Notentreue vs. Improvisation

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Mich würde eure Meinung interessieren, ob ihr eine Interpretation mit viel Improvisation innerhalb eines klassischen Werkes, wie in der nachfolgenden Aufnahme des G-Dur Klavierkonzertes von Ravel durch Makoto Ozone, ablehnt oder als interessante Bereicherung empfindet.

 
Furchtbar……ich kann dem nix abgewinnen. Für mich liegt der Reiz im nachschaffen. Und das will ich hören. Ich komme tatsächlich nicht für den Pianisten als Person ins Konzert sondern für das was er über das Werk und den Komponisten vermittelt. Wenn er’s schafft dass ich mich da einfühlen kann komm ich gerne wieder. Aber die eigenen Improvisationsausbrüche muss ich nicht haben.
 
Wäre interessant zu wissen, wie viel hier tatsächlich improvisiert wird. Mir scheint, hier hat Makoto Ozone im Vorfeld ziemlich viel auskomponiert.
 
Das Ergebnis von sowas ist meistens nichts stimmiges, das die Welt braucht. Bis auf extrem wenige Ausnahmen funktioniert das nicht. Für zeitgenössische Improvisationskunst gibt es den Post-Bop- und Avantgarde-Jazz, dessen Akteure da mehr Erfahrung haben und es dementsprechend besser können.

Nur meine (polarisierende) kleine Meinung...

 
Wäre interessant zu wissen, wie viel hier tatsächlich improvisiert wird. Mir scheint, hier hat Makoto Ozone im Vorfeld ziemlich viel auskomponiert.
Aber auch da ist es völlig uninteressant. Was wäre der Umkehrschluss wenn man sagt „das braucht’s“? Man würde damit entweder sagen das Stück ist langweilig, oder das Stück ist totgespielt und deshalb langweilig oder „das Stück wird besser durch mich“. Nichts davon kann man ja wohl ernsthaft vertreten. Also mit welcher Begründung improvisiert man in einem abgeschlossenen Werk herum?
 
Also mit welcher Begründung improvisiert man in einem abgeschlossenen Werk herum?
im Falle von Ravels Klavierkonzert ist die Frage durchaus berechtigt. Andererseits sollte man sich vor Augen halten, daß das Improvisieren auch bei Werken, die nicht der eigenen „Genialität“ entsprangen, in früherer Zeit durchaus üblich war. Die Verzierungslehren des 17. und 18. Jahrhunderts, der Freiraum der Solokadenz, das sind noch letzte Relikte. Aber auch bei den Solokonzerten traut sich ja heutzutage kaum jemand, seine eigene Phantasie spielen zu lassen, vor allem, wenn der Komponist selber Kadenzen (für die Feiglinge und Phantasielosen) geschrieben hat. Ich interpretiere diese vom Komponisten ausgeschriebenen Kadenzen eher als Anregungen: „etwa in dieser Art könnte eine Kadenz ausgeführt werden.“

Natürlich besteht bei solchen Freiräumen immer die Gefahr, daß der Interpret stilistisch daneben langt. Was nicht so tragisch war, als Musizieren noch eine vergängliche Kunstform war. Das Konservieren von musikalischem Geschehen hat uns viele Möglichkeiten erschlossen. Aber im Zusammenhang mit unseren rigiden Vorstellungen von „Wertreue“ ist dabei auch Manches auf der Strecke geblieben.
 
wenn der Komponist selber Kadenzen (für die Feiglinge und Phantasielosen) geschrieben hat.
…und für die Unfähigen die keine eigene schreiben können!

Natürlich besteht bei solchen Freiräumen immer die Gefahr, daß der Interpret stilistisch daneben langt. Was nicht so tragisch war, als Musizieren noch eine vergängliche Kunstform war.
Absolut!

ausgeschriebenen Kadenzen eher als Anregungen: „etwa in dieser Art könnte eine Kadenz ausgeführt werden.“
Aber wenn die Kompetenz (siehe oben) nicht da ist, warum sollte man dann das schöne Stück mit etwas unschönem „schmücken“

Ich hab auch erst überlegt ob ich eine andere Kadenz spiele (von anderen Komponisten, natürlich keine eigene!). Aber die von Beethoven steht dann bei genauerer Betrachtung dennoch weit darüber, warum sollte ich dann nicht diese nehmen? Warum ist das unkreativ? Sie ist wunderschön.
 
Aber wenn die Kompetenz (siehe oben) nicht da ist, warum sollte man dann das schöne Stück mit etwas unschönem „schmücken“
Es muss einem nicht gefallen, was Makoto Ozone macht, aber sein Handwerk versteht er; dafür spricht auch, dass Dirigentin und Orchester offenbar hinreichend überzeugt worden sind, um dieses Werk (Bearbeitung? Rekomposition?) öffentlich aufzuführen.
Ja, ich gestehe ganz offen, dass ich es mir vollständig ohne Unwohlsein angehört habe. :007:
 
Es muss einem nicht gefallen, was Makoto Ozone macht, aber sein Handwerk versteht er; dafür spricht auch, dass Dirigentin und Orchester offenbar hinreichend überzeugt worden sind, um dieses Werk (Bearbeitung? Rekomposition?) öffentlich aufzuführen.
Hab mich offensichtlich nicht auf makoto Ozone bezogen sondern auf den Beitrag von @Cheval blanc und auf meine Ergänzung „die Unfähigen die keine schreiben können“

Es gibt Leute die sind nicht in der Lage eigene Kadenzen zu schreiben und dennoch weder feige noch fantasielos. Vielleicht einfach nicht überheblich? Und dann gibts die letzte die natürlich mangels Kompetenz nicht in der Lage sind auch nur dran zu denken eine eigene zu schreiben (wie ich z.B.) die spielen dann die die es gibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, ich gestehe ganz offen, dass ich es mir vollständig ohne Unwohlsein angehört habe. :007:

Und ich habe beim Adagio abgeschaltet, denn es ist so überirdisch schön, dass es zu meinen Lieblingsstücken gehört.

Mir erschließt sich nicht, warum jemand "frei nach N.N." spielt und sich damit an einem Werk vergreift. Man sollte die Originale unangetastet lassen und nicht entstellen.
 

OK, ich habe "das schöne Stück" tatsächlich auf das Ravel-Konzert bezogen.
Nein das bezieht sich auf meine Ergänzung. Ich hab mich für Beethoven Kadenz entscheiden obwohl ich alle möglichen anderen Kadenzen gesucht und abgewogen hab. Selbst Schreiben kann ich nicht und wenn dann wäre die niemals schöner als die die drin ist. Ich hatte ein paar in der engeren Auswahl u.a. Henselt und Schumann aber wenn man sich länger damit auseinandersetzt fallen sie deutlich ab. Warum ist das „unkreativ“ wenn man das anerkennt?
 
dafür spricht auch, dass Dirigentin und Orchester offenbar hinreichend überzeugt worden sind, um dieses Werk (Bearbeitung? Rekomposition?) öffentlich aufzuführen.
Das ist kaum ein Kriterium. Wenn man nackte, dicke, behaarte Männer in Pinke Tutus steckt und im Theater (Galileo z.B.) zur Pause über die Bühne hopsen lässt ist bestimmt nicht das Handwerk der Grund für die Einlage sondern irgendwelche Verkaufsargumente. Das ist schon an sich traurig genug.

Wenn der Inhalt nix mehr wert ist muss die Verpackung leuchten.
 
Das ist kaum ein Kriterium. Wenn man nackte, dicke, behaarte Männer in Pinke Tutus steckt und im Theater (Galileo z.B.) zur Pause über die Bühne hopsen lässt ist bestimmt nicht das Handwerk der Grund für die Einlage sondern irgendwelche Verkaufsargumente. Das ist schon an sich traurig genug.
Welches Verkaufsargument könnte beim bearbeiteten Ravel-Konzert herangezogen worden sein? Da müsste man ja von vornherein damit rechnen, dass das ein kompletter Flop wird.
 
Was ist überhaupt noch original an heutzutage aufgeführten Werken längst verstorbener Komponisten?
Die Musik ist original. Die Auffassung kann sich ändern (im Rahmen der Möglichkeiten) aber es behält einen „wahren Kern“. Das obige ist eine Entfremdung. Für mich auf einer Stufe wie „Classic goes Salsa“.


Welches Verkaufsargument könnte beim bearbeiteten Ravel-Konzert herangezogen worden sein?
„Neu! Ganz anderes! Ganz besonders. Unterhaltung.“ schon mal einen Saft gesehen der sich besser verkauft weil drauf steht „alte Rezeptur?“
Anscheinend ist das Konzert an sich nicht mehr besonders genug.
 
Zuletzt bearbeitet:
„Neu! Ganz anderes! Ganz besonders. Unterhaltung.
Für den Veranstalter ist es jedenfalls ein sehr hohes Risiko, so etwas aufs Programm zu setzen.
Oder Makoto Ozone ist in Japan so ein Superstar, dass man ihm fast alles durchgehen lässt. Die Hütte war zumindest voll. Ob so eine Aufführung außerhalb von Japan möglich wäre, darf bezweifelt werden.
 
Das Ergebnis von sowas ist meistens nichts stimmiges, das die Welt braucht. Bis auf extrem wenige Ausnahmen funktioniert das nicht. Für zeitgenössische Improvisationskunst gibt es den Post-Bop- und Avantgarde-Jazz, dessen Akteure da mehr Erfahrung haben und es dementsprechend besser können.

Nur meine (polarisierende) kleine Meinung...


Autschi, ich muss meinen unqualifizierten Beitrag tatsächlich selbst widerrufen. Tatsächlich habe ich den Namen Makoto Ozone hier und jetzt zum ersten Mal gehört und soeben nachträglich recherchiert wer und was für ein Pianist ist. Na gut, da ich die werktreue Version des Stückes nicht kenne, kann ich mir auch keine Meinung bilden und halte besser die Klappe. Trotzdem finde ich solche "Cross-Over-Geschichten" selten gelungen... Nicht Fisch nicht Fleisch...
 

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