsche mit Leuten, die sich durch Fleiß an Orten (Kunst, Wissenschaft) einschleichen, zu denen sie mangels Genie keinen Zutritt haben dürften, ein Problem.
 

Natürlich verstehe und wertschätze ich so ein Kompliment :002: Bloß bringt einem das Talent allein nichts, den größten Anteil hat die Arbeit.
Ich glaube, dass die meisten Leute das auch so meinen, dass sie mit einem solchen Kompliment die Arbeit würdigen, die man zum Ausbauen des eigenen Talents hineingesteckt hat. Es wird einfach nur ungenau formuliert.

Ich verstehe natürlich trotzdem, was Du meinst, weil ich gestern ein ähnliches "Kompliment" erhalten und mich damit sehr unwohl gefühlt habe.

Wer für etwas Talent hat, der fühlt sich zu der entsprechenden Tätigkeit hingezogen. Ich kann z.B. auf Anhieb 20 Gebiete nennen, auf denen ich völlig talentfrei bin (also eher ein Anti-Talent habe) und Training und Übung die reinste Quälerei für mich wären (ohne nennenswerten Fortschritt), während es mich z.B. immer wieder automatisch zur Musik hinzieht.

Außenstehende spüren, wenn die Tätigkeit oder Kunst, die jemand ausübt, zum betreffenden Menschen "passt". Dann wirkt es besonders natürlich, nicht aufgesetzt. Die Bewegungen sind natürlich, der Mensch wirkt trotz harter Arbeit entspannt. Dieses Natürliche (z.B. beim Handballspielen, beim Operieren, beim Programmieren, beim Handwerken, beim Musizieren, beim Turnen, beim Tanzen...) wirkt sehr anziehend und überträgt sich auf die Zuschauer, und die Leute mögen das.
 
Talent ist, soweit ich das als Außenstehender sagen kann, einfach die große Hand, die dir die Äste mit den leckersten Früchten herunter drückt, so, dass du sie greifen kannst. Aber greifen musst du sie schon, dazu wäre diese große Hand eben zu groß. Gut, sie könnte die Äste auch schnell loslassen, so dass sie schwingen und alle Früchte herunterfallen, aber ... spinnt die Metapher gerne selbst weiter. Ich finde sie einen ganz netten, mitteilungswürdigen Einfall.
 
"Talent" wird vielleicht zu verengt betrachtet nach dem Motto: "Wenn, dann hat man 1 Talent für irgendwas. 2 Talente wäre ja schon 'Doppelbegabung', und das kann nicht sein."

Eher ist es so, dass jeder für mehrere Sachen ein Talent hat, aber nicht für jedes davon so brennt, dass er es durch massiven Fleiß ausbauen möchte.

Viele Leute - auch "ohne Abitur" - können ganz passable Reden oder sogar Gedichtvorträge schreiben. In jedem Sportverein findet sich so jemand. Da bildet sich aber keiner als Nachfolger von Bert Brecht ein...

Mit Talent und etwas Übung kann man schon ein passables Niveau erreichen, das andere doch ein wenig staunen machen könnte.
 
Viele Leute - auch "ohne Abitur" - können ganz passable Reden oder sogar Gedichtvorträge schreiben. In jedem Sportverein findet sich so jemand. Da bildet sich aber keiner als Nachfolger von Bert Brecht ein...

Ich finde diese Aussage sehr arrogant und gleichzeitig sehr lustig. Als würde das Abitur (verstehe die Anführungszeichen oben nicht so ganz) einen automatisch? zu einem intelligenteren oder beleserenen Menschen machen.
Meine jahrzehntelange Erfahrung sagt ganz eloquent "nööööö".
:-D

(Bertold Brecht studierte Philosophie und Medizin. Hat mit der Schriftstellerei erst mal nix zu tun. Wer weiß, was aus ihm geworden wäre, hätte er nicht während dem Studium am Seminar von Kutscher teilgenommen?)
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Talentierte lernt aus einem innerem Bedürfnis. Das Talent verschafft ihm die Erfüllung durch seine Tätigkeit. Der Fleißige lernt durch eiserne Disziplin. Das erreichte Ziel des Angestrebten erfüllt ihn. Den langen dornigen Weg per aspera ad astra gehen beide.
Vielleicht ist eine Kombination aus beidem das erfolgversprechendste. Ich glaube auch nicht, dass es das eine oder andere Extrem gibt, sondern es sind immer unterschiedlich gewichtete Kombinationen. So lernt der Talentierte die Disziplin, sonst wird es nichts. Der Fleißige muss seine Stärken erst noch finden und ausbilden, sonst ist er zu mechanisch.
Allgemeiner Sprachgebrauch: Begabung + Schweiß = Talent (eigentlich eine Ungleichung)
 
Danke dafür. "Sie haben so eine Talent / so eine tolle Begabung" ist nämlich eigentlich kein echtes Kompliment, auch wenn es nett gemeint ist (und ich fasse es meistens auch so auf). Im Gegenteil, wenn man es genau betrachtet, würdigt es die viele Arbeit herab, die im Können steckt, durch die Abschwächung, das käme doch alles vom Talent.

Also würde man dir mit dem Kompliment "Sie haben aber fleißig geübt" eine größere Freude bereiten;-).
 

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