Schock der Erkenntnis: Klavierspielen lernen....kann jeder Trottel.....

  • Ersteller des Themas amicusrarus
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Kann man nicht nur üben, muss man sogar (wenn man es denn können möchte): Es gibt ganze Lehrbuchreihen zum sogenannten Prima Vista Spiel.

Das Problem ist, der Tag hat nicht genug Stunden....und .. wo fängt man an....., ich habe meine Keyboard-Stücke, nach einer Stunde konzentriertes Üben ist die Luft raus, dann irgendwann noch mal ne Stunde, und wenn dann noch genug Energie da ist, versuch ich mich noch mal 1 Stunde am Klavierstück, möchte aber noch Tonleitern und Appegien üben... aber wann ???? Allein der Versuch ein neues Stück ein zu üben und zu versuchen Prima Vista zu spielen und dabei immer wieder versuchen das Fingergedächtnis aus zu schalten und sich rein auf die Noten zu konzentrieren erfordert die 5 fache Zeit. Wenn ich Intervalle in 6 Takte über 2 Oktaven 150 mal geübt habe, kennen die Finger ihren Weg, will ich dann aber versuchen das gleich bewußt zu greifen, mir klar machen welche Noten ich spiele und mir dann noch im Geiste vergegenwärtigen wo ich gerade auf der Tastatur bin und wo ich hin will, stoppe ich immer noch, stehe da wie ein Ochs vorm Berg und muß wieder überlegen,... wo die Finger eigentlich schon wissen wo sie hin wollen. Hab nur noch nicht raus gefunden, wann lässt man es gut sein, hört auf sich zu verbeißen und lässt die Finger einfach spielen ??? na ja, aber was will ich nach 1, 3/4 Jahr erwarten !! Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klaffen noch Welten und Jahre des Übens !!! Aber es beruhigt mich immer wieder, zu lesen, es geht mir nicht allein so..........sonst verfällt man ja leicht in den Gedanken.... alle Anderen kriegen es hin..... nur.......ich nicht.....
 
Kannst du eine empfehlen? Ich arbeite zurzeit mit "Improve your Sight-Reading", das nach ABRSM-Stufen sortiert ist. Ist eigentlich ganz gut, wobei ich zum Teil lieber klassiknähere Übungsstückchen hätte. Auf dem Stand, das Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach oder das Notenbüchlein für Mozart als Grundlage zu nehmen, bin ich leider noch nicht.
Herrje, dass vom Blatt spielen lernt man am ehesten mit zünftigem Klavierspielenlernen nach Noten - d.h. auswendig nur und ausschließlich zur eigenen Freude nachdem das Stück gekonnt ist. Auf diese Art lernt jeder das vom Blattspiel. (Ist wie beim Lesen lernen, noch jeder Lehrer kann den aufgeweckten Pseudoleser (nämlich Auswendiglerner) reinlegen, indem er auf eine ad hoc gewählte Lesestelle zeigt und dem Armen sein auf Gehör ausgerichtetes Auswendiggerüst wertlos macht(

Prima Vista ist noch eine Kategorie höher und meint sofort beim ersten Mal in geforderter Geschwindigkeit und angemessener Ausführung (also Dynamik, Agogik usw.) vom Blatt spielen. Prima Vista ist Zeichen, dass man etwas kann und weniger, weil man Prima Vista geübt hätte. Liegt ein Stück deutlich unter dem derzeitigen Könnensstand, sollte jeder das vom Blatt prima Vista spielen können, sonst ist sein angenommener Könnensstand nicht realiter bzw. da quält sich einer mit viel zu anspruchsvoller Literatur.....(Was aber als Privatvergnügen natürlich jedermann erlaubt ist....)
 
Aehm, "vom Blatt spielen" ist gemeinhin der Ausdruck fuer "prima vista". Sonst spielt man "mit Noten". Letzteres kann uebrigens total schief gehen, wenn man entweder ploetzlich aus einer anderen Ausgabe spielt als gewohnt, oder schon vergessen hat, wo genau die Noten stehen und man eigentlich auswendig spielt. Aber ein gelerntes Stueck mit Noten spielen hat nichts mit "prima vista" zu tun. Es stimmt auch nicht, dasz jemand prinzipiell leichtere Stuecke "prima vista" spielen kann, schon deswegen, weil "leichter" nicht definiert ist. Von der Motorik her ist die cis-moll-Fuge aus dem 1. Band des WTK nicht unbedingt schwierig, trotzdem ist sie schwieriger zu erfassen als meinetwegen op. 10 Nr. 1 von Chopin (das motorisch im gewollten Tempo einiges verlangt). Beide sind aber schwierige prima-vista-Kandidaten aus verschiedenen Gruenden. Stueck mit vielen Spruengen sind u.U. auch schwer vom Blatt zu spielen (z.B. Scarlatti-Sonaten mit staendigem Uebergreifen, ich denke da besonders an eine in A-Dur), obwohl sie vielleicht sonst nicht so viel verlangen. Die Skala beim Blattspiel (also prima vista) ist einfach ein biszchen anders. "Sight reading" ist uebrigens der englische Begriff fuer "prima vista", "dechiffrer" auf franzoesisch. Ich zitiere Larousse:
"Lire et exécuter simultanément et à première vue un morceau de musique."
Viele Gruesze,
Jannis
 
Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, dass es Leute geben soll, die z.B. Jarrod Radnichs (oder wie schreibt der sich) Version von Pirates of the carribbean ohne das Stück vorher jemals gehört zu haben, auf dem Klavier nur anhand der Noten auf Anhiebe richtig spielen mit der entsprechenden Dynamik und passender Gestaltung der Übergänge usw.

Man möge mich erleuchten und mir das mal erklären wie das gehen soll. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu weit weg von diesem Ziel und kann es mir deshalb nicht vorstellen.
 
Wenn ich so was nicht schon mehrfach live erlebt hätte könnte ich es mir auch nicht vorstellen.

Man möge mich erleuchten und mir das mal erklären wie das gehen soll.
Vergleiche es einfach mit einer Sprache. Du kannst deutsch lesen, schreiben und sprechen. Dir gelingt es sicher (evtl. auch mit ein wenig Übung in diesem Bereich), einen deutschen, Dir unbekannten Text in Echtzeit dramatisch und mit Ausdruck vorzutragen. Schauspieler z.B. können das sehr gut.
Und für gute! Musiker ist so ein Notentext halt wie eine Sprache, die sie in- und auswendig beherrschen und gelesenes sofort (vor)hören.

Im Gegensatz dazu ist für Dich (und mich) so ein Notentext wie eine fremde Sprache, deren Zeichen ich zwar kenne (latein), aber die Bedeutung ganzer Wörter und Sätze nicht auf Anhieb erkennen kann.
 
Hallo Peter, ja ok das gibt mir eine Vorstellung und wenn du sowas schonmal Live erlebt hast, dann hilft das anscheinend zu begreifen das es sowas wirklich gibt. Aber wie gesagt. pirates of the carribbean, mit diesen schnellen Passagen, da müssen doch 124tel dabei sein oder sowas. nun ja. Ich habe mich dann mal hingesetzt und ein mir bekanntes Lied versucht nach Noten zu spielen (ich fange erst an mit dem Noten (schnell) lesen.) Ok nur die rechte Hand, Ein G Dur und ein D Dur Stückchen. Das war fast schon einfach. Das kann ich mir vorstellen, das hier jemand mehr Töne und in der linken Hand die Akkorde dazu spielt. Für alles andere muss man dann anscheinend Profi sein, und da werde ich wohl nie hinkommen.
Trotzdem vielen Dank für die Informationen.
 
Das Problem ist, der Tag hat nicht genug Stunden....und .. wo fängt man an....., ich habe meine Keyboard-Stücke, nach einer Stunde konzentriertes Üben ist die Luft raus, dann irgendwann noch mal ne Stunde, und wenn dann noch genug Energie da ist, versuch ich mich noch mal 1 Stunde am Klavierstück, möchte aber noch Tonleitern und Appegien üben... aber wann ???? Allein der Versuch ein neues Stück ein zu üben und zu versuchen Prima Vista zu spielen und dabei immer wieder versuchen das Fingergedächtnis aus zu schalten und sich rein auf die Noten zu konzentrieren erfordert die 5 fache Zeit. Wenn ich Intervalle in 6 Takte über 2 Oktaven 150 mal geübt habe, kennen die Finger ihren Weg, will ich dann aber versuchen das gleich bewußt zu greifen, mir klar machen welche Noten ich spiele und mir dann noch im Geiste vergegenwärtigen wo ich gerade auf der Tastatur bin und wo ich hin will, stoppe ich immer noch, stehe da wie ein Ochs vorm Berg und muß wieder überlegen,... wo die Finger eigentlich schon wissen wo sie hin wollen. Hab nur noch nicht raus gefunden, wann lässt man es gut sein, hört auf sich zu verbeißen und lässt die Finger einfach spielen ??? na ja, aber was will ich nach 1, 3/4 Jahr erwarten !! Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klaffen noch Welten und Jahre des Übens !!! Aber es beruhigt mich immer wieder, zu lesen, es geht mir nicht allein so..........sonst verfällt man ja leicht in den Gedanken.... alle Anderen kriegen es hin..... nur.......ich nicht.....
Au weia... habe zufällig dieses obige Posting von vor ein paar Monaten gesehen...

Kurz gesagt, diese Schilderung ist geradezu ein Musterbeispiel völlig unzweckmäßigen Vorgehens, bei dem es jeden, der ein bisschen Ahnung hat, kein bisschen wundert, dass da nichts Vernünftiges dabei rauskommt.

Der entscheidende Punkt ist, dass derjenige denkt, er mache im Prinzip schon das Richtige, nur entweder a) nicht genug oder b) er sei wahrscheinlich dann zu doof/unbegabt.

Eine häufige Tragik.
(Sehr ähnlich übrigens vielem, was in der Politik passiert.)

LG,
Hasenbein
 
Kurz gesagt, diese Schilderung ist geradezu ein Musterbeispiel völlig unzweckmäßigen Vorgehens, bei dem es jeden, der ein bisschen Ahnung hat, kein bisschen wundert, dass da nichts Vernünftiges dabei rauskommt.
Ich nehme jetzt an, dass es keine kurze Beschreibung einer optimalen Vorgehensweise gibt, die für alle (oder wenigstens viele) zu besseren Ergebnissen führt?

Ganz so unstrukturiert geht's bei mir nicht, auch wenn ich Ähnlichkeiten erkenne - und ebenso das Gefühl, dass es eigentlich besser gehen müsste.

Also wenn Du da einen Weg in die richtige Richtung zeigen könntest, würdest Du nicht nur für mich, sondern wahrscheinlich für viele, viele Klavierschüler ein echter Held werden. Ich würde sogar überlegen, Deinen Avatar auszudrucken und mir auf's Klavier zu stellen, damit ich immer dran denke, wem ich meine Fortschritte verdanke - Herrn Helge Schneider. :denken:

Nein, ganz ehrlich und ohne Sarkassmus. "so is' sch...lecht" ist sich eine wichtige Info. aber "mach so.." wäre sogar noch hilfreicher.

:heilig:
 
Auch das ist eine irrige Hoffnung vieler Amateure, dass es möglich sei, übersichtlich verbal zusammenzufassen, "wie es richtig geht" bzw. "was ich tun soll".

Methodisch-didaktische Probleme sind immer divergierende und nicht konvergierende Probleme, d.h. es gibt nicht (und wird nie geben) eine "richtige" Lösung, die man anwenden muss, und dann ist alles gut. Sondern es besteht immer eine Abhängigkeit von der jeweiligen Person (ihren allgemeinen "Anlagen" und typischen Verhaltensweisen) und auch davon, was im bisherigen Lernprozess wie geschehen ist.

Man kann allenfalls feststellen, welche grundsätzlichen Verhaltensweisen beim Üben zweckmäßig oder unzweckmäßig sind und daraus allgemeine Dos and Don'ts ableiten. Als da beispielsweise wären:

- Mechanistisches Üben ist schlecht, audiomotorisches Üben (Gehör und Klangvorstellung als die die Aktion steuernde Instanz) ist gut
- "Muskelgedächtnis" spielt zwar eine Rolle, aber es muss stets eine untergeordnete sein (d.h. Üben auf keinen Fall als Versuch, "etwas ins Muskelgedächtnis einzuspeichern"!)
- Blödsinniges Wiederholen ist abzulehnen; stattdessen intelligentes Noch-einmal-Spielen, bei dem man u.a.
a) sich konkret vornimmt, was Ziel dieses "Takes" ist bzw. was genau anders soll als beim vorigen "Take"
b) natürlich audiomotorisch und nicht mechanisch am Start ist (z.B. auch das zu Spielende sich vorher vorstellen etc.)
c) sicherstellt, dass Bewegungsapparat und Atmung möglichst optimal "eingestellt" sind
d) ein Tempo wählt, in dem man das zu Spielende gut schaffen kann (ggf. auch "out of time", je nach Übestadium, zulassen) und in dem man sich nicht anspannt und verkrampft, um "es hinzukriegen"
- nicht zu lange "am Stück" üben, sondern stets so üben, dass man in einer konzentrierten (aber nicht "eingeengt" konzentrierten, sondern "offen" konzentrierten) Wachheit ist, in der Ungeduld, Sich-Ärgern etc. KEINERLEI (!!!!) Platz haben. Ich sage immer zu meinen Schülern: Man muss quasi wie ein Wissenschaftler üben, der da sitzt und beobachtet: Aha, jetzt ist das und das passiert, was muss ich bei sachlicher Überlegung machen, damit stattdessen das und das passiert?
Der einzige Bereich, in dem Emotion beim Üben eine Rolle spielen darf, sind die Klänge selber, die nicht "richtigspielmäßig" abgespult werden dürfen, sondern in die man in in allen Übestadien stets so viel wie möglich vom angestrebten Ausdrucksgehalt hineinlegen sollte.
"Ich will erstmal die Noten flüssig können - gleichzeitig auch noch auf Dynamik und Artikulation zu achten ist mir zu viel auf einmal" - ein Schüler, der diesen Satz äußert, zeigt damit in äußerster Deutlichkeit, dass er grundfalsch vorgeht (und leider oft auch grundfalsch angeleitet wurde).

LG,
Hasenbein
 
I

würdest Du nicht nur für mich, sondern wahrscheinlich für viele, viele Klavierschüler ein echter Held werden. Ich würde sogar überlegen, Deinen Avatar auszudrucken und mir auf's Klavier zu stellen,

:heilig:

Wir bauen uns einen Schrein für's Hasenbein..................

ich bastle mit...!!

Na gut...Recht..hat er ja " leider " !
Hab mich ja auch dran gewöhnt...das er seine Ratschläge eben mit dem Mottek gibt.!
Na ja, eben Rat - Schläge !!!
Und er wäre sogar der Klavierlehrer den ich brauche, aber.. da ich auf dem platten Land wohne, nimmt man erst mal die am nächsten wohnenden !! Bei der ersten kamen keine Anleitungen, sie hat sich das angehört, jo o.. gut.. nur da noch verbessern oder da noch...und gut war ! Zu Hause das nächste Lied geübt, wieder vor gespielt.. jo o gut...., das nächste durchgegangen wo ich drauf zu achten hatte, und wieder von vorn. Dachte.. so muß es wohl sein. Als ich nicht weiter kam, eine neue gesucht.. das gleiche in Grün...! Na ja, die nächsten sind dann so 25 km entfernt, sind Musik-Schulen und da geht es nur mit Vertrag oder 10ner Karte ! Und als Rentner ist sowas nicht drin. ! also muß ich sehen, das ich durchkomme, bin mir natürlich bewußt, dass ich viel ev. sogar sehr viel falsch mache und daher für jeden Ratschlag ( auch mit dem Mottek ) dankbar.
Und die Ratschläge über " Mechanistisches Üben und audiomotorisches Üben " sind ja auch sinn voll.
Das meiste davon versuche ich ja auch um zu setzen.
Und meine heuristische Methode von trial und error mag ja kontra produktiv sein aber auf viele Sachen stoße ich dann selber.
Habe aber eine super Trompeten Lehrerin, eine Frau Hasenbein so zu sagen, redet gleich Tacheles,
zeigt es mir aber dann wie es sein soll. Und diese Anleitungen kann ich super auf's Klavierspiel übertragen, seit dem ist mein Spiel ein anderes. Da trompete ich nicht gleich los, sondern das Lied wird erst einmal gesummt, wo sind Sqenzen und Phrasen, wie soll es klingen, was will es sagen, sodann muß ich mir den Ton verstellen den ich spielen will. Das Atmen ist da natürlich das A und O. Die Zeiten wo ich wild drauf los spiele sind vorbei.
Na ja, und die Noten flüssig können - gleichzeitig auch noch auf Dynamik und Artikulation zu achten ist natürlich noch mal eine Hausnummer für sich, die auch noch sehr viel Selbst-Disziplin erfordert, was ich leider nicht immer schaffe.

LG
Hans
 

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