Mir ging es darum, dass Kinder in anderen Ländern eine bessere Betreuung erfahren als hier, zumindest so weit ich darüber informiert bin. Ganz ehrlich: ich bin sehr dankbar, dass ich meine Kinder nicht ganztags in eine Kindertagesstätte geben musste. Die Möglichkeiten, die ein Kind dort hat, sind aus meiner Sicht sehr eingeschränkt.
Solange die bessere Betreuung nicht so aussieht wie wir das schonmal hatten:
Denn da ging es nicht um gute Betreuung, sondern um die Erziehung zur umfassend gefestigten sozialistischen Persönlichkeit, die in womöglich nicht ideologisch verlässlichen Elternhäusern nicht gelingen könnte.
Nix für ungut, weg von der Ideologie zum eigentlichen Thema: Ich habe den Eindruck, dass inzwischen keineswegs zu wenig, sondern eher zu viel theoretisiert wird - gerade hinsichtlich der Erziehungsproblematik. In früheren Zeiten wurde über Erziehung mit Sicherheit weniger theoretisiert, sondern die Energie auf das Erziehen selbst verwendet. Ein sachorientiertes Bewegungsverhalten ist sicherlich etwas, das erst aus praktischen Lebenserfahrungen erlernt werden muss: Wer unkoordiniert herumzappelt, kann seine Bewegungsabläufe nicht auf die feinmotorischen Vorgaben hin zweckmäßig ausrichten. Auch ein Kind spürt bereits die Diskrepanz zwischen notentextlichen Vorgaben und dem eigenen Vermögen bei der Umsetzung oder eben auch Unvermögen. Es registriert falsche Töne, mangelhaft koordinierte Tonfolgen oder findet schlimmstenfalls überhaupt keinen Zugang zur Aufgabe. Ausbildung und Erziehung setzt spätestens dann ein, wenn es um das Erkennen von fehlerhaften Ereignissen geht und wie man das falsche und/oder unzweckmäßige Handeln durch besseres und richtiges Agieren ersetzt. Das Herumrutschen auf dem Stuhl kostet ebenfalls Kraft und Energie - ein Kind registriert aber lediglich ein undefinierbares Unbehagen ohne Wissen, wie man diesen störenden Reiz überwinden kann. Allerdings ist mir als Erwachsenem diese rationale Seite (Unzweckmäßigkeit) bewusst, dem Kind hingegen hilft das Theoretisieren über das richtige Sitzen nicht weiter. Da ist eine klare Ansage zur richtigen Spielposition sinnvoller als ein langatmiges Argumentieren, dem ein Kind nicht folgen kann und wird. Eine Lehrkraft kann aber innerhalb des Klavierunterrichts nur den Spielapparat des Schülers so intensiv beschäftigen, dass für sinnloses Zappeln kein Raum mehr bleibt - grundlegende Defizite aus anderen Lebensbereichen (zu wenig Bewegung, Aufmerksamkeitsdefizite, Egozentrierung, fehlendes Durchhaltevermögen) kann sie nur sehr begrenzt kompensieren. Gewisse allgemeine erzieherische Vorleistungen sind also obligatorische Voraussetzung für die Aufnahme von Musikunterricht - einer Lehrkraft bleibt also nichts anderes übrig als eine zeitnahe Analyse der Rahmenbedingungen und die Entscheidung, unter den vorgegebenen Voraussetzungen mit dem Kind arbeiten zu können oder auch nicht. Wenn sich negative Erziehungsmuster bereits gefestigt haben, folgt die Entscheidung, ob eine Überwindung der ungünstigen Faktoren möglich ist oder eben nicht. Erkennbares Interesse und die Fähigkeit, diszipliniert mitzuarbeiten, gehören zur Bringschuld der Schülerseite, wobei Mängel bis zu einem gewissen Grad noch abstellbar sein dürften.
LG von Rheinkultur
@chiarina: Natürlich wollte ich die Betreuungsfrage nicht ins Lächerliche ziehen - aber "Betreuung" findet nicht nur im räumlichen, sondern auch im seelisch-emotionalen Bereich statt, aber das weißt Du ja selbst... .