meinen Schüler versetzt-Wiedergutmachen, wie?

  • Ersteller des Themas sweetchocolate
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Aber ich weiß leider noch immer nicht, wie ein KL sich auf den Unterricht vorbereitet. Ich würde mich über das Füllen meiner Wissenslücke freuen.
Deine Wissenslücke könnte man nur mit der Auflistung von Patentrezepten und Standardlösungen plausibel füllen, die gerade dem jeweiligen Einzelfall nicht gerecht würde. Es ist auf der Lehrerseite vermutlich eine Kombination von abrufbereitem Fachwissen, solidem Handwerk, präziser Erkenntnis von Leistungsvermögen und Potenzial auf der Schülerseite und die Fähigkeit, diese Voraussetzungen im jeweiligen Einzelfall bestmöglich anzuwenden. Dazu kommen Geduld, vorausschauendes Denken und die Bereitschaft, in richtiger Weise etwas auf den Weg Gebrachtes wachsen zu lassen. Auch beim "Klassiklehrer", der überwiegend mit bereits existierender Literatur und ausnotierten Notentexten zu tun hat, entwickelt sich diese Arbeit am bereits Entstandenen ständig weiter. Wenn man im Jazz-, Pop- und/oder Rockbereich zu tun hat, ist der Anteil improvisierter und nicht ausnotierter Bestandteile größer - um diese im Unterricht zu vermitteln, muss man einiges erst fixieren, also zu Papier bringen, hören, analysieren, auswerten, eigene Lösungen skizzieren. Die Arbeitsgänge bei der Unterrichtsvorbereitung sind also andere - der gute "Klassiklehrer" schreibt also weniger, weil es naturgemäß weniger zu schreiben gibt. Präzise und fundierte Arbeit an Notentexten ist allerdings nicht minder aufwändig - wenn man sie denn tut. Die schlechten "Klassiklehrer" verzichten darauf und liefern folgerichtig einen schlechten Unterricht ab. Allerdings ist auch nach altem Bundeskanzlerwort nur wichtig, was hinten rauskommt: Bleibt der Ausbildungserfolg aus, ist auch die intensivste Unterrichtsvorbereitung nutzlos.

LG von Rheinkultur
 
Nun gut, dafür musstet ihr Jazzer auch nie Scarbo und Pétrouchka üben.
Den typischen Jazzer gibt es allerdings nicht. Der in Köln lehrende Frank Wunsch hat beispielsweise ein abgeschlossenes klassisches Klavierstudium bei Alfons Kontarsky vorzuweisen und ganz sicher entsprechende anspruchsvolle Sololiteratur studiert:



Und er ist längst nicht der einzige, der eigentlich vom "klassischen Fach" herkommt.

LG von Rheinkultur
 
Und so wird Helene Fischer auch als perfekte Entertainerin gefeiert, weil ihre Darbietung faltenfrei ist bis hin zu den perfekt getapten Brüsten. Dass mehr musikalischer Gehalt und Herzblut in der Darbietung so manches Dilettanten steckt, geschenkt.

Diese Gegenüberstellung ist auch so ein immer wieder zu lesender und zu hörender Bullshit.

Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, dass die Glätte und Trivialität kommerzieller Musik wie der Fischers für jeden, der noch einen Funken echte Sensibilität besitzt, schwer erträglich ist.

Dem jedoch als leuchtendes Gegenbild den Dilettanten entgegenzusetzen, der zwar fehlerhaft und alles andere als meisterlich musiziert, dafür jedoch sein "ganzes Herzblut" in die Darbietung steckt, ist ein Riesen-Unsinn, der weiter zur allgemeinen kulturellen Dekadenz beiträgt.

Gute Musik beinhaltet, dass gutes Material vorliegt, dies vom Darbietenden gemeistert ist und die Darbietung eine angemessene emotionale Verbindung zum Hörer herstellt.

Habe eine Vorankündigung eines US-Films über Florence Foster Jenkins gesehen, wo auch in diese unerträgliche Kerbe gehauen wird: Klar, sie habe nicht singen können, aber dies mit "Herzblut" getan, weswegen das Publikum sie geliebt habe.

Mehr Propaganda für völlig falsch verstandenen Dilettantismus (=Nichtskönner-Verherrlichung) kann man eigentlich nicht machen...

LG,
Hasenbein
 
Diese Gegenüberstellung ist auch so ein immer wieder zu lesender und zu hörender Bullshit.

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Mehr Propaganda für völlig falsch verstandenen Dilettantismus (=Nichtskönner-Verherrlichung) kann man eigentlich nicht machen...

Na Hasi, hast' schlecht geschlafen? Anders kann ich mir nicht erklären, wieso es dekadent sein sollte, einen Dilettanten für dessen Leidenschaft zu schätzen und zwar mehr als eine Kommerzhupfdohle. Das eine - "Nichtskönnen" - zu schätzen impliziert nämlich keinesfalls, dies als das Ideal zu postulieren. Im Gegenteil, gerade Dilettanten sind sich meistens ihrer musikalischen Schwächen bewusster als der ungeschulte Zuhörer und artikulieren diese auch.

Ich empfinde im Gegenteil deine Einstellung - nur der ausgebildete, makellose Musiker ist etwas wert - als abstrus dekadent. Niemand, der bei Verstand ist vergleicht einen Profi mit einem Amateur; nicht den Modellbauer mit dem Luftfahrtingenieur, nicht den Sonntagsmaler mit studierten Künstlern und nicht den passionierten Koch mit dem michelindekorierten Maitre - außer dir.
 
Habe eine Vorankündigung eines US-Films über Florence Foster Jenkins gesehen, wo auch in diese unerträgliche Kerbe gehauen wird: Klar, sie habe nicht singen können, aber dies mit "Herzblut" getan, weswegen das Publikum sie geliebt habe.

Mehr Propaganda für völlig falsch verstandenen Dilettantismus (=Nichtskönner-Verherrlichung) kann man eigentlich nicht machen...
Im Falle von FFJ handelt es sich letztendlich um eine Inszenierung: Da schafft jemand den Weg auf die ganz große Bühne, ohne bühnenreif zu agieren. Heute muss man nicht mehr die Carnegie Hall auf eigene Rechnung buchen - dafür gibt es die Talentshows, damit auch die Talentfreien eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung haben. Insider gehen davon aus, dass FFJ sehr wohl die richtigen Töne treffen konnte - aber damit eine unter vielen gewesen wäre. Das genügt allerdings wirklich geltungsbedürftigen Naturen nicht - Hauptsache, man fällt auf, notfalls ganz frech als Nichtskönner, bei dem man immer vermutet, dass der nur so tut. Würde das nicht so manchen faszinieren, könnte man sich ja das ganze Schauspiel sparen.

LG von Rheinkultur
 
Es ist vollkommen egal, ob ein Musiker ausgebildet ist oder nicht oder ob er "makellos" spielt oder nicht oder ob das Dargebotene einfach oder schwierig ist oder was weiß ich.

Du verstehst mich vollkommen falsch, Wiedereinsteiger.

Es geht nur darum, dass "Herzblut" nicht ein Wert an sich ist!

Florence Foster Jenkins hat vielleicht tatsächlich mit ganz viel "Herzblut" gesungen. Trotzdem hat sie SCHEISSE gesungen, peng, aus, und deshalb sind ihre Darbietungen nur was zum Drüber-Lachen, mehr nicht.

Und ich kann eins von diesen TEY-Stücken mit "ganz viel Herzblut" spielen, trotzdem bleibt das triviale Musik, die anderen, künstlerisch hochstehenderen Werken unterlegen bleibt.
Mit zu viel "Herzblut" zu spielen ist übrigens analog dem "Chargieren" im Schauspiel, einer künstlerisch minderwertigen und allenfalls in der Satire und Parodie angebrachten Art zu schauspielern.
 
Florence Foster Jenkins hat vielleicht tatsächlich mit ganz viel "Herzblut" gesungen. Trotzdem hat sie SCHEISSE gesungen, peng, aus, und deshalb sind ihre Darbietungen nur was zum Drüber-Lachen, mehr nicht.
Sowohl "Herzblut" als auch "SCHEISSE" sind Teil der Inszenierung. FFJ hat das Ziel erreicht, auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben gerade deshalb so populär geblieben zu sein. Als durchschnittlich leistungsfähige Gesangssolistin, die sich aufgrund ihrer Herkunft oder Heirat berühmte Locations auf eigene Rechnung leisten kann, würde sie heute kein Mensch mehr kennen. Insofern also kein Grund zur Aufregung... .

LG von Rheinkultur
 
Es geht nur darum, dass "Herzblut" nicht ein Wert an sich ist!

Florence Foster Jenkins hat vielleicht tatsächlich mit ganz viel "Herzblut" gesungen. Trotzdem hat sie SCHEISSE gesungen, peng, aus, und deshalb sind ihre Darbietungen nur was zum Drüber-Lachen, mehr nicht.

Ok, dann haben wir uns gegenseitig missverstanden. Mir ging es auch nicht darum, den Dilettanten als Ideal darzustellen, sondern eher darum, mein Unverständnis über so viel Oberflächlichkeit beim Publikum zum Ausdruck zu bringen, dem es schon reicht, dass etwas "perfekt" aufgeführt wurde, ganz egal was. Konkreter: Mich kann ein fehlerbehafteter - nicht: beschissener - Vortrag guter Musik auch begeistern, der unerträgliche Singsang von Fischer aber nicht. Trotzdem höre ich natürlich überwiegend Aufnahmen von Profis.
 
Habe eine Vorankündigung eines US-Films über Florence Foster Jenkins gesehen, wo auch in diese unerträgliche Kerbe gehauen wird: Klar, sie habe nicht singen können, aber dies mit "Herzblut" getan, weswegen das Publikum sie geliebt habe.

Mehr Propaganda für völlig falsch verstandenen Dilettantismus (=Nichtskönner-Verherrlichung) kann man eigentlich nicht machen...

LG,
Hasenbein

Es gibt den Film " Madame Marguerite oder die Kunst der schiefen Töne". Den zu vergleichen mit der obengenannten Hollywood -Auflage wird sicher einige Aspekte eurer Diskussion widerspiegeln.
 
Gut möglich, dass der sogenannte Hobby-Bereich mal wirklich so "den Bach runtergehen" könnte. Ähnliche Wahrnehmungen kenne ich aus dem (Laien-)Chorwesen - warum soll es beim instrumentalen Musizieren anders sein? Ich habe den Eindruck, dass das Musizieren keineswegs komplett aussterben dürfte - wohl aber, dass die Distanz zwischen Aktivität und Passivität immer größer wird: Immer mehr professionales Engagement bei den Interessierten, die nichts weniger wollen als zumindest damit Geld zu verdienen einerseits und totales Desinteresse andererseits beim kompletten Rest der Gesellschaft, der zu keinerlei Aktivität auf künstlerischem Gebiet zu bewegen ist. Wenn jegliches Interesse gänzlich fehlt, kann man sich als Lehrkraft Gedanken machen, so viel man will: Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. In vergleichbaren Bereichen beispielsweise des Breitensports gibt es sehr oft ähnlich große Personalprobleme. Vermutlich gibt es unzählige Motive, die eine solche passive Einstellung fördern: Allgemeine Übersättigung durch ein groß dimensioniertes Unterhaltungsangebot, raumgreifende Präsenz unerreichbarer Vorbilder bei geringer Motivation, diesen nachzueifern, fehlender Wille zur Entwicklung des persönlichen Fortkommens, da das wirtschaftliche Auskommen anderweitig sichergestellt ist, ungenügende Medienkompetenz... . Jedenfalls sind viele Angebote für den Amateursektor exakt in dem Zwischenbereich zwischen Höchstleistung und Nichtleistung angesiedelt und entsprechend in ihrer Akzeptanz bedroht. Einerseits könnte zunehmende materielle Not den Stellenwert künstlerischer Aktivitäten wieder erhöhen, andererseits könnte der Verdrängungswettbewerb an Härte zunehmen, sobald die Ängste um die wirtschaftliche Existenz immer größer werden. Ich hoffe jedenfalls auf ersteres.

LG von Rheinkultur

Bei aller Zustimmung zu Deiner Analyse: mein Beitrag war ironisch gemeint .... (Ich mag halt so Katastrophen-Szenarios ("all die katastophal schlechten Klavierlehrer und -lehrerinnen") nicht so. Für solche Szenarios ist sowieso gerade anderswo mehr Platz.... )
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn es nicht "perfekt" wird, lassen wir es lieber gleich. Alles musz immer professionell sein, moeglichst effizient, auf jeden Fall in irgendeiner Weise "optimiert". Das ist traurig und bringt uns zu einer eigentlich langweiligen Spezialisierung. Nicht einmal in unserer Freizeit trauen wir uns dann. etwas zu tun, das wir nicht perfekt koennen?

Mir ging es lustigerweise immer schon ganz anders: Ich bin immer schon (nicht erst, als ich Mutter von zwei musizierenden Kindern wurde) in Schülerkonzerte gegangen, Ich mag das Unperfekte, Unvollkommene. (Nur nicht an meinen Klavierkünsten. :-(()
 

Geht mir auch so! Ich mag Fehler, alt gewordenes, noch nicht fertig gewordenes, abgebröckelte oder rohe Fassaden, Rost und Patina. Ist der Diamant erst mal geschliffen, ist der Charme dahin. Man sieht nicht was es wird oder war, man sieht nur was es ist.
 

Da braucht man keine "Idee", es ist so absolut selbstverständlich, dass im Gegenzug die nächste Stunde kostenlos ist (und nicht nur peinliche 15 Minuten und auch keine Tafel Schokolade oder irgendso ein Quatsch), dass ich nicht im Ansatz verstehe, wie man überhaupt auf etwas anderes kommen kann. Da ist schuldhaft eine Stunde (mit allem drum und dran, inkl. ggf. Anfahrt usw.) über die Wupper gegangen, da reicht keine Entschuldigungsfloskel, da ist ein Schaden entstanden (auch verlorene Zeit ist ein Schaden) und der wird angemessen reguliert.

Es ist dann immer noch dem Betroffenen überlassen, ob er das Angebot annimmt, aber es ist überhaupt keine Frage, dass man so (und nur so) den entstandenen Schaden reguliert.
 

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