Da Quint-Bordune auch in der "früheren" Musik verwendet wurden, und auch sonst leere Quinten und Oktaven hier oft angesteuert wurden, kann ich mir schon vorstellen, dass leere Quinten bei den "moderneren Komponisten" besonders altertümliche Assoziationen weckten.
In der Klaviermusik findet sich ein gehäufter Gebrauch "leerer Quinten" bei Chopin (Mazurken), Grieg, Balakirev (u.a.) und sie wirken da eigentlich nicht "altertümlich", sondern quasi "volkstümlich" (stilisierte Folklore)
Die Verwendung solcher folkloristisch wirkender Quinten konnte sich problemlos parallel geführte Quinten erlauben, ohne dass es irgendwelchen Pedanten als vermeintliche Sünde oder Unvermögen auffiel - Griegs Hochzeitszug auf Troldhaugen beispielsweise.
Zudem eignete sich im Klavierklang die Quinte für mindestens zwei Komponisten zum experimentieren: Grieg und Liszt. Griegs Glocken (Kolokol) ist bis auf eine Ausnahme aus Quinten zusammengesetzt, Liszts Mephistowalzer schichtet am Beginn Quinten übereinander - beide erzielen verblüffende, keinesfalls archaisierend-sakrale oder stilisiert altertümelnde Klangwirkungen damit.
Dass die Komponisten wie Chopin sehr wohl die "Regeln" des zweistimmigen Kontrapunktes (und andere Stimmführungsregeln) kannten, beweist das Regentropfenprelude: der archaisch wirkende zweistimmige (quasi stilisiert mittelalterliche) Choral im Mittelteil enthält keine Quintenparallele.
Dass die Regeln des zweistimmigen Satzes hinfällig werden, wenn aus klanglich koloristischen Gründen Intervallketten in Passagenwerk eingesetzt werden, beweisen die hochvirtuosen Quintenkaskaden der Solovioline in Ravels Rhapsodie "Tzigane". Was Quarten betrifft die entsprechende Etüde von Debussy.
Obertonspitzfindigkeiten spielen dabei gar keine Rolle.
@alibiphysiker "altertümlich" - mir ist der Begriff archaisierend lieber; und ich meine, dass diese Assoziation (archaisch-ehrwürdig-sakral) zumeist durch das einflechten von Chorälen erzeugt wird: nicht die Quinten machen den Klanghöhepunkt in Debussy versunkener Kathedrale archaisch-sakral, sondern der Choral. Nicht anders in Chopin beiden g-Moll Nocturnes. Dabei muss der Choral samt seiner sakralen Assoziation weder kirchlich-christlich sein (Wagner Walhall-Akkorde/Thema) noch muss er positiv konnotiert sein (Verdi Otello, Aida) - Erstaunlich nebenbei: der kompositorische Rückgriff auf polyphone spätbarocke Techniken wirkt hingegen nicht "altertümelnd", z.B. Beethovens Fugen, Schumanns Neobarock, Verdis Falstaff-Doppelfuge usw.
das schöne an der enharmonischen Schreibweise ist, dass man harmonisch korrekt Quinten- & Septimenparallelen verschleiern kann
das krasseste Beispiel dafür findet sich in Beethovens Appassionata, und zwar im Thema des langsamen Satzes. die Notation verschleiert, was der coole grimme Ludwig da den Fingern und Ohren zumutet: auf den Tasten wird a-e-g zu as-es-ges verschoben! Und es klingt unvergeßlich.