Es ist offensichtlich nicht jedem gegeben, Ironie zu erkennen.
Aber jede Ironie hat einen wahren Kern. Wenn ein Pianist sich beispielsweise für neue Musik interessiert und diese auch aufführt, wird er niemals große Säle füllen. Trotzdem kann er ein großer Künstler sein. Pierre-Laurent Aimard ist so ein Beispiel - er hat bis zu seinem 50. Lebensjahr fast ausschließlich Neue Musik aufgeführt, und zwar auf allerhöchstem Niveau. Selbstverständlich hat er damit nicht regelmäßig die großen Säle gefüllt. Ist er deshalb kein großer Pianist?
Um große Säle zu füllen, muss man
auch viel Glück haben und manchmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Als Kriterium für den Rang eines Künstlers taugt das eher nicht. Das genau sollte der etwas absurde Vergleich mit Clayderman und Rieu deutlich machen.
Seit vielen Jahren, ja. Ungefähr seit der Jahrtausendwende, um genauer zu sein. Aber den Tschaikowsky-Wettbewerb hat er schon 1966 den gewonnen (als 16jähriger). Spätestens seit 1980 konnte er frei reisen und tat dies auch - trotzdem war er nicht berühmt und spielte zumindest im Westen nicht in großen Sälen und nicht mit Spitzenorchestern. Und das lag nicht an der Qualität seines Klavierspiels; es gibt genügend Live-Aufnahmen aus der Zeit, die das beweisen. Er
war lange ein Geheimtipp - nichts anderes habe ich geschrieben.