Um aus einem Notentext heraus Musik lebendig zu machen, muss zum einen selbiger verstanden sein. Beispielsweise basiert das Tonhöhenmaterial auf verschiedenen Akkorden, die ihrerseits miteinander in bestimmte Beziehungen und Abhängigkeiten treten. Wer das nicht verstanden hat, kann nur Töne nacheinander und gleichzeitig vom Blatt abbuchstabieren, ohne zu wissen, wie er von Punkt A zu Punkt B gelangt. Dann ist es logisch, dass kein organischer Fluss aufkommt. Zum anderen müssen verschiedene Grundlagen abrufbar sein. Einen großen Teil des mit der rechten Hand gespielten Tonvorrats kann man auf bestimmten Grundtönen basierenden Tonleitern zuordnen. Kann der Fragesteller diese mit zweckmäßigen Fingersätzen flüssig und sicher ausführen? Ich vermute nicht - dann könnte er entsprechende Muster abrufen, modifizieren und ohne Stockungen miteinander verknüpfen. Daraus ergibt sich, dass bei der Einstudierung einiges analytisch erfasst werden muss und nicht jeder Schritt stets am Instrument erledigt wird.
Mancher lernt mit einem Jahr gutem Unterricht mehr als ein anderer mit zehn Jahre schlechtem. Eine Art von Ferndiagnose liegt aber auf der Hand: Es scheinen technische und analytische Grundlagen elementarer Art zu fehlen, wenn sich derartige Probleme einstellen, wie der Themenersteller sie beschreibt. Entweder war der frühere Unterricht inhaltlich miserabel oder die Verarbeitung der dem Schüler vermittelten Kenntnisse erfolgte durch diesen weder gut noch nachhaltig. Oder beides zugleich. Eine weitere Möglichkeit gibt es nicht. Allerdings ist es niemals kategorisch unmöglich, durch bessere Instruktionen und kluge Verarbeitung derselben entsprechende Defizite aufzuarbeiten. Im Selbstunterricht ist dieser Vorgang aber meist am schwierigsten realisierbar.
LG von Rheinkultur
Ich finde, du verwissenschaftlichst Musik etwas zu sehr. Klar, ich als Russin lasse meine SchülerInnen auch Tonleitern, Akkorde, Arpeggien üben und gehe einen frischen Notentext vor dem Spielen analytisch durch, aber Musik hat doch viele verschiedene Zugänge. Da wäre die Haptik, das Gehör, das visuelle Erfassen eines Notentextes.
Außerdem wäre es deiner Theorie nach wohl schnuppe, welches Instrument man spielt oder besser gesagt, gar nicht mehr nöitg, tatsächlich ein Instrument zu üben, weil man ja alleine wegen der Analyse dazu im Stande wäre. Es trifft vllt auf Absoluthörer, weil sie vom Notentext eine Klangvorstellung im Kopf entwickeln und der dann als umgesetzt gilt. Der Rest der Piansten muss aber die Stücke schon am Instrument üben, ob mit oder ohen Analyse.
Als Kind habe ich zu verschiedenen Melodien nach Gehör die passenden Harmonien entwickelt und wusste sicher nicht, wie diese Begleitfiguren heißen. Wenn ich heute komponiere, mache ich mir auch keine Gedanken, welche Akkorde, Intelvalle, wo die Dominante, Subdominante usw. ich verwende. Ich lege allerhöchsten zu Beginn die Tonleiter fest. Alles andere ergibt sich mehr aus meiner Stimmung heraus und fließt eigentlich schon fast von selbst. Und ich bin mit Sicherheit keine Ausnahme. Ich lasse meine SchülerInnen oft die Begleitung selbst entwickeln. Zur Zeit unterrichte ich eine fünf Jährige die noch nicht Mal die erste Umkehrung eines Akkords kennt und dennoch auch mit diesen in der gebrochenen Form begleitet.
Der von mir verfasste Beitrag #10 liefert die gewünschte Erklärung: Ein vor einiger Zeit mitschreibender User "Dreiklang" warb für seine sogenannte "Metronom-Methode". Dieser zufolge sollten unter Zuhilfenahme eines ständig mitlaufenden Metronoms technische Abläufe kontrolliert beschleunigt werden. Ein Metronom gezielt und sinnvoll einzusetzen ist keineswegs dumm, wohl aber ein exzessiver und nicht zielgerichteter Dauergebrauch.
Ja, stimme ich zu. Ich habe vor ein Paar Jahren eine SchülerInn übernommen, die auf einem Digi übt. Sie ist nicht schlecht, spielt aber irgendwie starr und mechanisch. Einst waren meine Übungsräumlichkeiten wegen Umbau geschlossen und ich gab ausnahmsweise die Stunde als Hausbesuch. Dabei stellte sich heraus, dass sie immer mit dem Metronom vom Digi übt. So erkläre ich mir ihre mechnische Spielweise.
Lieber Fortepiano, die Jahreszahlen an Unterricht sind ein quantitatives Kriterium, dass kaum etwas über den Leistungsstand eines Klavierlernenden aussagt. Es gibt begabte, motivierte und disziplinierte (ältere) Schüler, die nach 3 Jahren sich sehr erfolgreich an die kleinen Beethoven-Sonaten wagen dürfen, wie 49,1, die weithin unterschätzt wird. Im Durchschnitt ist dieses Werk aber sogar nach 3 Jahren zu früh, meistens werden da Sonatinenwerke gespielt. Auch 10 Jahre Unterricht zu haben, sagt leider nichts darüber, wie der Schüler diese Jahre genutzt hat, ob er begabt, und diszipliniert ist. Ich kenne Schüler, die nach 8 jahren Unterricht von anderen Schülern nach knapp 2 Jahren überholt werden.
Natürlich habe ich die Einzelhand-Übemethode sehr apodiktisch dargestellt, jedoch aus gutem Grund.
Ich habe zu viele Leute scheitern sehen, weil sie ihren KL ignoriert haben, und meinten, ein Weltwunder zu sein, dass gleich zusammen spielen kann. Natürlich gibt es Passagen bei Fortgeschrittenen, die gar nicht, oder kaum einzeln geübt werden müssen. Aber auch da ist Vorsicht angesagt: es sind dann beim Vorspiel mitunter diese "leichten Stellen", die in den Teich gehen. Genauso muss gelegentlich das Langsamspielen relativiert werden, da es mitunter Fingersätze gibt, die zwar im langsamen Tempo, aber nicht im schnellen Tempo funktionieren. Aber: diese Ausnahmen bestätigen nur die Regel.
Ich möchte den Schüler nach 10 Jahren Klavierunterricht kennenlernen, der Beethovens Pathetique gleich zusammen übt, und damit wunderbar klarkommt....halte ich ehrlich gesagt für einen Witz...
und verwette 'ne Kiste Kölsch...
Gruß!
Doch man kann auf jeden Fall die investierte Zeit (in Jahren) und Leistung eines Klavierspielers in Zusammenhang bringen. Sicher gibt es Unterschiede. Wer aber nach drei Jahren noch nicht Mal die Noten in der eingestichenen Oktave flüssig lesen kann, sucht sich lieber ein anderes Hobby. In Russland dauerte die Grundausbildung acht Jahre, nach der man zum Konservatorium wechseln konnte.
Das hälst du ja für unmöglich, aber ALLE meine SchülerInnen üben spätestens nach der zehnten Stunde mit beiden Händen gleichzeitig. Natürlich sind es keine Meisterwerke, wirklich einfache Begleitung und wir kriechen von Phrase zu Phrase. Aber so üben wir auch gleichzeitig das Prima Vista- Spiel und das Spiel ist größtenteils flüssig/ gleichmäßig!
Das dürfte bei deiner Methode nicht der Fall sein. Wenn du die Häde auch noch bis zur Endgeschwindigkeit getrennt übst, werden in der linken Hemisphäre des Gehirns für die rechte und in der rechten Hemisphäre für die linke Hand Synapsenverbindungen gelegt. Je besser eingebüt, desto dicker sind diese Verbindungen. Je dicker diese Vernetzungen, desto automatischer läuft ein Bewegungsprozess ab. Wenn du nun beide Hände zusammnfügst, sind die dafür erforderlichen Vernetzungen im Gehirn noch nicht da, sondern es werden die schon vorhandenen genutzt. Resultat: meistens die rechte Hand prescht nach Vorne durch, die linke hinkt, stellenweise geht es flüssig, bis eine Schwierigkeit auftaucht, das Spiel stockt, das Tempo schwankt generell.
Deine SchülerInnen werden wohl nie die Pathetique vom Blatt spielen können. Meine schon
Ich trinke keinen Alk. Brauche daher auch nicht um eine Kiste Kölsch mit dir zu wetten.
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LG,
Fortepiano