Quintenzirkel, Ges und Fis, Wolfsquinte, harmonische, reine Stimmung

O

ollli

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Hallo Leute,

als Wiedereinsteiger habe ich mir mal den Quintenzirkel angesehen.

Dazu spießt sich bei mir die Logik zu Folgendem:

Ich weiß, eine Oktave ist eine Verdoppelung der Frequenz, 12 Halbtöne sind also Faktor zwei, aus 440 Hz werden 880 Hz.
Logischerweise müssten dann alle Töne sich vom nächsten Ton mit Faktor "12te Wurzel von 2" erklären lassen.
Im Wiki wird aber beschrieben, dass das nicht stimmen kann.
Würde man richtig stimmen, so ergibt sich eine Quintenspirale, da GES und FIS eben nicht das selbe sind.
Deshalb muss temperiert gestimmt werden, also manche Töne weichen von der "richtigen" Frequenz ab. Das verstehe ich nicht.
Wenn jeder Ton exakt um Faktor "12te Wurzel von 2" sich vom nächstliegenden unterscheidet, dann geht sich das doch exakt zur nächsten Oktave aus. Warum tut es das aber nicht, warum muss eben temperiert gestimmt werden, um diese Wolfsquinte zu vermeiden.

Danke
OLI
 
Gut finde ich, dass ich das mit der temperierten Stimmung verstanden habe. Schlecht finde ich, dass ich das aber nicht jemanden erklären kann.

Und die zwölfte Wurzel von zwei ist etwas, was es in meinem Leben gar nicht gibt. Und ich brauche das auch nicht.


CW
 
Und die zwölfte Wurzel von zwei ist etwas, was es in meinem Leben gar nicht gibt. Und ich brauche das auch nicht.

Okay, dann stelle dir vor, die Wurzel ist eine Suchmaschine wie Google.
12 Wurzel aus 2 sucht also eine Zahl, die die Eigenschaft hat, dass sie 12mal mit sich selber multipliziert eben genau wieder 2 als Ergebnis hat.
Die Zahl heißt 1,059...
Wenn du nun z.B. Kammerton a 440 Hertz mit 1,059.. mal rechnest, dann hast du den Ton b und dann das b wieder mal 1,05... dann hast du das c und so weiter. Das ganze dann zwölf mal so und du hast dann automatisch 440 Hertz mal zwei = 880 Hertz (mal 1,059.. mal 1,059... zwölf mal so weiter) was dem a eine Oktave höher entsprechen müsste.


Bzgl. Obertonreihe etc. , das muss ich mir nochmals durchlesen, ich war gestern Nacht noch zu müde.

Eine Frage an die ganz Schlauen hier:

Liege ich richtig in der Annahme, dass eben diese Summe an Obertöne DIE Tonleiter ist, die uns als natürliche im Kopf gespeichert ist, weil eben in der Natur alles so schwingt?

Zwei Fragen zum Text im Link:

1.
Hört man sich die Obertonreihe, so fällt auf, dass manche Obertöne wie "etwas verstimmt" klingen. Das liegt daran, dass die Intervalle der Obertonreihe immer "rein" sind in dem Sinne, dass jedes Intervall hier in seiner naturgegebenen Form erklingt. (Das Wort "rein" hat deshalb in diesem Zusammenhang eine andere Bedeutung, als man es sonst von Intervallen her kennt
Was kann ich mir dazu vorstellen? Warum verstimmt, warum "rein"? Ist das einfach so oder aus welcher physikalischen Eigenschaft einer schwingenden Seite ergibt sich das?

2.
Der siebente, der elfte, der dreizehnte und der vierzehnte Teilton sind im abendländischen Tonsystem nicht enthalten, d.h. auf einem Klavier nicht spielbar.
Warum werden die nicht gespielt? Wie sind die Leute vor hunderten Jahren draufgekommen, dass es da 7., 11., 13., 14. Töne gibt, aber die nicht in die Tonleiter aufgenommen werden?

Danke
OLI
 
Zuletzt bearbeitet:
Bin kein Schlauer aber das "Problem" liegt meinem Verständnis nach darin, dass Frequenz- und Saitenverhältnisse nicht gleich sind. Im Ergebnis sind 12 Quinten größer als 7 Oktaven, wenn sie rein gestimmt werden (ähnlich bei Terzen, Quarten...). Also muss man sich entscheiden, was besser klingt und vor Allem vielseitiger in allen Tonarten zu spielen ist: Unreine Quinten oder unreine Oktaven.
Heute stimmt man die Quinten enger (7 reine Oktaven durch 12) und die Oktaven rein*. Die Oktave ist es also, an der wir uns bzw. unser Gehör sich ausrichtet.

*) aber selbst Oktaven werden am Klavier je nach Instrument / Mensur nach unten und oben immer weiter gestreckt, um sich den Saitenverhältnissen, die ihre eigene Mathematik haben, anzupassen.
 
Warum werden die nicht gespielt? Wie sind die Leute vor hunderten Jahren draufgekommen, dass es da 7., 11., 13., 14. Töne gibt, aber die nicht in die Tonleiter aufgenommen werden?

In meinem neuesten Stück kommt immerhin der 7. vor (s. Anhang). ;-)
Im Laufe der Geschichte gab es viele Befürworter des 7. Teiltons, aber je mehr "Dimensionen" das Tonsystem bekommt, desto unübersichtlicher wird's natürlich. Mit 1, 3 und 5 (dreidimensional) kann man erstmal ziemlich viel machen. Weiteres gibt's dann im 20./21. Jahrhundert.

Den 11. Teilton gibt's häufig auf dem Horn zu hören, prominent z. B. in Brahms 1. Sinfonie (Finale). Oder auch in der fantastischen Aufnahme der Jahreszeiten von Haydn von René Jacobs und dem FBO, in der Nummer "(Der Herbst:) Hört, das laute Getön".
 

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Was für ein spannendes Thema für mich, ist etwas Gehirnjogging, tut mir gut. :-D

Nur spielen kann ich trotzdem nicht mehr nach zwei Dekaden Abstinenz, das ist aber ein anderes Thema (und ein anderer "Fred"):cry2:
 
Deshalb muss temperiert gestimmt werden, also manche Töne weichen von der "richtigen" Frequenz ab. Das verstehe ich nicht.

Das ist eigentlich nicht so kompliziert:
Schon Pythagoras hatte erkannt, dass es mit den Intervallen, die sich aus der Obertonreihe - also sozusagen natürlich - ergeben Probleme gibt!
Die Obertönereihe setze ich als bekannt voraus, fasse aber nochmals kurz zusammen, einfachheitshalber von C aus gesehen: Durch die ganzzahlige Teilung einer schwingenden Saite (Luftsäule, ...) ergeben sich Teiltöne mit der doppelten, dreifachen, vierfachen, usw. Frequenz. Da wir Tonhöhen exponentiell hören, rücken diese Teiltöne immer näher zusammen.
Verdoppelung der Frequenz erzeugt den nächstverwandten Ton die Oktave, also sind der erste, zweite, vierte, achte, sechzehnte, ... Oberton (ich zähle den Ausgangston mit) jeweils C.
Das Schwingungsverhältnis 2:1 definiert eine Oktave. Da unser Ohr bei Oktaven recht empfindlich ist, müssen diese immer rein sein.
Der dritte Oberton ist die Quinte, Schwingungsverhältnis 3:2
Der fünfte Oberton ist die große Terz (5:4) und damit ist das Intervall zum sechsten Oberton (der sechste Oberton ist die Oktave zur Quinte also wieder eine Quinte!) die kleine Terz (6:5). Für unsere Zwecke ist dann noch der neunte Oberton von Interesse, der die 'natürliche' große Sekunde mit 9:8 definiert.
Hier beginnen nun die Probleme. In der praktischen Musik wäre es schön, wenn zwei große Sekunden (c-d-e) eine große Terz ergäben, leider erzeugen zwei übereinander gestellte große Sekunden das Schwingungsverhältnis 81/64 (9:8 im Quadrat) und nicht 80:64 was gleich 5:4 ist, also einer natürlichen großen Terz entspräche! Die Abweichung 80:81 ist hörbar, das pythagoräische Komma.
Die Lösung wäre zwei verschiedene große Sekunden in die Tonleiter einzubauen (von C nach D 9:8 und von D nach E 10:9; was nach Multiplizieren und Kürzen 5:4 ergibt).
Auf einem so gestimmten Clavier- wäre dann aber das erste Intervall der D-Dur Tonleiter eine deutlich engere Sekunde (10:9) als in C-Dur. In alten Stimmungen sind diese Unterschiede noch spürbar, daher war vor der Einführung der temperierten Stimmung auch die Intervall Struktur jeder Tonart mehr oder weniger verschieden (Tonarten Charakteristik!)!

Auch wenn wir Terzenbäume bauen bekommen wir sofort Probleme:
Wenn wir aus natürlichen großen Terzen die Folge C, E, Gis, His bilden, dann wären wir Happy, wenn dieses His mit C identisch wäre! Is aba nich! Wenn wir das Verhältnis 5:4 dreimal anwenden kommen wir auf
125:64 und das ist leider nicht zwei! Dieses his ist zu tief! (125:128).
Wegen einer Vielzahl derartiger Probleme (z. B. auch der Quintenbaum) suchte man jahrhundertelang nach einer praktischen Lösung bis A. Werckmeister mit der temperierten Stimmung ein anwendbares Verfahren fand, die längst bekannte Lösung mit der zwölften Wurzel in die Praxis umzusetzen. Dass dabei die Tonarten Vielfalt futsch ging (man hat dann nur noch eine Durtonleiter, die aber auf 12 Stufen) hat Wiederstand hervorgerufen, aber die temperierte Stimmung setzte sich durch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Daaaaanke!
Okay, ich entnehme deinen sehr detailierten und profunden Ausführungen:

1. Die Obertöne sind DIE für uns stimmigen Töne, sie ergeben sich aus den ganzzahlig sich teilenden Seitenschwingungslängen.
2. Das Stappeln von Intervallen ergibt eine andere Summe als wir durch das Multiplizieren mit den 12teWurzelfaktoren erhalten. His ungleich C

Als Mathematiker sehe ich das so, dass zwar eine Verdoppelung der Frequenz zwar eine Oktave ergibt, aber sich diese nicht automatisch mithilfe der geometrischen Reihe [a*b^(1/12)] teilen lässt, so dass die Teile den natürlichen Obertönen (exakt) gleichen.
Das glaube ich daran zu erkennen, dass die "natürlichen" Töne, Obertöne, sich IMMER aus Brüchen ergeben. Das sind entweder endliche oder unendliche aber perdiodische Zahlen (rationale Zahlen). Die Teilung basierend auf der Oktave über die geometrische Reihe ergibt Frequenzen, welche irrational sind, unendliche nichtperiodische Zahlen. Diese beiden Zahlengruppen (-mengen) schließen sich aus. Komplett!

Liege ich richtig in der Annahme, dass deshalb Komponisten unterschiedliche Stücke in unterschiedlichen Tonarten schrieben, um den Charakter deren unterschiedlichen Dissonanzen herauszuarbeiten? Anders kann ich es mir nicht vorstellen, warum man sich sonst das Spiel mit 5 Kreuzen antun soll, wenn es ohne (C Dur, AMoll) auch ginge. :-D


Danke
OLI
 
Zuletzt bearbeitet:
Als Mathematiker sehe ich das so, dass zwar eine Verdoppelung der Frequenz zwar eine Oktave ergibt, aber sich diese nicht automatisch mithilfe der geometrischen Reihe [a*b^(1/12)] teilen lässt, so dass die Teile den natürlichen Obertönen (exakt) gleichen.

Das ist genau das Problem, welches unlösbar ist, entweder man spielt alle Intervalle außer der Oktave (minimal) unrein (temperierte Stimmung), oder man muss in jeder Tonart neu stimmen, im Extremfall während eines Stückes bei Modulationen. Bei einer großen Orgel (und auch schon bei einem Flügel, Klavier) eine utopische Vorstellung.
Spätestens bei der Zwölftonmusik, die konsequent nur 12 Stufen in der Oktave akzeptiert ist die temperierte Stimmung alternativlos ( um AM zu zitieren)!
 
Ich frage mich, wie man früher ohne elektronische Mittel da

1. drauf gekommen ist
2. Klaviere gestimmt hat.

Erstaunlich.

ich habe früher auch etwas Gitarre gespietl, dort habe ich mit der Stimmgabel das a gestimmt, den Rest über die Obertöne, lässt sich einfach bei der Gitarre anspielen und nur auf die Schwebung geachtet. Das klapp so gut, dass beim Stimmgerät nullkommnull Abweichung da war. Nur, bei einem Klavier habe ich hunderte Seiten.
 

...
Liege ich richtig in der Annahme, dass deshalb Komponisten unterschiedliche Stücke in unterschiedlichen Tonarten schrieben, um den Charakter deren unterschiedlichen Dissonanzen herauszuarbeiten? Anders kann ich es mir nicht vorstellen, warum man sich sonst das Spiel mit 5 Kreuzen antun soll, wenn es ohne (C Dur, AMoll) auch ginge …

Nein, da liegst du falsch.
Beim Klavier produzieren unterschiedliche Tonarten unterschiedliche Griffe,
damit werden dem Komponisten oder auch dem Improvisator unterschiedliche Feinstrukturen nahegelegt.

In der Vokalmusik sind die Tonarten eigentlich völlig egal, aber die geforderten Tonumfänge der Einzelstimmen müssen praktisch realisierbar sein.

Bei den Blechbläsern liegen deren Naturtöne typischerweise im Bereich der b-Tonarten.

Bei den Streichern liegen die leeren Seiten im Bereich der #-Tonarten.

u.s.w.

Grüße
Manfred
 
Liege ich richtig in der Annahme, dass deshalb Komponisten unterschiedliche Stücke in unterschiedlichen Tonarten schrieben, um den Charakter deren unterschiedlichen Dissonanzen herauszuarbeiten? Anders

Das gilt so eigentlich nur bei Musik vor der Einführung der temperierten Stimmung (grob um 1700).

Die Unterschiedlichkeit der Tonarten ist aber bis heute gegeben. Wir brauchen alle Tonarten. Die einfachsten Gründe dafür sind beispielsweise:
die absolute Tonhöhe (mit Geige können wir kein kleines Fis spielen ohne umzustimmen, Sänger haben einen bestimmten Stimmumfang, ... Farbe und Helligkeit des Klangs, eine Quarte oder mehr höher oder tiefer hört man auch als Nichtabsoluthörer).
Dann spielen Griffbilder auf den meisten Instrumenten eine Rolle (leere Saiten auf Streichinstrumenten, angenehm oder unangenehm zu intonierende Töne besonders bei Bläsern) . Auf dem Klavier fühlt sich ein Fis-Dur Dreiklang anders an als einer in As-Dur oder C-Dur. Die Vorliebe der Klavierromantiker für Tonarten mit vielen Vorzeichen hat nicht nur Gründe in der absoluten Höhe einer Tonart sondern auch in den Griffbildern.
Dann spielen insbesondere bei Instrumenten mit nicht festgelegten Tönhöhen auch tatsächliche kleine Anpassungen an vortemperierte Stimmsysteme eine Rolle und es gibt auch noch eine nicht von der Intervallstruktur abhängige Tonarten-Charakteristik. (Fis-Dur hat eine ganz andere Ausstrahlung als Ges-Dur)
 
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ich habe früher auch etwas Gitarre gespietl, dort habe ich mit der Stimmgabel das a gestimmt, den Rest über die Obertöne, lässt sich einfach bei der Gitarre anspielen und nur auf die Schwebung geachtet. Das klapp so gut, dass beim Stimmgerät nullkommnull Abweichung da war. Nur, bei einem Klavier habe ich hunderte Seiten.

Das ist unmöglich, es sei denn, du hast auf deinem Stimmgerät pythagoräische bzw. reine Stimmung eingestellt.
Ansonsten möchte es die Quinten nämlich tiefer (gleichstufig) haben als dein Ohr es dir über die Obertöne und Schwebungen mitteilt.
 
Na wie gut, dass ich keine Farben höre.
Meine Frau amüsiert sich immer, wenn ich auf ihr "Das ist doch rosa, nicht orange" entgegne, "Das ist doch alles das Gleiche." *g*
 

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