Vielleicht noch ein, zwei Worte zu den vorigen Dingen...
(...)dass er nicht immer wirklich den Durchblick hat, meiner Meinung nach. Neben dem, dass das wahrscheinlich auf jeden Künstler zutrifft
Du schriebst hier, dass das wahrscheinlich auf jeden Künstler zutrifft, nicht immer den Durchblick zu haben, was man tut. Da würde ich noch gerne widersprechen: in der
Weltklasse gibt es das wohl nicht mehr!
Jedenfalls nicht meiner Beobachtung nach. Vielleicht ist es geradezu eines der Qualitätsmerkmale der Weltklasse, dass die Interpretationen der Musiker eben nicht mehr "beliebig", oder irgendwelchem Zufall überlassen sind.
Und man kann auch davon ausgehen, dass die Interpretationen beim Autritt auch normalerweise genau so gelingen, wie sie sich das vorstellen.
Unsereins (damit meine ich z.B. die Leute hier im Forum) kann das natürlich schon passieren - dass wir etwas spielen, und eine Aufnahme davon hört sich dann beim Abhören anders an, als wir uns das eigentlich vorgestellt hatten. Die Weltelite hat all solche Probleme aber nicht mehr. Würde ich zumindest aufgrund der Erfahrungen sagen, die ich - hörenderweise - mit der Weltklasse gemacht habe.
Hier sprichst Du eine konkrete musikalische Gestaltung an:
Beispiel: Da ist eine Passage, die crescendiert und in einem plötzlichen pianissimo endet. Spielt man den Pianissimoton zu früh, kann er nicht wirken, nicht leuchten. Also setzt man ihn später, als das schiere Metrum es gestatten würde. Das muss aber im musikalischen Atem geschehen. L.L. dehnt diesen Moment der Spannung auf eine Weise aus, dass genau diese verloren geht.
Ob das jetzt so "passend" war oder nicht, könnte ich tatsächlich für mich nur entscheiden, indem ich diese Passage, vor allem auch auch im Kontext des gesamten Stückes,
höre.
Dein angesprochener abrupter Wechsel von ff nach pp kann meiner Meinung nach auch musikalisch sehr wirkungsvoll sein. Vielleicht etwas ungewohnt, aber durchaus möglicherweise sehr faszinierend, und wirkungsvoll.
und warum braucht man eine große theatralische Geste, wenn man diese wunderbar schlichte Aria beginnen will?
Vielleicht will man ja andeuten: jetzt kommt etwas besonderes, und wunderschönes. Ist ein Pianist gezwungen, sich immer so zu verhalten, als hätte er einen Spazierstock verschluckt? Dazu fällt mir gerade Gould ein, der ebenfalls einer meiner großen großen Pianisten-Favoriten ist.
Solcherlei Dinge sind meines Erachtens für den Zuhörer immer eine reine Geschmackssache. Soweit es mich angeht, "passen" all diese Dinge immer gut bis sehr gut bei Lang Lang. Zumindest bei den Aufnahmen von ihm, die ich auch mag. Die anderen interessieren mich nicht, und zu diesen bilde ich mir keine Meinung.
Ganz generell (!) muss man etwas vorsichtig sein, wenn man die Musikalität von Pianisten, Dirigenten, Violinisten usw. der Weltklasse beurteilen will.
Wenn man der Meinung ist, dass hier etwas nicht stimmt, oder dort was nicht stimmt, oder dieses oder jenes Detail keine gute Lösung ist/war:
Bitte nicht vergessen, wen ihr hier beurteilt.
Es ist mehr as logisch, anzunehmen, dass Musiker der Weltklasse eben auch über Weltklasse-
Musikalität verfügen.
Und bevor man sich allzu leichtfertig fragt, wieso denn hier oder dort etwas "falsch" gemacht wurde: sollte man sich fragen, ob man denn selbst über eine ausreichend hoch entwickelte Musikalität verfügt, um das überhaupt beurteilen zu können. Oder ob man da vielleicht noch ein Stück Entwicklung vor sich hat.
Auf gut Deutsch: etwas Demut und Vorsicht ist bei solchen Dingen nie verkehrt.