Es ist halt so, dass bei Gehaltsfragen etc. immer gewaltige Emotionen ins Spiel kommen. Ich glaube, es geht da auch um gefühlte Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit. Wenn also HoeHue selbst selbständig ist, empfindet er womöglich diese Verträge als Knebelverträge, weil er selbst solche Verträge nicht hat und seinen Kunden nicht irgendwelche Kündigungsfristen überstülpen kann. Allerdings neigt man dazu, immer auf das zu schauen, was man nicht hat und vielleicht gibt es ja doch auch Vorteile seiner Selbständigkeit, die ein KL nicht hat.
Ich finde nicht, dass hier irgendjemand gejammert hat. Aus meiner Sicht habe ich die Fakten klar und sachlich benannt und wieso soll das Jammerei sein? Genau so ist es. Die Sozialkassen haben diese 1000€ Brutto als Zahl genannt - das mag man glauben oder nicht. Ich finde diese Zahl erschütternd. Hiermit sind ja nicht nur private Lehrer gemeint, sondern auch die an den Musikschulen. Und an denen ist die Lage der Lehrer wirklich schlimm. Ganz sachlich ist es so, dass die Honorarverträge, die es mittlerweile fast nur noch gibt, Ausbeuterei sind. Ein typisches Beispiel:
http://www.eisenach.de/fileadmin/files_db/dl_mg_1076404667.pdf
Stundenlöhne gibt's da von 10,50€ bis 13€. Es werden nicht bezahlt: Vorbereitung/Nachbereitung, Vorspiele und deren Vorbereitung, Wettbewerbsvorbereitungen, Sonderaktionen, Reisekosten und Fahrtzeit. Ganz zu schweigen von Sozialversicherungen, von diesem Bruttogehalt gehen dann natürlich noch die Steuern ab, Rentenversicherung kann man sich kaum leisten. Oft gibt es auch kein Geld für kurzfristig oder überhaupt nicht abgesagte Stunden.
Den Musikschulen kann man da noch nicht einmal einen Vorwurf machen, denn die können anders kaum existieren. So kommt diese erschreckende Zahl von 1000€ brutto durchschnittlich zustande.
Wir KL haben uns für diesen Beruf entschieden, aber man wird doch noch solche Zustände benennen dürfen. Privatmusiklehrer können sich wenigstens ihre eigenen Verträge oder eben keine machen, sie haben wesentlich mehr Handlungsfreiheit. Sie können auch in ihrem eigenen Interesse auf Wünsche von Schülern eingehen. Allerdings gibt es natürlich nicht überall Millionen von Schülern, die nur darauf warten, bei einem anfangen zu können. Im Gegenteil! Das liegt auch daran, dass die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist und sich jeder Klavierlehrer nennen und Klavierunterricht geben darf, oft zu Dumpingpreisen. Eltern achten verständlicherweise oft auf den Preis und wissen gar nicht, auf was sie achten sollen bei der Qualität des Unterrichts und des Lehrers. Es ist jedenfalls nicht so, dass ein KL immer so viel Schüler hat, wie er gern hätte, bei weitem ist das nicht so.
Nun könnte man sagen, Qualität wird sich durchsetzen, aber auch das stimmt nicht immer. Der billigere Preis ist oft entscheidend, besonders wenn der Klavierlehrerlaie gut mit Kindern umgehen kann und die Eltern seiner Schüler auch nicht so viel Geld haben (z.B. in manchen ländlichen Gebieten....). Qualität setzt sich sofort durch, wenn man in Orten wohnt mit einem hohen Anteil an einer finanzkräftigen, gutbürgerlichen Mittelschicht.
Das ist jetzt alles nur eine Beschreibung, eine Schuldfrage möchte ich hier nicht stellen (die ist schwer zu beantworten). Wieso ich mich hier überhaupt eingeklinkt habe, liegt am Ausdruck "Knebelvertrag" (sorry HoeHue :p ). Bei einem Vertrauensverhältnis zwischen Lehrer und Schüler bzw. dessen Eltern wird immer eine Lösung möglich sein. Beiden und ganz besonders dem Lehrer ist eine kontinuirliche Arbeit sehr wichtig und dazu gehört regelmäßiger Unterricht. Bei gegenseitiger Wertschätzung wird es also immer Kulanz geben und Lösungen, die nicht im Vertrag stehen. Ich bitte aber um Verständnis für die Existenz solcher Verträge: es gibt sie nicht umsonst und man kann sich ja mal fragen, warum. Hat nämlich mal ein Schüler gerade viele Klausuren oder einfach keine Lust, meldet er sich krank und muss nicht bezahlen. KL können eine Menge über solche und mehr Gründe erzählen. Um nicht ausgenutzt zu werden, finde ich solche Verträge absolut in Ordnung. Zwar ist es richtig, dass man auch mit einem Vertrag um sein Geld kämpfen muss im Fall des Nichtzahlens, aber es ist ein Unterschied, ob man bestimmte Vereinbarungen schwarz auf weiß nachlesen kann und mal unterschrieben hat. Im Fall von HoeHue, der lieber mehr Geld bezahlt als so einen Vertrag zu unterschreiben, kann man ihm ja genauso entgegen kommen. Aber das flächendeckend zu machen, birgt ein großes Risiko. Daher finde ich den Ausdruck "Knebelvertrag" wirklich zu heftig.
Liebe Grüße
chiarina
P.S.: Eine Schülerin, die eine Doktorarbeit geschrieben hat, hat deswegen mal zwei Monate mit dem Klavierunterricht ausgesetzt.
Sie wollte unbedingt weiter zahlen, weil sie sich den Platz erhalten wollte und es selbstverständlich fand, dass ich nicht wegen ihr auf mein monatliches Gehalt verzichten muss. Wir haben uns dann zwar geeinigt (ich wollte ihr entgegen kommen), aber ich fand diese Einstellung bemerkenswert.