Quintenzirkel, Ges und Fis, Wolfsquinte, harmonische, reine Stimmung

Ein Komponist lief weinend durch Wien und traf Mozart, der ihn fragte warum er weine. Antwort: "Ich hab ein Stück in C-Dur komponiert und bin versehentlich nach G-Dur gekommen ; jetzt finde ich den Heimweg nimmer!"
 

Es spielt mit:
- Persiflage auf markige Werbesprüche
- die inhärente Modulationsarmut TEYscher Musik
- die Tatsache, dass man ein fragwürdiges Designelement eines über jahrhunderte gewachsenen Systems als speziell für Musik geeignet hält, die aus dem 20. Jhd. ist

Das ist aber nur eine nachgeschobene Erklärung. Ich hatte einfach diesen Einfall. Ein Gag ist wie eine GUI: Wenn Du es erklären musst, isses kacke.

Grüße
Häretiker
 
Ah...
Z. B. sowas: "unsere antiaging-Creme Youthtrust™ mit neuartigem Wirkstoffkomplex wurde speziell für die Haut ab 40 entwickelt"
 
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Anmerkung zu historischen Stimmungen:

Mitteltönig ist barfuß oder Lackschuh: Entweder geht die Tonart uns ist sehr sauber, weil die Terzen gut sind, oder sie geht nicht. Es gibt cis, es, fis, gis und b. Die enharmonische Verwechslung geht nicht, das cis taugt nicht als des.

Dann gibt es etliche abgemilderte Varianten der mitteltönigen Stimmung mit mehr oder weniger brauchbaren Kompromissen, z.B. bei es/dis. Letzteres braucht man für e-moll.

Dann wären die hochbarocken, wohltemperierten Stimmungen zu nennen: Werkmeister, Neidhardt, Valotti usw. Da gehen im Prinzip alle Tonarten, aber sie sind unterschiedlich gut. Man tendiert wohl dazu, dass Bach so gestimmt haben könnte. Mancher will noch aus dem Titelblatt des WTC eine Stimmanweisung herauslesen. Ungleichschwebende Stimmungen haben sich recht lange, bis Anfang des 19. Jh. gehalten. Viele historische Orgeln haben eine solche Stimmung, mein Cembalo hat gerade Valotti. Ich finde ein gleichschwebendes Cembalo klingt immer verstimmt.

Die Frage ist, ob diese Stimmungen eine Tonartencharakteristik begünstigen. Schwierig ist das schon, weil sie alle anders sind. Trotzdem finden wir bei barocken Autoren so etwas immer wieder. Manchmal allerdings auch voneinander abweichend. Einige Sachen sind unstrittig, z.B. D-Dur als Triumphtonart, weil die Tröten in D gestimmt waren (manchmal auch in C). Der Rest ist relativ vage. Und dann entwickelt sich natürlich eine gewisse Tradition. Bei Schubert ist As nie fröhlich, bei Mozart gilt das Gleiche für A. Gewisse Tonarten haben sich für monumentale und ernsthafte Sachen herausgebildet, z.B. d. Ich würde das grundsätzlich immer mit einer gewissen Distanz betrachten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tolle Antwort. Ich glaube immer mehr zu verstehen.
Danke euch allen.
OLI
 
Ein paar Ergänzungen zu Axels konstruktivem Beitrag:

Dann gibt es etliche abgemilderte Varianten der mitteltönigen Stimmung mit mehr oder weniger brauchbaren Kompromissen, z.B. bei es/dis. Letzteres braucht man für e-moll.

Eine in ihrer damaligen Verbreitung nicht zu unterschätzende Alternative sind Instrumente mit Doppeltasten, insbesondere solche für es und dis (und gis/as) waren im 16. und 17. Jh. sehr verbreitet.

Viele historische Orgeln haben eine solche Stimmung, mein Cembalo hat gerade Valotti. Ich finde ein gleichschwebendes Cembalo klingt immer verstimmt.

Unbestritten, das Cembalo ist zu obertonreich und nicht für gleichstufige Stimmung konzipiert. Das moderne Klavier verkraftet die gleichstufige Stimmung viel besser.

Gewisse Tonarten haben sich für monumentale und ernsthafte Sachen herausgebildet, z.B. d. Ich würde das grundsätzlich immer mit einer gewissen Distanz betrachten.

In diesem Fall hat das natürlich einen besonders starken modalen Hintergrund: Der erste Modus (auf d) galt immer, schon im Mittelalter bei Guido, als ernsthaft und stolz.
Ebenso behält e-Moll (und auch a-Moll) natürlich den phrygischen Touch und damit die den Affekt der Klage.
Und der 5. Modus (lydisch) auf F war, wenn man so will, der fröhlichste und "natürlichste": von den Chorälen in diesem Modus her stammt die Bevorzugung der Dreiklangstöne (F, A, C); auch etwas, das im modernen F-Dur weiterlebt.

Ad "bitte vorrechnen": Versucht mal, die Progression auf dem Euler'schen Tonnetz nachzuvollziehen. Das ist anschaulicher und geht schneller. Ihr werdet sehen, dass man, wenn man Verbindungstöne beibehält, eine Ebene höher rauskommt.
 
Das entscheidende an unterschiedlichen Tonarten sind die Farben. C-Dur ist gelb, D-Dur ist dunkelorange, E-dur ist lila, Fis-Dur grün wie ein Weihnachtsbaum etc.

Leider sieht das nicht jeder. :lol:
Ich finde dies hier (offenbar hör-sieht jeder anders):

Farbzuordnung nach Leonid Sabaneev:
C rot
Des violett (lila)
D gelb
Es stahlartig mit Metallglanz (bleiern)
E blau-weißlich (mondfarben)
F grün
Fis blau-grell (reines, helles Blau)
G orange-rosa
As purpur-violett (lila)
A grün
B wie Es
H ähnlich dem E

http://contrapunkt-online.net/alexander-skrjabin-und-seine-mystische-farbenkunst/
 
Das ist eigentlich nicht so kompliziert:
Schon Pythagoras hatte erkannt, dass es mit den Intervallen, die sich aus der Obertonreihe - also sozusagen natürlich - ergeben Probleme gibt!
Die Obertönereihe setze ich als bekannt voraus, fasse aber nochmals kurz zusammen, einfachheitshalber von C aus gesehen: Durch die ganzzahlige Teilung einer schwingenden Saite (Luftsäule, ...) ergeben sich Teiltöne mit der doppelten, dreifachen, vierfachen, usw. Frequenz. Da wir Tonhöhen exponentiell hören, rücken diese Teiltöne immer näher zusammen.
Verdoppelung der Frequenz erzeugt den nächstverwandten Ton die Oktave, also sind der erste, zweite, vierte, achte, sechzehnte, ... Oberton (ich zähle den Ausgangston mit) jeweils C.
Das Schwingungsverhältnis 2:1 definiert eine Oktave. Da unser Ohr bei Oktaven recht empfindlich ist, müssen diese immer rein sein.
Der dritte Oberton ist die Quinte, Schwingungsverhältnis 3:2
Der fünfte Oberton ist die große Terz (5:4) und damit ist das Intervall zum sechsten Oberton (der sechste Oberton ist die Oktave zur Quinte also wieder eine Quinte!) die kleine Terz (6:5). Für unsere Zwecke ist dann noch der neunte Oberton von Interesse, der die 'natürliche' große Sekunde mit 9:8 definiert.
Hier beginnen nun die Probleme. In der praktischen Musik wäre es schön, wenn zwei große Sekunden (c-d-e) eine große Terz ergäben, leider erzeugen zwei übereinander gestellte große Sekunden das Schwingungsverhältnis 81/64 (9:8 im Quadrat) und nicht 80:64 was gleich 5:4 ist, also einer natürlichen großen Terz entspräche! Die Abweichung 80:81 ist hörbar, das pythagoräische Komma.
Die Lösung wäre zwei verschiedene große Sekunden in die Tonleiter einzubauen (von C nach D 9:8 und von D nach E 10:9; was nach Multiplizieren und Kürzen 5:4 ergibt).
Auf einem so gestimmten Clavier- wäre dann aber das erste Intervall der D-Dur Tonleiter eine deutlich engere Sekunde (10:9) als in C-Dur. In alten Stimmungen sind diese Unterschiede noch spürbar, daher war vor der Einführung der temperierten Stimmung auch die Intervall Struktur jeder Tonart mehr oder weniger verschieden (Tonarten Charakteristik!)!

Auch wenn wir Terzenbäume bauen bekommen wir sofort Probleme:
Wenn wir aus natürlichen großen Terzen die Folge C, E, Gis, His bilden, dann wären wir Happy, wenn dieses His mit C identisch wäre! Is aba nich! Wenn wir das Verhältnis 5:4 dreimal anwenden kommen wir auf
125:64 und das ist leider nicht zwei! Dieses his ist zu tief! (125:128).
Wegen einer Vielzahl derartiger Probleme (z. B. auch der Quintenbaum) suchte man jahrhundertelang nach einer praktischen Lösung bis A. Werckmeister mit der temperierten Stimmung ein anwendbares Verfahren fand, die längst bekannte Lösung mit der zwölften Wurzel in die Praxis umzusetzen. Dass dabei die Tonarten Vielfalt futsch ging (man hat dann nur noch eine Durtonleiter, die aber auf 12 Stufen) hat Wiederstand hervorgerufen, aber die temperierte Stimmung setzte sich durch.
Super erklärt! Respekt.
Wer damit noch etwas herum spielen möchte: http://www.henkessoft.de/Sonstiges/Noten_Frequenzen_MIDI_.xlsx

Das Thema "Wolfsquinte" (Quinte heult wie ein Wolf) wird hier sehr gut dargestellt: https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfsquinte
 
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Die chromatische Tonleiter ist eine geometrische Folge mit dem Faktor 12te Wurzel aus zwei.

Der Zusammenhang zwischen Frequenz (Hz) und "Tonhöhe" ist ein logarithmischer, das ist richtig. Wie wir "im Gehirn hören" ist mir nicht klar, denn wir hören die verschiedenen Frequenzen, manche schaffen das absolut, manche nur relativ (Intervalle).

Ob und wo wir diese Frequenzen wirklich "linearisieren", kann ich nicht exakt nachvollziehen.
Wo geschieht das genau? Was wäre der physikalische Messwert für die Tonhöhe? Wenn Physiker Tonhöhen messen, messen sie die Frequenz(en) in Hertz (Hz).

Der Begriff "logarithmisches Hören" bezieht sich zumeist auf die physikalische Größe des Schalldruckpegels (dB).
 
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Gleich empfundene Tonhöhenabstände entsprechen dem gleichen Frequenzverhälnis, d.h. die Differenz der Logarithmen der Frequenzen ist gleich.

Bingo!
Ich hab's von der anderen Seite gesehen, nämlich dass die absoluten Schwingungszahlen entsprechend wachsen, wenn wir in höhere Register kommen!
Logarithmisches Hören trifft es aber besser!
 
...finde ich gut klargestellt. Wenn man haarspalterisch sein will, beachtet man aber, dass wir hier über <musikalische> Tonhöhenempfindungen reden und dass <linear> hier meint: 'subjektiv im irgendwie gleichen Abstand von Ton zu Ton'.

Ton im physikalischen oder psychoakustischen Sinn wäre ein Sinuston, und wenn man die Unterscheidbarkeit in der Wahrnehmung nahe beieinanderliegender Frequenzen betrachtet (s. Wikipedia oben) oder auch den Informationsgehalt etwa gesprochener Sprache, ist zum Beispiel die Oktave von 8000-16000 Herz deutlich weniger differenzierbar als die von 400-800 (d.h.: 8000Hz ist Fiep und 16000 ist nur ein wenig mehr Fiep, vielleicht kann man auch sagen: eine Triangel muss nicht auf's 1/4-Hz gestimmt sein ((abgesehen davon, dass sie nicht harmonisch schwingt))). Deshalb werden bei automatischer Spracherkennung, Signalkompression o.ä. in den hohen Frequenzbereichen größere Intervalle zu je einer Einheit zusammengefaßt.
 
...finde ich gut klargestellt. Wenn man haarspalterisch sein will, beachtet man aber, dass wir hier über <musikalische> Tonhöhenempfindungen reden und dass <linear> hier meint: 'subjektiv im irgendwie gleichen Abstand von Ton zu Ton'.

Ja, natürlich. Das ist ja gerade der Kern der Sache.

Wir empfinden den Abstand (100 Hz zu 200 Hz) als genau so groß wie (200 Hz zu 400 Hz). Das hat nix mit Haarspalterei zu tun, das ist ja gerade das zentrale Element.

Grüße
Häretiker
 
Die Maßeinheit ist wohl Mel und zu den unterschiedlichen Mechanismen der Wahrnehmung von Tonhöhen steht da etwas:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mel

Danke für diese Information. Die Tonheit, gemessen in "Mel", als Funktion der Frequenz verhält sich interessant: "Für Frequenzen größer als 500 Hz stehen Frequenz und Tonheit in einem nichtlinearen Zusammenhang (1000 Hz = 850 mel, 8000 Hz = 2100 mel). ..."
Bei hohen Frequenzen verändert sich die so einfach geglaubte Beziehung: "... ist für eine Verdopplung der empfundenen Tonhöhe also ein musikalisches Intervall von mehr als 2,5 Oktaven erforderlich."

Hört, hört! :018:
 

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