NoEPiano
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- 22. Sep. 2020
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Irgendwie erinnert mich die Sache mit Grotrian und anderen deutschen Klavierherstellern stark an andere Industrien, die in der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht überlebt haben:
Es gab in Deutschland mal eine nennenswerte Optikindustrie. Voigtländer, Rollei, Zeiss Ikon um nur einige zu nennen.
Die haben auch gute Kameras gebaut, nur irgendwann kam Nikon mit der F. Und während die Vorstände sämtlicher deutschen Unternehmen noch auf dem hohen Ross saßen und sich über die "billigen" Asiaten lustig machten, und behaupteten, die japanischen Objektive würden nicht die Spezifikationen einhalten, trat Japan damit seinen Siegeszug an. Bis zuletzt hat es keine deutsche Firma geschafft, eine ähnlich gute und vielseitige Kamera herzustellen. Kurz vor Ende, hat man dann asiatische Kameras auf eigene Namen umgelabelt. Geholfen hat's nichts aber kommt's irgendwie bekannt vor?
Überlebt hat nur, wer wirklich QUALITÄT baute und womöglich noch eine Nische bediente. Also in dem Fall Leica.
Es gab in Deutschland auch mal eine große Hifi Industrie. Saba, Telefunken, Braun, um nur wenige zu nennen.
Doch vereinfacht gesagt kam dann irgendwann Pioneer mit dem SX-1250. Dagegen sah jeder, aber wirklich jeder deutsche Receiver einfach nur ganz schlecht, mikrig und alt aus. Die Japaner, ob Accuphase, Kenwood, Sansui oder Pioneer, keiner der großen deutschen Hersteller konnte da qualitätsmäßig mithalten.
Trotzdem hat man weiter versucht, eigene Produkte als "deutsches Premium" zu verkaufen, obwohl die Japaner längst in jeder Hinsicht um Welten besser waren.
Ich hätte damals jedenfalls gewusst, welchen Receiver oder Plattenspieler ich mir hinstelle. Heute weiß ich es sowieso, ein deutscher Hersteller ist nicht dabei. Kurz vor Schluss haben auch hier die deutschen Hersteller asiatische Produkte umlabeln lassen oder gleich selbst in Asien produziert.
Kommt's irgendwie bekannt vor?
Am längsten überlebt hat noch, wer versuchte, QUALITÄT zu liefern.
Es gab in Deutschland (und Europa) auch mal eine Fahrradindustrie. Doch während man als deutscher Hersteller noch in den 80ern die uralte Sachs Dreigangnabe mit Rücktritt als das Nonplusultra verkauft hat, hat Shimano schon die Campagnolo Schaltwerke von den Tour de France-Fahrern nach Gebrauch abgeschraubt, um sie zu untersuchen und es besser zu machen. Und dann hat Suntour das Schrägparallelogrammschaltwerk erfunden. Und in Deutschland? Hat man geschlafen und weiterhin auf Dreigang mit Rücktritt gesetzt bzw. hat Sachs dann 5 Gang mit Rücktritt erfunden, die aber immer nach kurzer Zeit kaputt ging. (Tat echt weh, wenn man voll aufs Oberrohr krachte)
Und Campagnolo? Hat noch jahrelang die obskursten Schaltwerke gebaut, nur um nicht zuzugeben, daß die japanische Erfindung einfach besser war. Irgendwann haben sie sie dann aber doch übernommen.
Ich könnte die Liste fortsetzen, aber zurück zu Grotrian: für mich haben nicht "die schlechte Marktlage" oder die "Umstände" oder die "Konkurrenz aus Asien" die Schuld am Niedergang sondern eigentlich immer die Unternehmen selber, bzw. deren Vorstände.
Man kann halt dauerhaft kein Produkt verkaufen, daß die selbst gesetzten Maßstäbe nicht erfüllt.
Ich als Kunde würde mir von einem Hersteller wie Grotrian einfach nur kompromisslose Qualität wünschen.
Und ich denke auch, wenn sie die liefern würden, würde es ihnen gut gehen. Andere Firmen im Instrumentenbau -nicht Klavier-machen es doch vor! Hier gibt's sogar beträchtliche Wartezeiten aufs Instrument.
Aber die kompromisslose Qualität sehe ich als Kunde bei Grotrian halt einfach nicht. Sondern ich sehe überspitzt gesagt folgendes:
- Kein Schloß am Klavier dran. Das gibt's erst beim größten Modell, dem G-132. Schon beim 124 fehlt es einfach. Wahrscheinlich weggespart, aber den hohen Preis soll ich trotzdem zahlen? Naja, egal, wenn die wilden Schulfreunde meines jüngsten kommen, kann ich versuchen, das Klavier mit einer Schraubzwinge zu verschließen.
-Ich sehe keine Schlitzschrauben, sondern Kreuzschlitz. Ach ja, die gibt's bei Yamaha ja auch....
-Die alten Grotrian Schriftzüge waren alle viel schöner als der jetzige. Wie konnte man nur so eine 0815-Schrift dafür verwenden. Ob das Klavier genauso nichtssagend ist?
-Ich sehe sofort ein einfach aufgesetztes Scharnier an der Tastenklappe. Also, das konnten sie Anno 1920 aber besser, da war das nämlich eingelassen, wie es sich gehört. Am Deckel das gleiche Bild.
Und die Schrauben des Scharnieres sind doch bedenklich nah am Rande des Holzes. Also Hobbyschreiner würde ich sowas nach Möglichkeit immer versuchen zu vermeiden. Und hier ist's kein Problem? Schwer vorstellbar.
-Ich sehe, daß die Vorderfront im Innern mit Plastikhaltern gehalten wird. Und das soll besagtes "Premium" sein? Echt? Also, Anno 1920 waren die bei Grotrian noch aus Vollholz.
-Ist die Mechanik von Renner? Ein Schild finde ich nicht. Auch die Website gibt nichts her. Naja, mal sehen was der Händler meint. Und ob der nächste Händler dann das gleiche meint.
-Den Öffner oben, der den Deckel so schön beim Grotrian meines Opas offen hielt gibt's auch nicht mehr. Hmmm. Wahrscheinlich auch gespart. Vielleicht schraube ich mir selbst was dran, wenn mir mal nach mehr Sound ist.
-Dabei fällt mir auf, aus welchem Material ist eigentlich der Korpus? Ob's noch Tischlerplatte oder ähnliches ist? Man weiß es nicht. Nachdem ich die Plastikhalter gesehen habe, kann ich mir sogar MDF oder gar Spanplatte vorstellen.
Wenn ich die furnierte Variante nehme, Starkfurnier wie beim Grotrian meines Opas, wo sich das Furnier unten mal löste, weil die Putzfrau mit dem Wischmob hängen blieb, ist es wohl nicht mehr. Naja. moderne Zeiten halt.
-Schaue ich doch mal unten ins Klavier. Oh, die Pedalgestänge sind auch nicht mehr aus Holz sondern aus Metall? Warum das denn? Ach ja, bestimmt billiger in der Produktion.
-Oh, der Reso ist schon ab Werk teils ausgespant, bzw. stellenweise wahrscheinlich Astlöcher ausgebessert, wie es aussieht. Naja, wird wohl am Klang nichts ändern, aber das soll Qualität "Made in Germany" sein? Ich schaue ungläubig zweimal hin. Aber es ist tatsächlich so.
-Da mache ich doch besser wieder zu und schaue mir das Klavier mal von hinten an, schließlich wirbt Grotrian doch mit der X-Raste. Aber kann das sein? Die sieht ja lange nicht mehr so massiv und stabil aus, wie beim Grotrian meines Opas. Die ist ja nur noch aus Schichtholz ausgesägt! Und das soll halten? Ach ne, tut es wohl nicht, neulich erzählte mir ein Kollege, daß diese neue X-Raste bei ihm schon gebogen sei.
Und sah die beim Yamaha U3X, das ich vor einem Monat angeschaut habe, nicht stabiler aus?
Ich bin verunsichert, noch bevor ich einen einzigen Ton gespielt habe. Die ganze Bauqualität will mir nicht gefallen. Selbst wenn es mich vom Klang, Spielgefühl und Handling völlig überzeugen sollte, würde ich es wohl nicht kaufen. Aber ehrlich gesagt habe ich gar keine Lust mehr, in die Tasten zu greifen. Denn ich bin der Überzeugung dass das eine das andere bedingt.
Als unwissender Kunde der ich bin, wollen mir die Vorteile dieses Grotrian nicht so wirklich ins Auge stechen. Zu dem Preis muß einfach alles stimmen, und hier tut es das ganz offensichtlich nicht. Aber wahrscheinlich bin ich nur zu pingelig.
Aber das Grotrian meines Opas, dessen schönen, vollen, eigenständigen und sehr charakteristischen Klang ich seit Kindheitstagen in Erinnerung habe, war deutlich stabiler und massiver gebaut. Der Klang hatte eine Ursache, die mir jetzt nach der Besichtigung des neuen Grotrian langsam dämmert.
Ich frage mich auch, was ist jetzt an dem modernen Grotrian eigentlich besser als an einem Yamaha U3 oder U1?
Mir will nichts einfallen und ich verlasse enttäuscht den Laden.
Ich glaube, ich fahre mal nach Bayreuth zu Steingraeber.
Edit: Mein Opa hatte tatsächlich ein Grotrian-Steinweg Klavier. Modell 135. Hat er 1928 neu gekauft und es ist bis heute in Familienbesitz.
Es gab in Deutschland mal eine nennenswerte Optikindustrie. Voigtländer, Rollei, Zeiss Ikon um nur einige zu nennen.
Die haben auch gute Kameras gebaut, nur irgendwann kam Nikon mit der F. Und während die Vorstände sämtlicher deutschen Unternehmen noch auf dem hohen Ross saßen und sich über die "billigen" Asiaten lustig machten, und behaupteten, die japanischen Objektive würden nicht die Spezifikationen einhalten, trat Japan damit seinen Siegeszug an. Bis zuletzt hat es keine deutsche Firma geschafft, eine ähnlich gute und vielseitige Kamera herzustellen. Kurz vor Ende, hat man dann asiatische Kameras auf eigene Namen umgelabelt. Geholfen hat's nichts aber kommt's irgendwie bekannt vor?
Überlebt hat nur, wer wirklich QUALITÄT baute und womöglich noch eine Nische bediente. Also in dem Fall Leica.
Es gab in Deutschland auch mal eine große Hifi Industrie. Saba, Telefunken, Braun, um nur wenige zu nennen.
Doch vereinfacht gesagt kam dann irgendwann Pioneer mit dem SX-1250. Dagegen sah jeder, aber wirklich jeder deutsche Receiver einfach nur ganz schlecht, mikrig und alt aus. Die Japaner, ob Accuphase, Kenwood, Sansui oder Pioneer, keiner der großen deutschen Hersteller konnte da qualitätsmäßig mithalten.
Trotzdem hat man weiter versucht, eigene Produkte als "deutsches Premium" zu verkaufen, obwohl die Japaner längst in jeder Hinsicht um Welten besser waren.
Ich hätte damals jedenfalls gewusst, welchen Receiver oder Plattenspieler ich mir hinstelle. Heute weiß ich es sowieso, ein deutscher Hersteller ist nicht dabei. Kurz vor Schluss haben auch hier die deutschen Hersteller asiatische Produkte umlabeln lassen oder gleich selbst in Asien produziert.
Kommt's irgendwie bekannt vor?
Am längsten überlebt hat noch, wer versuchte, QUALITÄT zu liefern.
Es gab in Deutschland (und Europa) auch mal eine Fahrradindustrie. Doch während man als deutscher Hersteller noch in den 80ern die uralte Sachs Dreigangnabe mit Rücktritt als das Nonplusultra verkauft hat, hat Shimano schon die Campagnolo Schaltwerke von den Tour de France-Fahrern nach Gebrauch abgeschraubt, um sie zu untersuchen und es besser zu machen. Und dann hat Suntour das Schrägparallelogrammschaltwerk erfunden. Und in Deutschland? Hat man geschlafen und weiterhin auf Dreigang mit Rücktritt gesetzt bzw. hat Sachs dann 5 Gang mit Rücktritt erfunden, die aber immer nach kurzer Zeit kaputt ging. (Tat echt weh, wenn man voll aufs Oberrohr krachte)
Und Campagnolo? Hat noch jahrelang die obskursten Schaltwerke gebaut, nur um nicht zuzugeben, daß die japanische Erfindung einfach besser war. Irgendwann haben sie sie dann aber doch übernommen.
Ich könnte die Liste fortsetzen, aber zurück zu Grotrian: für mich haben nicht "die schlechte Marktlage" oder die "Umstände" oder die "Konkurrenz aus Asien" die Schuld am Niedergang sondern eigentlich immer die Unternehmen selber, bzw. deren Vorstände.
Man kann halt dauerhaft kein Produkt verkaufen, daß die selbst gesetzten Maßstäbe nicht erfüllt.
Ich als Kunde würde mir von einem Hersteller wie Grotrian einfach nur kompromisslose Qualität wünschen.
Und ich denke auch, wenn sie die liefern würden, würde es ihnen gut gehen. Andere Firmen im Instrumentenbau -nicht Klavier-machen es doch vor! Hier gibt's sogar beträchtliche Wartezeiten aufs Instrument.
Aber die kompromisslose Qualität sehe ich als Kunde bei Grotrian halt einfach nicht. Sondern ich sehe überspitzt gesagt folgendes:
- Kein Schloß am Klavier dran. Das gibt's erst beim größten Modell, dem G-132. Schon beim 124 fehlt es einfach. Wahrscheinlich weggespart, aber den hohen Preis soll ich trotzdem zahlen? Naja, egal, wenn die wilden Schulfreunde meines jüngsten kommen, kann ich versuchen, das Klavier mit einer Schraubzwinge zu verschließen.
-Ich sehe keine Schlitzschrauben, sondern Kreuzschlitz. Ach ja, die gibt's bei Yamaha ja auch....
-Die alten Grotrian Schriftzüge waren alle viel schöner als der jetzige. Wie konnte man nur so eine 0815-Schrift dafür verwenden. Ob das Klavier genauso nichtssagend ist?
-Ich sehe sofort ein einfach aufgesetztes Scharnier an der Tastenklappe. Also, das konnten sie Anno 1920 aber besser, da war das nämlich eingelassen, wie es sich gehört. Am Deckel das gleiche Bild.
Und die Schrauben des Scharnieres sind doch bedenklich nah am Rande des Holzes. Also Hobbyschreiner würde ich sowas nach Möglichkeit immer versuchen zu vermeiden. Und hier ist's kein Problem? Schwer vorstellbar.
-Ich sehe, daß die Vorderfront im Innern mit Plastikhaltern gehalten wird. Und das soll besagtes "Premium" sein? Echt? Also, Anno 1920 waren die bei Grotrian noch aus Vollholz.
-Ist die Mechanik von Renner? Ein Schild finde ich nicht. Auch die Website gibt nichts her. Naja, mal sehen was der Händler meint. Und ob der nächste Händler dann das gleiche meint.
-Den Öffner oben, der den Deckel so schön beim Grotrian meines Opas offen hielt gibt's auch nicht mehr. Hmmm. Wahrscheinlich auch gespart. Vielleicht schraube ich mir selbst was dran, wenn mir mal nach mehr Sound ist.
-Dabei fällt mir auf, aus welchem Material ist eigentlich der Korpus? Ob's noch Tischlerplatte oder ähnliches ist? Man weiß es nicht. Nachdem ich die Plastikhalter gesehen habe, kann ich mir sogar MDF oder gar Spanplatte vorstellen.
Wenn ich die furnierte Variante nehme, Starkfurnier wie beim Grotrian meines Opas, wo sich das Furnier unten mal löste, weil die Putzfrau mit dem Wischmob hängen blieb, ist es wohl nicht mehr. Naja. moderne Zeiten halt.
-Schaue ich doch mal unten ins Klavier. Oh, die Pedalgestänge sind auch nicht mehr aus Holz sondern aus Metall? Warum das denn? Ach ja, bestimmt billiger in der Produktion.
-Oh, der Reso ist schon ab Werk teils ausgespant, bzw. stellenweise wahrscheinlich Astlöcher ausgebessert, wie es aussieht. Naja, wird wohl am Klang nichts ändern, aber das soll Qualität "Made in Germany" sein? Ich schaue ungläubig zweimal hin. Aber es ist tatsächlich so.
-Da mache ich doch besser wieder zu und schaue mir das Klavier mal von hinten an, schließlich wirbt Grotrian doch mit der X-Raste. Aber kann das sein? Die sieht ja lange nicht mehr so massiv und stabil aus, wie beim Grotrian meines Opas. Die ist ja nur noch aus Schichtholz ausgesägt! Und das soll halten? Ach ne, tut es wohl nicht, neulich erzählte mir ein Kollege, daß diese neue X-Raste bei ihm schon gebogen sei.
Und sah die beim Yamaha U3X, das ich vor einem Monat angeschaut habe, nicht stabiler aus?
Ich bin verunsichert, noch bevor ich einen einzigen Ton gespielt habe. Die ganze Bauqualität will mir nicht gefallen. Selbst wenn es mich vom Klang, Spielgefühl und Handling völlig überzeugen sollte, würde ich es wohl nicht kaufen. Aber ehrlich gesagt habe ich gar keine Lust mehr, in die Tasten zu greifen. Denn ich bin der Überzeugung dass das eine das andere bedingt.
Als unwissender Kunde der ich bin, wollen mir die Vorteile dieses Grotrian nicht so wirklich ins Auge stechen. Zu dem Preis muß einfach alles stimmen, und hier tut es das ganz offensichtlich nicht. Aber wahrscheinlich bin ich nur zu pingelig.
Aber das Grotrian meines Opas, dessen schönen, vollen, eigenständigen und sehr charakteristischen Klang ich seit Kindheitstagen in Erinnerung habe, war deutlich stabiler und massiver gebaut. Der Klang hatte eine Ursache, die mir jetzt nach der Besichtigung des neuen Grotrian langsam dämmert.
Ich frage mich auch, was ist jetzt an dem modernen Grotrian eigentlich besser als an einem Yamaha U3 oder U1?
Mir will nichts einfallen und ich verlasse enttäuscht den Laden.
Ich glaube, ich fahre mal nach Bayreuth zu Steingraeber.
Edit: Mein Opa hatte tatsächlich ein Grotrian-Steinweg Klavier. Modell 135. Hat er 1928 neu gekauft und es ist bis heute in Familienbesitz.
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