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Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Lehrperson bereitet ihre Nachwuchskandidaten auf die Berufstätigkeit und nicht auf die Arbeitslosigkeit vor. Um an Engagements und in Anstellungsverhältnisse zu gelangen, ist nicht nur Fachkompetenz vonnöten, sondern auch eine Kenntnis dessen, was man neudeutsch als "Soft Skills" bezeichnet: Umgangsformen, Auftreten und Verhalten am Arbeitsplatz, das ein gutes Auskommen mit Vorgesetzten und Mitarbeitern ermöglicht. Wer diese Faktoren ablehnt, darf angesichts der Konkurrenzsituation am Markt damit rechnen, den Job eben nicht zu bekommen. Das gehört sehr wohl zur Berufsvorbereitung dazu, diese Aspekte zu kennen und zu berücksichtigen. Wer darauf vertraut, sich kraft Originalität über Konventionen hinwegsetzen zu können, begibt sich auf den schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn: Wenige machen Weltkarriere, viele scheitern aber ganz jämmerlich.Reglement und Strenge seitens der Lehrperson würden hier nur Vertrauen beschädigen und keinem wäre geholfen.
Meistens kommt es anders, da für den größten Teil der Menschheit immer die anderen am fehlenden eigenen Wohlergehen schuld sind. Manche erkennen tatsächlich, dass die Änderung des eigenen Verhaltens das Auskommen mit den Mitmenschen erleichtert und handeln entsprechend. Wesentlich weiter verbreitet ist die Auffassung, dass die Gesellschaft um einen herum böse und gemein ist, weil sie einem das Recht auf das Ich-Sein-Dürfen streitig macht und einen ablehnt. Bei Misserfolgen fühlen sie sich in ihrer Sichtweise bestätigt, dass sie durch das böse und gemeine System ausgegrenzt werden.Sollte der Kommilitone selbst bemerken, dass ihm sein Aussehen wichtige Auftritte versagt, dann wird er sich vielleicht verändern wollen.
Durchaus möglich. Es kommt sehr häufig vor, dass man nicht auf dem beruflichen Terrain bleibt, auf das man sich in der Studienzeit vorbereitet hat. Trotzdem absolviert man letztlich kein klassisches Klavierstudium, um nach abgelegtem Examen als Gitarrist einer Reggae-Band auf Tournee zu gehen.Vielleicht wird er in einer Reggae-Band durch die Welt touren und mehr verdienen als all die gut gekleideten Mitstudenten.
Nochmals zur Ausgangsfrage, ob "Klavierlehrer erziehen" sollen. Da diese an einer Hochschule keine Kinder und keine Jugendlichen, sondern in der Regel junge Erwachsene ausbilden, wird die "Erziehungsarbeit" idealerweise alters- und statusgemäß erfolgen. Ein adäquates Verhalten und Auftreten bei beruflichen Tätigkeiten (auch und gerade beim Erstkontakt mit Geschäftspartnern) gehört zu den vorab erwähnten "weichen Faktoren". Ein Hochschullehrer wird demnach seinen volljährigen Studenten nicht unter die Dusche und zum Klamottenkauf schicken, ihm allerdings in höflichem Umgangston zu verstehen geben, dass er sich mit einem solchen Erscheinungsbild beispielsweise besser nicht vor eine Kommission begibt, die über seine Festanstellung entscheidet. Das ist nicht "spießig", sondern schlicht und ergreifend verantwortungsbewusst seitens der Lehrkraft, die nebenbei von der Allgemeinheit im Zuge ihrer Ausbildungstätigkeit wirtschaftlich unterstützt wird. Ein selbst zu verantwortendes Scheitern des von ihr ausgebildeten Fachkräfte-Nachwuchses kann und sollte der Lehrkraft nicht egal sein.
LG von Rheinkultur