Man muss sich im Klaren darüber sein, dass man nicht allein mit distanziertem sachlichen Interesse "Klavier studieren" kann. schon gar nicht für eine so genannte Kontertkarriere.
Das Problem ist, dass man in einem Bereich, in den man tiefe emotionale Leidenschaft steckt, einem kalten und grausamen Selektionsdruck ausgeliefert wird! Allein dieser Druck, diese Belastung beim "Klavierstudium" ist anders, als das durch Prüfungen gehen z.B. in einem literaturwissenschaftlichen Studium. Denn man wird gezwungen, das, was man liebt, als Konkurrenzausschaltungsgerät zu missbrauchen: "ich gehe nicht gern in Konzerte von Pianisten: spielt der andere gut, ärgert man sich, spielt er schlecht, ärgert man sich auch" Artur Rubinstein.
Wer Talent hat (und das weist sich meist vorher schon) und dabei schon sehr viel kann (Aufnahmeprüfungen sind nicht ohne!), muss sich selber die Frage beantworten können, ob ihm sein Ziel so viel bedeutet, dass er diese grausame Ochsentour durchstehen WILL --- und sie ist grausam!
Bedenkt man dann noch, dass nur sehr wenige - und diese auch noch meist mit einer Mischung aus riesigem Talent, Glück, Zufall und Protektion - wirklich vom "Konzertpianist sein" werden leben können, kommt noch ein zweiter Faktor hinzu, es sich mehrmals zu überlegen, ob man das alles emotional durchstehen und aushalten will.
Ich rate nahezu jedem, der das beginnen will, ab - denn ich sehe quasi täglich, wie sich diese Pein auswirkt... da tummeln sich wirkliche Begabungen und quälen sich dabei mit Ängsten, Selbstzweifeln, Lampenfieber bei turnusmäßigen Prüfungen/Vorspielen -- und die erkennen dann selber den Unterschied, wenn sie was spielen und wenn dasselbe ein "arrivierter Profi" spielt...
Ich fürchte - beweisen kann ich es nicht - man muss schon VORHER und nicht nur innerlich Musiker SEIN, um das auf sich nehmen zu können. Aber frage mich bitte keiner, wie man das erkennen soll oder kann: ich habe da kein Rezept. Fragt man mich, wie das bei mir war, so kann ich nur sagen: ich wollte und konnte nicht anders, ich musste das tun, und ich konnte allerdings mit 16 schon Programme für mehrere Soloabende anständig spielen (freilich mit gewissen Repertoiredefiziten, die während des Studiums gemindert wurden) und hatte dergleichen auch schon öffentlich mehrmals gemacht. Aber ich will meine Erfahrungen nicht verallgemeinern.
Bachfugen üben müssen, Rachmaninovkadenzen trommeln, Etüden trommeln, Sonaten pauken die mir nichts sagten - mehr als die Hälfte der "Studierarbeit" war für mich scheußlich, und gegen manches hege ich heute noch eine Aversion wenn nicht gar Allergie... jeder Unterrichtende hat wahrnehmen können, dass ich nur für einen Teil des romantisch-spätromantischen Repertoires in Frage komme (das aber mehr, als die meisten), und trotzdem musste ich anderes Zeug wie ein Galeerensträfling durchackern... und bis heute haben mir Bachfugen nichts genützt, ich spiele sie nach wie vor nicht (hören ist was anderes!), ich spiele zwei Beethovenfugen (aus op.110 und den Diabellivariationen), die genügen mir (eine problematische dritte weigert sich konsequent, von mir gespielt zu werden...). Wie liefen Prüfungen? "Anstandsfugen" akribisch mechanisch studiert und realtiv gut vorexerziert, manches "moderne" Zeug ebenfalls nur mechanisch akribisch, lediglich romantische Etüden/Charakterstücke mit Feuer gebracht und damit bestätigt, was ich ohnehin wusste... Es ist grausam, Sachen gut spielen zu müssen, die einem persönlich nicht viel bis gar nichts bedeuten!
Fazit: überwiegend abraten kann nicht ganz falsch sein... leider
Gruß, Rolf