Krise in Braunschweig: Schimmel seit März in Kurzarbeit, Grotrian-Steinweg zahlt keine Löhne mehr

Du hast noch nie den Vorher/Nacher-Effekt erlebt, wenn ein richtiger Konzerttechniker Deinen Flügel bearbeitet hat.

Als Pianist bin ich grundsätzlich taub, und stecke mir sicherheitshalber immer Oropax aus Wachs in die Ohren. Weiterhin bin ich Klavierstimmer im Nebenberuf seit 20 Jahren, und ja, ich kann auch intonieren. Ein anderer Satz Hammerköpfe, und der Flügel klingt völlig anders. Ich habe mit Weickert-Filz von Renner (Naturfilz) sehr gute Erfahrungen gemacht. Mein C7 hat sich daraufhin extrem gut entwickelt. Bei Abel hatte ich auch Naturfilz schon geordert, aber 2016 einen massiven Konflikt wegen einer Online-Bestellung. Seitdem nur noch Renner... Für die Arbeiten die ich nicht selbst erledigen kann, beauftrage ich eine Klavierbauerin aus Berlin, die u.a. in der Philharmonie und im Pierre Boulez Saal stimmt, und Steinway Flügel für HfM Hanns Eisler generalüberholt. Von daher kenne ich Vorher-Nachher sehr gut.

Ich habe hier nur subjektiv meine Eindrücke geschildert, u.a. auch den nagelneuen Shigeru Kawai erwähnt. Bitte lies den zitierten Satz mal genauer: Das gleiche Modell, von einer anderen Firma überholt, aus zwei verschiedenen Jahrgängen hat mich einmal begeistert, und einmal nicht. War beides Mal Steinway B mit Duplex-Skala. Steinway ist mir schlicht zu teuer, sonst hätte ich längst einen. Wenn ich für weniger als die Hälfte einen Blüthner Halbkonzerter bekomme, der mir zudem noch viel besser gefällt, warum soll ich dann auf S&S schielen ? Nicht zuletzt gehts auch um das Einspielen des Instruments. Grobschlächtige Menschen machen Flügel eher hart klingend, musikalische Menschen prägen den Klang eben besser. Vor ca. 25 Jahren spielte ich mal einen Steinway B, so ein wunderbarer Gebrauchtflügel für 40.000 DM bei Piano Sauer am Dom. Der Vorbesitzer hatte Geldprobleme, ich erkundigte mich nach dem Grund des Verkaufs. Er muss wohl ein wirklich hervorragender Musiker gewesen sein. Neuinstrumente können so gut eingespielt nicht klingen.
 
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Nochmal zurück zum Ausgangspunkt, nämlich diesen Artikel hier:


Die Parsons Music Group ist doch schon Eigentümer von Grotrian-Steinweg. Dann geht Grotrian insolvent und Parsons kauft jetzt Grotrian? Das verstehe ich irgendwie nicht so ganz. Oder hat das was mit der Gesellschaftsstruktur zu tun? Denn neben Parsons war ja auch noch eine aus der Grotrian Familie Gesellschafterin und Parsons hatte die Anteilsmehrheit. Können die also insolvent gehen und sich dann selber kaufen?
 
Wenn das der Fall ist:
neben Parsons war ja auch noch eine aus der Grotrian Familie Gesellschafterin

Trifft das nicht zu:
Die Parsons Music Group ist doch schon Eigentümer von Grotrian-Steinweg.

Sie haben nur einen Anteil, müssen also erst andere Miteigentümer loswerden, um alleiniger Eigentümer zu werden.

Das Stichwort "Organschaft" kommt mir in den Sinn.
 
Steinway in Hamburg werden wohl zahlreiche solcher Geschichten bekannt sein. Deren Instrumente wurden in Asien sehr sehr oft kopiert.

Mit dem Kopieren von Steinway hat sich vor etlichen Jahren auch mal der Mr. Pramberger verhoben.

Einst hohes Tier der Steinway-Fertigung in New York-Queens an 1 Steinway Place, machte er Kopien - und scheiterte.

Kann allein schon daran gelegen haben, dass ihm zum Bau nicht der gewaltige Stock best selektierter Hölzer und feinste pingelige Auswahl aus dem Haufen verfügbar war - denn nicht nur der Einkauf von Holz ist bei Steinway hoch prätentiös, die weiteren Prozesse sind auch so beschaffen, dass die Factorys noch reichlich Zeug des Holzbestandes dann letztlich doch teils noch lieber durch den Ofen jagen - statt es in Flügel einzubauen.

Ein Pramberger muss das entweder nicht gewusst haben, oder zwar gewusst, aber nicht mit ausreichendem Zeitvorlauf zum kundigen Aufbau eines großen (und immens teuren, kapitalhaltigen) Lagerbestandes berücksichtigen gekonnt haben. Da brauchst du nicht nur die Kohle und den ganz langen finanziellen Atem, du brauchst auch das Knowhow des „Wood Technologists“ mitsamt seiner Kontakte nach Alaska und Kanada oder OK nach Bayern (Strunz) und oder in die Alpen (Fleimstal, Val di Fiemme) – die eine einzigartige Position im Geflecht des Wissens und der Tatkraft, ohne die NULL, mal gar nichts läuft.

Man wisse auch, dass die Parität der Konzertflügel auf den Bühnen im deutschen Sprachraum VOR dem WK2 übel litt und dann nach WK2 Steinway nach vorne brachte, weil bei den Kriegs-Bombardements sowohl bei Blüthner in Leipzig als auch bei Bechstein in Berlin jeweils die gewaltig wertvollen Holzläger abbrannten. Steinway HH konnte noch bisschen was liefern - das holten Blüthner und Bechstein dann niemals wieder auf.
Also, guter Witz: einen Steinway kopieren …

Hat man übrigens an EINER Stelle mal erfolgreich gemacht: Bei der Fa. Steinert, Boston, die erst in Eigenregie den B-Flügel kopierten, dann sogar – zu einer Zeit massiver Marktnachfrage – die offizielle Lizenz von Steinway hatten, so arbeiten zu dürfen.

Die anderen Steinway-Kopisten, als da wären Grotrian-Steinweg ca.1858-ca.1890, und Mangeot-Steinway ca. 1867-1872, waren von minderem Erfolg. Grotrian und Steinway befochten sich um die Namensverwendung „Steinweg“ 100 Jahre lang, aber die Kopier-Klaviere des Parlor-Grands von 1871 endeten ca. mit Clara Schumanns Flügel, der heute in BS im Museum steht – WIMNRE gebaut um 1890, etliche Jahre nachdem der New Yorker Ursprungsflügel des leicht verbesserten ersten Parlor-Überkreuz-Entwurfs von 1861 schon ersetzt worden war gegen den heutigen C-227 - 1886, Theos letzte Arbeit vor seiner Selbstpensionierung als Entwicklungsleiter.

Und die Mangeot-Story ist eine letztendlich traurige: eingestielt die Koop von Theo Steinweg, der allerbeste Kontakte nach überallhin in Europa hatte, man hatte den Bedarf angesichts des Erfolgs auf der Pariser Weltausstellung 1867 gesehen, gerade mal zwei Jährchen nachdem Theo für seinen Atlantik-Sprung seine Bude an die Erben Grotrian vertickt hatte, und erkannt, dass das Braunschweig-Verkaufthaben vielleicht ein dicker Fehler gewesen war. Aber an Pleyel in Paris, Erard in Paris, Boisselot in Marseille, Henry Herz in Paris wollte man nicht ran zum Steinway-Kopieren im Lohnauftrag. Man gab den Job an die eifrig darum geworben habenden Brüder Mangeot in Nancy, um in Nancy aus zugelieferten Harfen, Resonanzböden und Klaviaturen Flügel des Typs Parlor Grand zu bauen, und in Frankreich sowie England unter dem Label „Mangeot-Steinway“ zu vertreiben. Paar wenige Jährchen ging es gut, dann wollte William S das nicht mehr weiter machen lassen, kündigte den Vertrag, weil man sich mit einer eigenen Bude in London auf dem europäischen Markt zu tummeln gedachte.

Mangeot baute aus dem Bestand der noch lagernden Teile einfach weiter…, und die Mangeots sahen sich dann vom in Sachen Marken-Ehre unglaublich zähen William Steinway vor Gericht gezerrt wegen „copyright infringement“. Machten dann die Bude in Nancy dicht, und zogen mit ihrem Krams auch nach Paris um.

Also, Steinways nachmachen, schon mal vorweg, mal kein leichtes Ding.

Als die Steinways in Hamburg dann ihre Steinways nachmachten, dauerte es auch noch 25 Jahre, bis das eigenständig funktionierte. Solange waren auch die Hamburger Mannen von Theo und seinem ersten Betriebsleiter auf den Supply seitens New York angewiesen.

Erst um 1906 war man in HH eigenständig handlungsbefähigt. Hingegen war die olle Schuhfabrik in Altona schon 1880 zum Flügelbau übergegangen, nachdem die 1875er Fertigung in London, unter der Hand des William-Steinway-Freundes William Maxwell (ex Blüthner-Mann) mal so gar nicht gut funktioniert hatte, und die Sache nach nur wenigen Monaten stiekum eingestellt worden war.

Und zu dieser Zeit waren die Steinway-Flügel meist noch angenehm runde Gesellen im Tone. Das stark Durchdringende konnten sie – im Vergleich zu damaligen Wettbewerbern – zwar auch, ist aber mit dem heutigen Klangprofil i.w. nicht gut vergleichbar.

Steinways nachbauen …
… als wenn das so einfach wäre. ...
 
Diesen Faden habe ich nicht verfolgt, aber soeben den Artikel zur Komplett-Entlassung in Braunschweig gelesen. Sehr schade und traurig :tra192: Für mich ist/war GS der Audi unter den deutschen Herstellern. Habe selbst vor knapp 10 Jahren einen gebrauchten Cabinet 192 von 2001 ergattert, den ich wahrscheinlich nie wieder hergeben werde...
 
Es gibt den Begriff des "Design infringements". Ist ein Thema z.B. in der Oldtimer-Szene. Du darfst nicht ohne Weiteres deinen eigenen VW-Käfer entkleiden und darauf eine Karosse aus GFK im Stil des Porsche 356 draufsetzen - damit würdest du Porsches Copyright am Design verletzen. Gilt, meine ich, EU-weit.

In Uruguay hat mal wer die Form des Flügeltürer-Benz 300 SL nachgebaut und der GFK-Karosse einen eigenen Chassisbau druntergesetzt, mit Mechanik der E-Klasse W124 (1984-1995). Ein Auto ist mal nach Deutschland gekommen ... Es wurde von der Polizei angehalten, das Auto an Daimler-Benz überstellt. Die zerlegten es, schredderten die Kunststoffkarosse unter einer riesigen Presse, schickten das Chassis zurück an den Eigner, plus eine dicke Rechnung für all die Arbeiten und für die Entsorgung des Plastikmülls ...

Mit dem Design-Patent hat m.W. auch Steinway mal gearbeitet. Ich kenne die Geschichte, dass Steinway - quasi stellvertretend für etliche Händler - die Pianova verklagte wegen "Copyright-Verletzung", damals eine Händlergruppe, die sich sehr gute Kontakte nach Kalisz in Polen aufgebaut hatte zur Sanierung v.a. alter Steinway-Flügel. Steinway-Händler sahen sich durch derlei Treiben im Verkauf neuer Flügel gehindert ...

Die bekannten Punkte bei Steinway ... - du darfst den Stimmstock nicht selber erneuern, du darfst den Klangboden nicht ersetzen ... - das dürfen selbst Steinway-Vertragshändler, Klavierbau-Meister, nicht, müssen den Flügel dafür nach Hamburg schicken. Der eine Pianova-Geschäftsführer ist ein Schulfreund von mir. Die haben danach (nachdem sie in der zweiten Instanz verloren, vor einem Hamburger Landgericht, spezialisiert auf Urheberrechts-Prozesse) niemals wieder einen Steinway-Flügel angefasst. Steinway störte sich daran, dass die sanierten Flügel weiterhin "Steinway & Sons" in der Tastenklappe zeigten - DAS sei nicht korrekt, da die Sanierer nicht die original Steinway-Qualität eingebaut hätten - also müsse Pianova die Buchstaben abreißen, und in der Werbung dürfe nicht "Steinway" stehen...

Steinway reitet bis heute auf diesen beiden Punkten herum. Betreffs Stimmstock ist das technisch IMHO Blödsinn, aber dass sie den Klangboden für sich reservieren, keinen da ranlassen wollen, das könnte ... man nachvollziehen. Steinway behauptet, das könne dann kein "original Steinway" mehr sein.

...wenn denn nicht aus New York diese Stories herumgekommen wären, dass dort die Bill-Youse-Truppe im Werk ältere C-Vorläufer so saniert haben soll, dass sie den neuen Resonanzboden eines C-227 befräst hätten, und dem alten Rim die anderen Taschenlagen der anderen Verrippung eingestemmt hätten. ...

Womit der Salonflügel ein Hybrid wurde, weder so klingen kann wie einst neu, noch ein echter C-227 würde.

Mal ganz abgesehen von dem hanebüchenen Vorgehen, dem alten Flügel die Klaviatur rauszureißen, sie unbesehen wegzuwerfen, eine Klaviatur nach neuem Stand reinzusetzen, und all das dann als "100% Certified Original Steinway" zu etikettieren ... Jaja, 100% Steinway ist es. So will es die den Flügel finanziert habende Bank "zur Sicherheit" oft sehen. Aber ist sowas "original"? Original Steinway ja, aber nicht Original Steinway 1872 ...

Und die Violine, deren Einzelteile allesamt verbürgt in der Werkstatt von Antonio Stradivari entstanden, nur viel später irgendwie zusammengeleimt, sei eine "echte Stradivari"?
Na wer's glaubt ...
:chr02:
 
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... und der verstorbene Fuldaer Klavierbauer Klaus Fenner sei dem Geheimnis der Klangboden-Überhöhung auf die Sprünge gekommen. Es gebe von ihm ein PC-Programm, das die Kurvatur der prinzipiellen Sechzehn-Meter-Kugel-Geometrie (als Klangschale) im Detail so modifiziert, dass ein eingespannter Fichtenboden exakt das tut, was im 19. Jahrhundert 1853-65 Henry Steinway jr. ausbaldowert hatte.

Für mich war Henry S jr. ein Genie des Resonanzbodens.

Alle ... Salonflügel des Designs von 1861/62, die ich je spielte, waren klasse, schön warm im Klang. ALLE.

...und ich weiß, wo die Software steckt.
 
Steinway nach vorne brachte, weil bei den Kriegs-Bombardements sowohl bei Blüthner in Leipzig als auch bei Bechstein in Berlin jeweils die gewaltig wertvollen Holzläger abbrannten.

Von Bösendorfer weiß ich, dass 1944 nach einem Bombenangriff das Holzlager abgebrannt ist. Aber von Bechstein kenne ich etwas anderes:

Unmittelbar nach der Kapitulation erhielt das Unternehmen von den Kontrollbehörden den Auftrag, aus dem vorhandenen Holz Särge zu zimmern, was vielleicht nicht ganz ohne tiefere Absicht geschah.

 

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