Ich glaube nämlich, mein Klavierspiel leidet auch manchmal an diesem übergroßen Bemühen, alles perfekt zu machen..
das Bemühen, alles möglichst gut und ausdrucksvoll zu machen (perfekt?... ein irgendwie eindimensionaler Adjektiv), ist völlig ok - beim erarbeiten und üben!
Ich spiele dann kaum falsche Noten; auch an Phrasierung und Artikulation gibt es objektiv wahrscheinlich wenig zu bemängeln.
das ist doch schon mal erfreulich, denn bis zu dieser Grundlage gelangen nicht alle - es gilt also, darauf aufzubauen und was draus zu machen.
Trotzdem bin ich hinterher oft sehr unzufrieden, weil - wie soll ich es ausdrücken - der große musikalische Bogen, der selbstverständliche Fluß der Musik irgendwie gehemmt ist. Noch zu selten gelingt es mir, ein Stück so loszulassen, dass der Wille, alles richtig zu machen der Musik nicht im Weg steht.
das ist die Aufpasserei, eine häufige und eigentlich nach dem üben unnötige Form mangelnden Selbstvertrauens (!) Pollini hat das mal knapp auf den Punkt gebracht: "man darf nur keine Angst haben"!
Aber man kann lernen, technisch aufzupassen
und zugleich musikalisch zu denken: dann ist das, was technisch heikel ist, nicht mehr als innere Hürde im Weg, sondern gehört halt "zum selbstverständlichen Fluß der Musik" dazu. In diesem Sinne sind die jeweils manuell schwierigsten Abschnitte eines Musikstücks gar nicht das musikalische Hauptproblem, sofern man sich eben den falschen Luxus der Angst, der Bedenken, der Zweifel
nicht gönnt. Lästig und hinderlich wie besagte Ängste ist, wenn man während des Spielens vor den Leuten (daheim darf man alles, da isses egal)
von außen in die Musik hineindenkt, also "hier espressivo, jetzt diesen Ton so" und ähnliches - während des Spielens sollte man nur das empfinden, was in der Musik passiert und nichts anderes (ablenkendes, distanziertes etc) mitdenken, kurzum die gerade laufende (d.h. selbst gespielte) Musik
miterleben.
Das ist Konzentrationssache.
Garantiert ist freilich nicht, dass bei dieser Konzentration und bei diesem Miterleben das Ergebnis für die Zuhörer rundum erfreulich ist, denn es kann auch passieren, dass man ein Musikstück nicht so ganz kapiert hat - ergo kommt noch hinzu, dass man das, was man spielt, möglichst detailliert
begriffen hat. Dann allerdings bedraf es keiner Metaphern mehr wie "loslassen" :)
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aber retour zu Stilblütes Aufnahme:
dass da nicht Frau Argerich spielt, hört man - wäre dem anders, befände sich Stilblüte nicht mehr im Studium. Und das vorgeführte Zwischenergebnis des bisherigen Studiums verdient die ablehnende Beurteilung "weder scbön noch selten" in keiner Weise. Musikalisch und teilweise technisch ist das eine gehörige Stufe höher als bei ambitionierten JuMu-Preisträgern, was man von Klavierstudenten/innen auch erwarten darf. Was man von Klavierstudenten/innen nicht erwarten darf, ist das Niveau von Argerich & Co. - denn die Studis befinden sich erst auf dem Weg dahin, und naturgemäß gelangen nur die wenigsten in diese "Höhe". Insofern ist keinem geholfen, wenn man irgendeine sehr schöne Profi-Aufnahme desselben Stücks mitteilt (die kann jeder selber finden, zumal es einige von verschiedenen Pianisten/innen gibt)
Ebensowenig ist bei Stilblütes tapferer Aufnahme alle Musik von ihrem Bemühen überdeckt - im Gegenteil, da ist schon sehr viel Musik drin. Aber es kann noch mehr werden, und das in zweierlei Weise: erstens kann spieltechnisch weiter verbessert und erweitert werden (mehr klangliche Konturen, mehr klangliche Differenzierungen, mehr manuelle Souveränität) und zweitens kann noch mehr am Verständnis dieses Zyklus gearbeitet werden. Das weiß Stilblüte sicher selber auch.
Aber der eingeschlagene Weg ist schon mal völlig ok! Jetzt heißt es: weitermachen, nicht nachlassen.