Quintparallelen

die weniger Beschlagenen und Dummen hier im Forum (zu denen auch ich mich zähle)
hätten wahrnehmen können, dass ich kein Notenbeispiel in diesen Faden eingestellt habe.

Aber immerhin haben wir zwei Takte derselbe Stelle vorliegen: einer mit, einer ohne Wechselnoten in der Oberstimme; der ohne (@mick zitiert ihn) ist "korrekt", der mit (zuvor von @Jsp zitiert) ist es eigentlich auch (quasi "ausnotiert verzierte" Variante des korrekten Taktes)
 
@mick : Danke schön.
 
@Cheval blanc hat recht. Hier ist kein Quiz, und es hätte nichts geschadet, die Stücke zu benennen. Mein Beispiel war aus César Franck, Choral E-Dur.
1. Was spricht denn gegen ein Quiz? Zumal die Auflösung doch sicher und meist in kurzer Frist kommt.

2. Und hat eine Blindbeurteilung von solchen auffälligen Stellen nicht auch Vorteile? Wenn man weiß, dass sie von hochrangigen Komponisten wie Bach, Brahms, Mozart usw. sind, ist man wahrscheinlich in seinem Urteil in die eine oder andere Richtung voreingenommen.
 
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Mich würde zb das Werk in As-Dur, das @mick gepostet hat, interessieren.
Suche nach der sichtbaren Textstelle plus Annahme aus der Diskussion, dass es um Klassik geht, wahrscheinlich Mozart, ergibt u.a. folgenden Treffer:
 
Zur 1. Frage:

Soweit ich weiß, ist eine Theorie, dass das Verbot von Quintparallelen darauf zurückzuführen sein könnte, dass sich die "neuere" Musik von der "alten" Musik des Mittelalters und den dort vorhandenen Quint-Organa absetzen wollte. Da Quint-Bordune auch in der "früheren" Musik verwendet wurden, und auch sonst leere Quinten und Oktaven hier oft angesteuert wurden, kann ich mir schon vorstellen, dass leere Quinten bei den "moderneren Komponisten" besonders altertümliche Assoziationen weckten.

Quint-Parallelen klangen altertümlich, und wurden darum gemieden. Wenn man sich die "Funktionsweise" der Musikgeschichte anschaut, ist diese Erklärung für mich überzeugender, als irgendwelche Erklärungen über Obertonreihen.

P.S. Ich glaube diese Idee wurde auch in dem Kontrapunktbuch von de la Motte geäußert.
 
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Quint-Parallelen klangen altertümlich, und wurden darum gemieden. Wenn man sich die "Funktionsweise" der Musikgeschichte anschaut, ist diese Erklärung für mich überzeugender, als irgendwelche Erklärungen über Obertonreihen.
Bei vielen Komponisten in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts (von Debussy bis Orff) finden sich solche Archaismen als stilbindendes Merkmal oft bis ausgiebig gebraucht. Dazu kommt, dass im musikgeschichtlichen Verlauf hin zur hochentwickelten Mehrstimmigkeit des Hoch- und Spätbarock zunehmend größtmögliche Selbstständigkeit der jeweiligen Einzelstimmen angestrebt wurde. Das Parallelführen von Stimmen schränkt die Autonomie der jeweiligen Stimmführungen hingegen wieder ein und eignet sich dazu, als (stilistischer) Rückschritt empfunden zu werden. Der Bezug auf die Obertonreihe ist durchaus tauglich, nach bestimmten Intervallen differenziert zu werden: in Terzen und Sexten parallelgeführte Stimmen entfernen sich weiter vom Grundton als Parallelen in den perfekten Konsonanzen Einklang, Oktave und Quinte (plus das Komplementärintervall Quarte).

LG von Rheinkultur
 
Ein typisches frühes Beispiel liefere ich nach:



Herausgehoben sei das Scherzo (2. Satz), nicht nur aufgrund des enthaltenen "Dies irae".

LG von Rheinkultur
 

Da Quint-Bordune auch in der "früheren" Musik verwendet wurden, und auch sonst leere Quinten und Oktaven hier oft angesteuert wurden, kann ich mir schon vorstellen, dass leere Quinten bei den "moderneren Komponisten" besonders altertümliche Assoziationen weckten.
In der Klaviermusik findet sich ein gehäufter Gebrauch "leerer Quinten" bei Chopin (Mazurken), Grieg, Balakirev (u.a.) und sie wirken da eigentlich nicht "altertümlich", sondern quasi "volkstümlich" (stilisierte Folklore)
Die Verwendung solcher folkloristisch wirkender Quinten konnte sich problemlos parallel geführte Quinten erlauben, ohne dass es irgendwelchen Pedanten als vermeintliche Sünde oder Unvermögen auffiel - Griegs Hochzeitszug auf Troldhaugen beispielsweise.
Zudem eignete sich im Klavierklang die Quinte für mindestens zwei Komponisten zum experimentieren: Grieg und Liszt. Griegs Glocken (Kolokol) ist bis auf eine Ausnahme aus Quinten zusammengesetzt, Liszts Mephistowalzer schichtet am Beginn Quinten übereinander - beide erzielen verblüffende, keinesfalls archaisierend-sakrale oder stilisiert altertümelnde Klangwirkungen damit.
Dass die Komponisten wie Chopin sehr wohl die "Regeln" des zweistimmigen Kontrapunktes (und andere Stimmführungsregeln) kannten, beweist das Regentropfenprelude: der archaisch wirkende zweistimmige (quasi stilisiert mittelalterliche) Choral im Mittelteil enthält keine Quintenparallele.
Dass die Regeln des zweistimmigen Satzes hinfällig werden, wenn aus klanglich koloristischen Gründen Intervallketten in Passagenwerk eingesetzt werden, beweisen die hochvirtuosen Quintenkaskaden der Solovioline in Ravels Rhapsodie "Tzigane". Was Quarten betrifft die entsprechende Etüde von Debussy.
Obertonspitzfindigkeiten spielen dabei gar keine Rolle.

@alibiphysiker "altertümlich" - mir ist der Begriff archaisierend lieber; und ich meine, dass diese Assoziation (archaisch-ehrwürdig-sakral) zumeist durch das einflechten von Chorälen erzeugt wird: nicht die Quinten machen den Klanghöhepunkt in Debussy versunkener Kathedrale archaisch-sakral, sondern der Choral. Nicht anders in Chopin beiden g-Moll Nocturnes. Dabei muss der Choral samt seiner sakralen Assoziation weder kirchlich-christlich sein (Wagner Walhall-Akkorde/Thema) noch muss er positiv konnotiert sein (Verdi Otello, Aida) - Erstaunlich nebenbei: der kompositorische Rückgriff auf polyphone spätbarocke Techniken wirkt hingegen nicht "altertümelnd", z.B. Beethovens Fugen, Schumanns Neobarock, Verdis Falstaff-Doppelfuge usw.

das schöne an der enharmonischen Schreibweise ist, dass man harmonisch korrekt Quinten- & Septimenparallelen verschleiern kann :-D das krasseste Beispiel dafür findet sich in Beethovens Appassionata, und zwar im Thema des langsamen Satzes. die Notation verschleiert, was der coole grimme Ludwig da den Fingern und Ohren zumutet: auf den Tasten wird a-e-g zu as-es-ges verschoben! Und es klingt unvergeßlich.
 
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Liszts Mephistowalzer schichtet am Beginn Quinten übereinander
Das ist allerdings nur marginal ein kompositorischer Kunstgriff; der wohlfeile programmatische Effekt (Mephisto stimmt seine Geige) ist ja unüberhörbar.

Wenig archaisch wirken allerdings auch Skrjabins op. 65 Nr. 3 und Ligetis Fém - obwohl beide fast ausschließlich aus parallelen Quinten bestehen. Leider ist der Übeaufwand für diese tollen Stücke nicht unerheblich - da sind zumindest archaische Tugenden wie Geduld, Durchhaltevermögen und Leidensfähigkeit gefragt. :021:
 
In meiner Genralbaßschule von Dandrieu (Oktavregel) werden Quintparallelen ausdrücklich (in Ziffern natürlich) notiert, ohne sie extra als solche zu erwähnen. Und zwar immer wenn eine Dissonanz hinzukommt:

Ausschnitt-1.PNG
Ich finde das nachvollziehbar, weil keine "Stimmreduktion" stattfindet. Denn, selbst wenn eine Stimme durch Verschmelzung wegfällt, bleiben 3 unterschiedliche Stimmen, die ja einen Akkord ausmachen, weil ein vierter Ton hinzugekommen ist. Bin zwar noch nicht so supersensibel, aber ich höre da auch keinen auffälligen Parallelenklang. Er lehnt nur ausdrücklich Parallelen zum Bass ab. Gibt es da Einwände zum obigen Beispiel?
 
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Also in diesem Bsp. würde ich dazu neigen, im F-Dur die Terz zu verdoppeln. JSB macht das bei Sextakkordketten so, wenn ich mich richtig erinnere. Wo steht denn das bei Dandrieu? Die reine Bezifferung erzwingt ja noch nicht die Parallele.
 
Also in diesem Bsp. würde ich dazu neigen, im F-Dur die Terz zu verdoppeln
Dann bekommst du aber eine Oktavparallele zum Bass. Der kommt ja von G.

JSB macht das bei Sextakkordketten so, wenn ich mich richtig erinnere.
Aber ohne Dissonanzen, oder?

Hier. Er beziffert zunächst jede Stimme:

Dandrieu1.jpg

erst auf der nächsten Seite kommt die gleiche Übung in einfacher Bezifferung:

Dandrieu2.jpg
Und das zieht sich durch das ganze Buch. Ist also kein einmaliges Versehen.
 
Der F-Dur Akkord wird übrigens hier schon eingeführt. Ausdrücklich als "Sixte-Doublée", also nicht mit verdoppelter Terz, sondern mit verdoppeltem Grundton:

Dandrieu3.jpg

Bitte spiel es mal und sag mir, ob Du die Quinten hörst. Sehen gilt nicht.
 
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Zur Parallele: die wäre im strengen Satz unschön, da würde man mit einer Stimmkreuzung arbeiten und das f in derselben Stimme liegenlassen. Im Generalbass sind Stimmkreuzungen naturgemäß sinnlos, aber man hört diese Verbindung als Stimmkreuzung, weil man das f in diesem Fall instinktiv derselben Stimme zuordnet. Insofern ist die Parallele hier vertretbar, zumindest, wenn man c'-f'-c'' spielt. Mit f'-f'-c'' bleibt es unschön.

Das mit der Sixte-Doublée hast du nämlich missverstanden. Es ist nicht gemeint, dass man die Sexte verdoppeln soll, sondern - je nach Situation der Hand - die Sexte oder die Terz. Es wird also einer der beiden Töne in der rechten Hand verdoppelt, um ein Doppelung des Basses zu vermeiden. In der Bezifferung schreibt Dandrieu hier auch ausdrücklich die Verdoppelung der Terz vor.
 
Aber es soll eben nicht die Akkordterz (also der Bass) verdoppelt werden, was Axel ja vorgeschlagen hat. Das Andere stimmt. Im Unterschied zu "Sixte Simple", wo ausdrücklich die Terz verdoppelt wird. Oder auch falsch?
 

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