Es gibt ja verschiedene Arten von Kritik und verschiedene Arten von Kritikpunkten.
Da wäre zunächst die aufmunternde Kritik, die ein oder zwei Punkte herausgreift, die der Kritisierte vermutlich selbst schon weiß und ansonsten allgemeines Lob ausspricht. Für viel ist diese Art von Kritik vermutlich die am besten verdauliche. Die eigene Leistung wurde erkannt und man fühlt sich auf dem richtigen Weg.
Dann gibt es die "professionelle" Kritik, wie sie vermutlich öfters von Klavierlehrern geübt wird. Schwerpunkt ist hier die Frage, was man besser machen könnte. Lob wird ausgesprochen, weil es didaktisch wichtig ist.
Erwähnenswert ist auch die wischiwaschi-Kritik, die meistens jubelnd daherkommt und keinerlei echten Hintergrund hat - außer dem, daß der Kritiker auch gerne eine Bemerkung für seine eigene Einspielung haben möchte - also eine Kritik aus schlechtem Gewissen (ich muß was schreiben).
Die gnadenlose Kritik ist möglichst komplett und verliert sich leicht in Details, wobei kein Unterschied zwischen positiver und negativer Kritik gemacht wird. Anders bei der boshaft gnadenlosen Kritik, wo es darum geht, die Einspielung möglichst schlecht zu machen, am besten noch mit unangreifbaren Argumenten.
Es gibt noch eine weitere Kritikmöglichkeit, die der Ursache auf den Grund geht, warum dem Kritiker die Einspielung gefällt oder nicht gefällt. Das ist meiner Meinung nach die interessanteste Kritikart von allen, denn hier lernt man etwas über seine eigene Wirkung. Ich hatte es wirklich darauf angelegt, aber einige wurden von einer Bemerkung meinerseits auf eine Aufnahme von mir aufmerksam und genau dort finden sich tatsächlich solche Kritiken. Ich wünschte, ich könnte solche Kritiken schreiben. Aber ich versuche wenigstens, mich auf das zu beschränken, was mir deutlich auffällt und versuche dann, Fragen zu stellen, die dem Einspieler vielleicht neue Ideen bescheren oder ihn in seiner bisherigen Vorstellung bestärken.
Nun zu den Kritikpunkten:
Der allgemeine Eindruck wird meistens positiv bewertet, ist also kein wirklicher Kritikpunkt. Das ist aber gleichzeitig der interessanteste Punkt für den Musiker, auch wenn es sehr weh tun kann, wenn er negativ bewertet wird. Hier sollte man tatsächlich vorsichtig zu Werke gehen, auch wenn das Gegenteil gewünscht wird.
Besondere Stilmittel können heikel sein aber was auffällt, kann man nicht einfach ignorieren (es sei denn, man weiß, daß es andernorts bereits intensiv diskutiert wurde und nimmt es als gegeben an, daß der Pianist immer so spielt, dann wäre es aber erwähnenswert, wenn er plötzlich nicht so spielt).
Kritik zu Tempo, Agogik und Dynamik ist häufig vom Geschmack geleitet. Das hilft dem Pianisten nicht weiter. Wenn man aber darauf eingeht, was die gewählte Spielweise bewirkt, ist es sehr interessant und sollte auch nicht schlecht ankommen.
Ein ganz schwer zu beurteilender Punkt ist wohl die individuelle Leistung des Pianisten. Damit sind sicherlich viele Kritiker selbst überfordert. Aber ich glaube, daß eine profunde und glaubwürdige Aussage hierzu sehr wertvoll ist, auch für Profis. Aber wenn die Glaubwürdigkeit nicht gegeben ist, kann das zu erheblichen Selbstzweifeln führen, hier muß man also umbedingt vorsichtig sein.
Geschmacksfragen gehören auch zur Kritik. Das ist etwas heikel, denn man möchte ja den Pianisten nicht kränken aber man sollte auch nicht umbedingt lügen. Es ist ja wichtig, zu wissen, wie man ankommt, auch wenn die Kunst natürlich über solchen profanen Dngen steht.
Ich selbst habe ja auch schon ein paar Rückmeldungen bekommen und das ist meistens wie Achterbahn fahren. Gelegentlich fühle ich mich mißverstanden, manchmal verarscht und mancher positiven Kritik mag ich kaum glauben, weil ich den Eindruck habe, daß ich nicht gemeint sein kann. Aber dieser ganze Wust aus Emotionen und Informationen ist mir sehr wichtig als Energiequelle zum Musikmachen. Frustration über ausbleibende Kommentare ist nicht halb so viel wert.