Ich wollte immer "Komponistin" werden, mein Vater wollte aus mir (ziemlich begabt, jaja, vielleicht auch hochbegabt...) eine klassische Pianistin machen. Mein Vater war auch Jazz-Pianist und konnte gut arrangieren und improvisieren. Das hat mir sehr gefallen. Moderne Stücke, Atonalität usw. flogem mir mehr zu als Barock (was ich heute sehr liebe), aber früher habe ich mir an Barock die Finger wund geübt während Stockhausen, Webern und Konsorten mit fast NULL Übung aufgesaugt wurde. Keine Ahnung, wie ich das damals gemacht habe, heute ist das nicht mehr so.
Mein Berufswunsch: sich mit Musik auszudrücken... ja ok. Ich habe viel geschafft und man könnte tatsächlich von einer "kleinen Karriere" als Komonistin sprechen. Aber durchgestartet bin ich nie, denn mir fehlen die Skills in Hinsicht Aquise, Verkauf, Verhandlung usw. Alles was ich je gemacht habe ist mir zugefallen.
Mein Haupt-Broterwerb fällt mir sehr leicht: Klavierunterricht. Dabei kann ich alle Levels unterrichten (bis Aufnahme Musikhochschule). Wer das also möchte, den begleite ich. Aber - wie viele hier schon erwähnt haben - ich bespreche auch die beruflichen Möglichkeiten und: die vorraussichtich zu erwartenden Einnahmen. Neben pädagogischen Fähigkeiten muss man auch Schüler rekrutieren, Konzerte organisieren für die Schüler, Werbung machen usw. Ist man dazu in der Lage? Und dann die Hauptfrage: Hat man Lust auf immer wieder "Hänschen klein"? Hat man Geduld? Viele Hochbegabungen verstehen bei anderen nie, wo die das Problem haben: fehlendes Einfühlungsvermögen... oder Unvermögen in der Analyse anderer Denkweisen. So etwas ist für Klavierunterricht kontraproduktiv. Solche Leute können einfach nur: toll Klavier spielen und haben da natürlich die Möglichkeit in Klaviertrios, Repetitor usw. Wenn man dahin will... die große Pianisten-Karriere wird seltenst kommen. Seltenst.
Ich bin mittlerweile gerne KL weil es mir leicht fällt. Die Vorbereitungen laufen ganz wie von selbst so nebenbei, ich bin sehr schnell in vielen Dingen, kann auf unterschiedliche Bedürfnisse gut eingehen usw. Das macht mir keine Mühe, es ist leicht. Für einige Kolleginnen bedeutet es Stress, wenn die Schüler mal Jazz spielen wollen oder die Weihnachtlieder mal rockig begleiten wollen. Die innere Ablehnung anderer Musikrichtungen blockiert die Freude an neuen Experimenten. Leider fahren diese "Pädagogen" manche Azubis sauer und die packen nie wieder ein Klavier an, was auch nicht wirklich "schlimme" ist - wer kann das schon so genau wissen. Eine Kollegin sagte mir mal abwertend zu einem meiner Schüler, der ein Stück von Oskar Peterson spielte: entweder man spielt "richtig" Klavier oder man soll es lassen. Der KL dieses Schülers wäre unverantwortlich, dem Schüler so etwas zu gestatten zu spielen! Das wäre keine Musik. Naja, das war vor 8 Jahren... als ich ihr dann erzählte, dass das MEIN Schüler wurde, riet sie mir, mit ihm dreistimmige Fugen von Bach zu machen, wovor DIESER Schüler schreiend davon gelaufen ist... aber diese Musik wäre einfach nur Quatsch und bringe gar nichts. Aha.
Von anderen Leuten habe ich gehört, dass die Dame viel rum geschrien hat. Scheinbar war Unterrichten NICHT einfach für sie... aber ich sagen mal so: auch SIE war bestimmt für einige SchülerInnen die "richtige" KL!
Mittlerweile tummeln sich einige meiner ehemaligen SchülerInnen ebenfalls auf dem gleichen Unterrichtsmarkt wie ich... seltsames Gefühl, jetzt "Konkurrentin" zu sein, wo der Markt gerade wg G8 und OGS völlig einbricht. Die Kernarbeitszeit beginn ab 16 Uhr wenn die GrundschülerInnen aus der OGS totmüde nach Hause kommen... Also reduziert sich die Arbeitszeit als KL drastisch (ich kann dann halt mehr komponieren, aber... wie kriegt man das verkauft?) und jedes Jahr spucken die MuHos weitere KLs auf den Markt. Dann ist KL auch kein geschützter Beruf! JEDER, der mal einige KL-Stunden genossen hat kann sein Wissen OHNE Diplom an jemand anderen weiter geben! (Das Diplom sagt ja auch nicht, ob jemand "gut" ist oder nicht).
Bei mir im Viertel gibt es "Damen", die kommen für 10€ ins Haus. Will man DAFÜR Musik studieren um mit denen auf dem Arbeitsmarkt zu konkurrieren? Bildet man sich eventuell ein, dass irgend eine Musikschule noch mal irgend einen Instrumentallehrer einstellt? Die warten doch alle ab, dass die Beschäftigten in Rente gehen und ersetzen die Lehrkräfte durch "Selbständige", die vielleicht sogar noch bereit sind, die Räume selbst anzumieten...
Hat man andere Fähigkeiten und Talente sollte man aus geldtechnischen Gründen sich das durchaus noch mal überlegen, ob man ein Musikstudium anstreben sollte. Die Kolleginnen und Kollegen, die ihre Reputation darüber definieren, dass fast 90 % ihrer SchülerInnen ein Musikhochschulstudium beginnen haben eben eine ANDERE Einstellung zur Musik als ich - das ist auch gut so. So hat jeder Kunde die Möglichkeit, die KL zu finden, die zu ihm passt.
Für mich geht es in der Musik immer um: Begegnung! Begegnung mit anderen im Zusammenspiel, ein Dialog mit einem Schöpfer der einem etwas vermittelt aus einer ganz anderen Zeit oder mit einem ganz anderen Hintergrund, Begegnung mit sich selbst, seinen (musikalischen) Vorlieben, seinem Unvermögen bzw. der Überwindung eigener Defizite, Begegnung mit Leuten, die eine völlig andere Sicht auf die Welt der Musik im allgemeinen oder insbesondere haben und auch Begegnung mit Leuten, für die nur die eigene Sicht zählt und nicht die Sicht anderer.