Stilblüte in New York

Ich beschließe heute eine sehr volle und besondere Woche:

Am Dienstag hatte ich mein Graduation Recital, mit dem ich nun im Prinzip meinen Master habe - um den zu erlangen muss ich nur noch ein paar Fächer bis zum Ende besuchen, hier und da etwas spielen und den Rest meiner Studiengebühren bezahlen.

Am Mittwoch habe ich in der Steinway Hall bei einem Meisterkurs mit der jungen, französischen Pianistin Hélène Tysman gespielt. Sie ist sehr nett und musikalisch, und obwohl es nur 45 Minuten waren hat es mir gefallen. Interessant war auch: Zum ersten und vermutlich letzten Mal konnte ich dort einen New York und Hamburg Steinway direkt nebeneinander testen (Modell B). Es war ein sehr guter New Yorker und nicht ganz so schöner Hamburger, und ich kann schon verstehen, was man auch den New Yorkern abgewinnen kann, wenn sie in Bestform sind. Ggf. kann ich davon mal an anderer Stelle berichten.

Zu guter Letzt hatte ich heute, am Freitag, ein Konzert in der Carnegie Hall. Dass ich jemals in New York landen würde, hätte ich mir ja schon niemals ausgemalt, aber dass ich dort mal rechtmäßig auf einer der Bühnen der Carnegie Hall stehen würde, war noch vor wenigen Jahren so fern von jeder Vorstellung, dass ich nicht mal einen Gedanken daran verschwendet habe. Das Leben überrascht einen doch immer wieder.
Ich war natürlich einigermaßen nervös, meiner Einschätzung nach und der vieler Zuschauer ist es aber ganz gut gelaufen :-D
Das Schlussstück war übrigens die Uraufführung eines extra eingeflogenen Komponisten, der für alle Anwesenden etwas komponiert hat. Wir haben erst am selben Tag die Noten erhalten und das Stück mit insgesamt einer Stunde proben aufgeführt. Hat funktioniert, auch wenn es nicht unbedingt die Vorgehensweise meiner Wahl war.

Es spielten Stipendiaten des DAAD aus Amerika - insgesamt fünf + zwei Alumni, die eine Jazz-Combo erweitert haben und dem Komponisten, welcher dirigiert hat.
Unter allen Musikern war ich die einzige Frau. Darüber kann man sich jetzt aufregen oder auch nicht - etwas wundern tut es mich schon. Ich habe mich bemüht, uns würdig zu vertreten :girl::teufel:

Ein Fotograf war da und hat gefühlt eine Million Fotos gemacht. Leider habe ich noch kein einziges davon - darum gibt es nur einen unscharfen Schnappschuss aus dem Publikum. Vielleicht demnächst mehr.

Eure Stilblüte

PS: Achja, und morgen, am Freitag, habe ich eine Probe um 9 Uhr morgens... :-D
WhatsApp Image 2017-04-21 at 00.15.10.jpeg
PPS: Leider hat der Schlagzeuger der Jazz-Combo das Klischee seiner Zunft mit nur einem einzigen Satz zu 150% erfüllt... Als der Geiger auf der Bühne war und solistisch ein Stück vortrug (welches wir hinter der Bühne über einen Bildschirm verfolgten) und er Doppelgriffe spielte, fragte ebenjener Schlagzeuger: Hä, sind das jetzt zwei Geigen? :lol::lol::lol:
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe @Stilblüte ,
meine größte Hochachtung vor Deiner Leistung! Ich glaube an dieses Konzert in der Caregie Hall wirst Du Dein Leben lang denken!!:super:
 
Herzlichen Glückwunsch zum Konzert in der Carnegie-Hall, aber vor allem auch zum Master! :cake:
 
Ganz herzliche Glückwünsche!!![emoji898][emoji323][emoji898][emoji323][emoji898]


Liebe Grüße vom
Sonnendeck
 
Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Erfolg auch von uns!
:blume:
Liebe Grüße
Barbara
 
Hier ein kurzes Video vom Prélude, das ich am Nachmittag vor dem Konzert mal durchgespielt habe, um zu gucken, ob ich es noch kann... :-D

View: https://youtu.be/pZjfBtbVF60


Dieser Zyklus "Le tombeau de Couperin" ist wirklich sehr besonders für mich, damit habe ich viel erlebt.
Angefangen hat es damit, dass ich die Toccata auf einer CD mit zusammengestellten Lieblingswerken gehört habe (heute würde sowas "Playlist" heißen) und mir die Noten zu Weihnachten gewünscht habe. Mein Lehrer sagte "üb mal". Hat nicht funktioniert. Da war ich 17 :girl:
Etwas später wechselte ich an die Hochschule und überredete meine dortige Lehrerin dazu, dass ich diesen Zyklus spielen möchte - und zwar, in dem ich ihr einen Stapel ausgedruckter Fotos von Gemälden und Fraktalen mitbrachte, die mich an diese Musik erinnern.
Im Folgenden probierte ich auch einiges mit der Musik selbst aus. Mit dem Prélude wagte ich ein echtes Experiment - ich übte es in ziemlich kurzer Zeit ein (zwei Tage oder so) und spielte es sofort öffentlich im Konzert, um zu testen, ob es funktioniert.
Die Fuge habe ich erst im dritten Anlauf spielen können, solch eine Gedächtnisleistung musste ich vorher nicht erbringen, die Toccata braucht ebenfalls mehrere Anläufe, solche Fingersätze hatte ich mir noch nie ausdenken müssen.

Hier in New York habe ich kürzlich wieder etwas ausprobiert - bei einem Hauskonzert habe ich zwei Sätze gespielt, die ich erst am selben Tag nach einigen Monaten des Brachliegens wieder angeschaut habe, darunter auch das Prélude, das habe ich kein einziges Mal komplett durchgespielt - wollte testen, ob das funktioniert und wie es sich anfühlt.

Der Zyklus war mir in zwei Wettbewerben dienlich, bei meiner Diplomprüfung, bei meiner Aufnahmeprüfung in New York und in Auszügen sogar bei der Abschlussprüfung. Er ist auf meiner ersten CD enthalten und zwei Sätze habe ich nun in der Carnegie Hall gespielt.
Kann es eine größere Liebeserklärung an ein Werk geben? :herz::-) Hätte ich das vor 10 Jahren geahnt... bestimmt nicht... Es ist wirklich schön und besonders, wie es mich über die Jahre begleitet hat.
Aber ich darf bestimmt auch sagen: Ich bin ebenfalls sehr froh, wenn ich was anderes spielen darf :lol:Denn so schön es ist, wenn einem Werk 10 Jahre Spielpraxis anheften, so anstrengend ist es auch, vor allem, wenn man sich in diesen 10 Jahren sehr verändert hat. Nachdem ich nun die Sonatine gespielt habe, stehen als nächstes die Miroirs auf der Liste. Alles überirdische Musik, hach...
 
Und hier gibt es eine tolle Konzertkritik vom Konzert, bei der ich erfreulicherweise ziemlich gut wegekommen bin.

"Anne Riegler performs magic with her piano" als Bildunterschrift, und dann:

"Pianist Anna Riegler performed solo in Ravel. She is clearly part of the new movement among pianists to play with instead of at the piano.
Riegler reveals composers on a deep level. Her take on Ravel was delicious. She both rippled notes and ripped through them with a delicate sense of line and form. A masterful technician, it is her sensitive listening as she plays that distinguishes her and gives much pleasure to listeners who can hear Ravel afresh."

Bei so freundlichen Worten verzeihe ich sogar, dass ich von Anne mal wieder zu Anna wurde. If someone gave me a Dollar for every time that has happened to me... :-D
 
respekt.gif
Schöne Kritik.
 

Liebe @Stilblüte, herzlichen Glückwunsch auch von mir! :blume:
 
Ich habe jetzt ein paar Fotos bekommen. Eines meiner Lieblingsfotos ist dieses hier:

eDAAD042017SoundU318.jpg
(c) Beowulf Sheehan

Mir war gar nicht klar, dass ich solche Bewegungen beim Spielen mache. Das ist nicht gestellt, sondern wurde tatsächlich während des Konzerts aufgenommen.

Auf meiner Facebook-Seite hab ich noch ein paar mehr Fotos.
 
Wow! Ich war gerade erst in NY und auch bei einem Konzert in der Carnegie Hall, wie schade, dass ich Dich verpasst habe!
 
Ja, schade. Hinterher ist man immer schlauer. Aber ich bin sicher, du hast es sehr genossen!
 
Eingangspost vom 30.12.2014:
Ich habe schonmal angedeutet, dass ich eine Aufnahmeprüfung in New York spielen werde. Heute habe ich dazu die offizielle Einladung bekommen

Am 30. Mai 2017, zwei Jahre und fünf Monate später, habe ich meinen Heimflug von New York nach Deutschland angetreten, und seit Dienstag bin ich wieder endgültig zurück.
Kurz zuvor war diese Fotocollage entstanden:
18765944_1893362007356406_3923103897815100529_n.jpg

Auch wenn mein Zeugniss noch auf sich warten lässt, habe ich nun meinen Master an der Mannes School abgeschlossen und verweile jetzt wieder im ruhigen, sauberen, grünen, günstigen, sicheren, instandgehaltenen, kulinarisch ansprechenden Deutschland. Meine Eltern füttern mich mit Obst, Gemüse und Schokolade, um die Mangelerscheinung der letzten zwei Jahre auszugleichen...:-D
Ich habe schon stundenlang im Garten Unkraut ausgerissen, weil ich so lange kein Gras mehr gerochen habe (jedenfalls nicht solches), geschweige denn in einem schönen Garten gelegen.

Ich habe mich nach langem Überlegen im letzten Jahr gegen einen Doktor in den USA entschieden aus verschiedenen Gründen. Zum Beispiel: Weil mir meine Diplomarbeit gereicht hat und ich kein Wissenschaftler bin oder sein möchte. Weil mir verkehrsberuhigte Altstädte mit Straßencafés fehlen. Weil in Deutschland die Auftrittsmöglichkeiten besser sind. Weil ich in New York nur als Einzelperson (über)leben könnte oder wollte. Und weil ich nach ein paar weiteren Jahren dort vielleicht klebengeblieben wäre...

Allerdings halte ich meine Kontakte nach New York, persönliche wie berufliche, und werde vermutlich noch dieses Jahr wieder hinfliegen. Die zwei Jahre in New York waren, neben dem Jahr in Sankt Petersburg, die spannendste Zeit meines Lebens und ich kann nur jedem raten, mal für einige Zeit ins Ausland zu gehen. Ich habe unfassbar viel gelernt und erfahren, meinen privaten wie beruflichen Horizont auf allen Ebenen exponentiell erweitert, bin (glaube ich) toleranter, selbstsicherer und erwachsener geworden und habe ein Verständnis für Dinge entwickelt, das ich anderswo nie in dieser Form bekommen hätte.

Ich vermisse New York schon jetzt. Die Stadt, die neuen Freunde, das Brodeln, die Unvorhersehbarkeit und die Kreativität. Ein kleines Stück Herz von mir wird immer in New York leben. Und ein weiteres Stück in Sankt Petersburg. Aber zum Glück ist mein Herz ja ganz groß :herz:
 
Eingangspost vom 30.12.2014:


Am 30. Mai 2017, zwei Jahre und fünf Monate später, habe ich meinen Heimflug von New York nach Deutschland angetreten, und seit Dienstag bin ich wieder endgültig zurück.
Kurz zuvor war diese Fotocollage entstanden:
Den Anhang 15197 betrachten

Auch wenn mein Zeugniss noch auf sich warten lässt, habe ich nun meinen Master an der Mannes School abgeschlossen und verweile jetzt wieder im ruhigen, sauberen, grünen, günstigen, sicheren, instandgehaltenen, kulinarisch ansprechenden Deutschland. Meine Eltern füttern mich mit Obst, Gemüse und Schokolade, um die Mangelerscheinung der letzten zwei Jahre auszugleichen...:-D
Ich habe schon stundenlang im Garten Unkraut ausgerissen, weil ich so lange kein Gras mehr gerochen habe (jedenfalls nicht solches), geschweige denn in einem schönen Garten gelegen.

Ich habe mich nach langem Überlegen im letzten Jahr gegen einen Doktor in den USA entschieden aus verschiedenen Gründen. Zum Beispiel: Weil mir meine Diplomarbeit gereicht hat und ich kein Wissenschaftler bin oder sein möchte. Weil mir verkehrsberuhigte Altstädte mit Straßencafés fehlen. Weil in Deutschland die Auftrittsmöglichkeiten besser sind. Weil ich in New York nur als Einzelperson (über)leben könnte oder wollte. Und weil ich nach ein paar weiteren Jahren dort vielleicht klebengeblieben wäre...

Allerdings halte ich meine Kontakte nach New York, persönliche wie berufliche, und werde vermutlich noch dieses Jahr wieder hinfliegen. Die zwei Jahre in New York waren, neben dem Jahr in Sankt Petersburg, die spannendste Zeit meines Lebens und ich kann nur jedem raten, mal für einige Zeit ins Ausland zu gehen. Ich habe unfassbar viel gelernt und erfahren, meinen privaten wie beruflichen Horizont auf allen Ebenen exponentiell erweitert, bin (glaube ich) toleranter, selbstsicherer und erwachsener geworden und habe ein Verständnis für Dinge entwickelt, das ich anderswo nie in dieser Form bekommen hätte.

Ich vermisse New York schon jetzt. Die Stadt, die neuen Freunde, das Brodeln, die Unvorhersehbarkeit und die Kreativität. Ein kleines Stück Herz von mir wird immer in New York leben. Und ein weiteres Stück in Sankt Petersburg. Aber zum Glück ist mein Herz ja ganz groß :herz:

geil.gif
Was ein schönes Fazit.
respekt.gif
 
Ich habe unfassbar viel gelernt und erfahren, meinen privaten wie beruflichen Horizont auf allen Ebenen exponentiell erweitert, bin (glaube ich) toleranter, selbstsicherer und erwachsener geworden und habe ein Verständnis für Dinge entwickelt, das ich anderswo nie in dieser Form bekommen hätte.
Diese Erfahrungen kann Dir niemand mehr nehmen! :super:
 

Zurück
Top Bottom